In diesen Tagen werden sich so manche Menschen auf der Südhalbkugel fragen, ob sie nicht einfach doch laut brüllen sollten: „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ Schon wäre die Tortur vorbei. Keine ekeligen Tiere und Insekten im Mund, kein Schleim und oder Känguruh-Eier zum Frühstück. Wenn aber die Gage aller Wahrscheinlichkeit nach erfolgsbasiert bezahlt wird, bleibt der Protagonist ein wenig länger dabei und freut sich, nicht zu den Leidtragenden zu zählen, die als auserwählte Prüflingen sich zur Volksbelustigung begeben müssen. Immerhin müssen andere Prominente sich nicht auf dieser Bühne zur Schau stellen.

Dieser im Volksmund als „Dschungelcamp“ bezeichnete TV-Event hat sich in den letzten Jahren zu einem der Erfolgsformate von RTL entwickelt. Scheinbar redet jeder darüber und schaut sich gerne an, wenn sich am Anfang des Jahres eine Schar von auserwählten Z-Promis mit Palmenwedeln in der Öffentlichkeit zeigen. Ihr persönlicher Seelenstriptease ist einfach zu perfekt inszeniert, als dass sich das Massenpublikum abwenden kann. Schadenfreude schadet bekanntlich dem TV-Zuschauer nie.

Aufgrund der Zeitverschiebung von Australien zu Deutschland läuft das Dschungelcamp bei uns erst ab 22.15 Uhr im deutschen Fernsehen. Wer zu der Zeit lieber schläft oder ein gutes Buch liest, also den irren Quatsch in der Flimmerkiste verpasst hat, muss sich in unserer Gesellschaft am Tage darauf für ein Gespräch mit den Arbeitskollegen oder so manchen Bekannten wappnen. Wie kann man das besser erledigen als durch die Berichterstattung in digitalen und gedruckten Medien? Dort steht doch immer das drin, was man wissen möchte. Der Spiegel zeigt das Spiegelbild der Gesellschaft, die Bild bildet die Gesellschaft, die Welt zeigt das Weltgeschehen und der Express ist einfach nur schnell. Entgegen der Erwartungshaltung in den Köpfen vieler Leser, dass eine Nachricht direkt aus erster Quelle in die Medien gelangt, bescheinigt die Realität jedoch etwas anderes. Die meisten Redaktionen nutzen für viele Berichte ihre eigenen Informationskanäle, um die Medien mit aktuellen Nachrichten zu befüllen. Schließlich wird vor Ort in Downunder wohl kaum einer der hauseigenen Redakteure sitzen, um exklusive Berichte mit direkten Insiderinformationen für das Blatt zu entwickeln. Neben den wenigen eigenen Geschichten liefern letztendlich Nachrichtenagenturen, Pressestellen, Insider und Branchenkenner den Journalisten die eigentlichen Informationen. Selbstverständlich kommt dabei eine Pressemeldung zu einem zeitlich und räumlich so weit entfernten TV-Event wie das Dschungelcamp mehr recht als schlecht.

Screenshot von RTL.de zur Themenseite vom Dschungelcamp

Bereits am Wochenende fiel mir ein kritischer Artikel von Stefan Niggemeier auf, der sich mit einem kurzen, aber damit provokanten Artikel an diesem mittlerweile typischen Verhalten von Redaktionen auseinander setzt. Gewiss ist die Kritik berechtigt, zumal die Pressemeldung von RTL neben einem redaktionellen Artikel der Welt wie eine 1:1-Kopie wirkt. Ein journalistischer Klon und ein voller Erfolg für die PR, und damit ein gutes Ergebnis für die PR-Abteilung von RTL. Dem Leser seines Blogartikels wird dabei jedoch nur der plakative Aspekt des leicht umgeschriebenen Kopierens vorgezeigt, während die Hintergründe für eine solche PR-Berichterstattung im Verborgenen bleiben. Zugegeben, man muss nicht alles erläutern, daher versuche ich mich einfach jetzt daran. :)

Warum kopieren Redaktionen teilweise direkt Pressemitteilungen?
Die Medienwelt hat durch die Digitalisierung eine starke Veränderung sämtlicher Bedingungen im Journalismus erlebt. Vor zehn Jahren war es kein Thema, beispielsweise für einige Stunden zur Recherche als Lokalredakteur am Ort des Geschehens sein. Oder man sprach direkt mit den Unternehmen, um an Daten, Fakten und Zahlen zu gelangen. Heute muss respektiert werden, dass die Redaktionen jetzt unter einem enormen Zeitdruck und Konkurrenzdruck leiden. Der fragliche Artikel wurde wohl weniger aus journalistischen Gründen zur Meinungsbildung, sondern eher aufgrund der thematischen Relevanz im Zielpublikum eingefordert. Natürlich nimmt ein Journalist in diesem Fall dankbar einen PR-Text auf, wenn solche detaillierten Schilderungen des mitunter ekeligen Geschehens mundgerecht aufbereitet sind. Damit wird leicht erreicht, dass sich der Käufer des Printerzeugnisses über solche Themen zur Informationsabdeckung schnell erquicken kann. Andererseits bleibt am Ende des Tages wesentlich mehr Arbeitszeit übrig, die für relevante und investigative Geschichten genutzt werden kann. So hat der Leser noch mehr Vorteile beim Kauf eines solchen Printtitels respektive beim Lesekonsum des jeweiligen Online-Mediums.

Zur Meinungsbildung zählt damit auch die ansatzweise Erklärung der Herausforderungen von Journalisten, die sich in einer schnellebigen Nachrichtenwelt gegen eine gewaltige Informationsflut behaupten müssen. Im Grunde genommen ist der kritische Bericht von Stefan Niggemeier sehr wertvoll für die Medienlandschaft, unterschlägt jedoch die womöglich wahren Hintergründe. Man sollte sich daran erinnern, dass Journalismus in der westlichen Welt von Anzeigen bei möglichst hohen Auflagen und Abverkäufen lebt. Je unattraktiver eine Publikation, desto eher besteht die Chance des Zeitungssterbens. Dies führt wiederum zu Entlassungen in den Redaktionen und angeschlossenen Abteilungen bis hin zur Einstellung des Printtitels. Darunter leidet zudem die unabhängige Berichterstattung und Medienvielfalt. Aber diese Brücke vom PR-Text in einem redaktionellen Medium zu schlagen wäre vielleicht genauso plakativ überzogen, wie die Kritik an dem Vorgehen insgesamt.

Und wenn wir bei plakativen Darstellungen sind: Falls zudem wirklich jemand daran glaubt, dass die Journalisten überhaupt Lust oder gar entsprechend Zeit hätten, sich diese Prüfungen im Fernsehen selbst anzusehen, sollte seinen eigenen Medienkonsum hinterfragen. Im Prinzip sollte sich auch jeder fragen, ob alles in dem Dschungel wirklich der Wahrheit entspricht, aber der Zuschauer liebt solche Sendungen und schaltet ein. „That’s entertainment, baby!“ :)

Tage wie dieser sind mittlerweile rar gesäat. Besonders wenn sich pure Überraschung breitmacht. Heute bricht das traditionelle Fernsehen aus seinen Ketten! Man schreitet auf neuen Pfaden. Während typische Broadcaster auf Linearität der Distributionswege angewiesen sind und inhaltlich auf redaktionelle Beiträge, Unterhaltung und Fiktion setzen, möchte sich mancher Sender auch bei der allgemeinen Entwicklung im Bereich Social Media eigene Anteile sichern. Gemeint sind nicht die typischen Präsenzen bei Facebook oder Twitter, auch nicht das Cross-Channelling und Steigern von Reichweite mit YouTube, sevenload oder den hauseigenen Mediatheken. Nein, etwas ganz anderes erregt derzeit Aufmerksamkeit: Das heiße Thema der Saison lautet Connected TV.

Wie kann ein Sender die junge, hippe Netzgemeinde für sich gewinnen und direkt auf dem Bildschirm für andere Zuschauer integrieren? Diese Frage beschäftigt manche kreative Köpfe in den deutschen Fernsehfabriken. Besonders wenn immer mehr Fernsehgeräte im letztjährigen Weihnachtsgeschäft verkauft wurden, die über einen eigenen Internetanschluss verfügen.

Jetzt scheint sich mit SUPER RTL auch ein deutscher TV-Sender an das brisante Thema heranzuwagen. Am kommenden Montag wollen die Kölner direkt zum Start der neuen Comedy-Serie „Glee“ das Feedback aus dem Web für jeden Zuschauer integrieren. Die Inhalte aus Social Media laufen jedoch nicht über eine Einblendung im Programm ab. Stattdessen werden die Inhalte über den Teletext auf Seite 777 geschaltet. So möchte man sich Tweets mit dem Hashtag „#glee“ und Kommentare bei Facebook in Echtzeit ziehen, die von deutschen Nutzern beigesteuert werden. Doch diesen Weg zu beschreiten wird sich als eine kleine Herausforderung entpuppen. Schließlich ist der von den Nutzern bereitgestellte Inhalt – ihre Tweets und Kommentare – urheberrechtlich geschützt und üblicherweise nicht zur kommerziellen Verwendung freigegeben. Vor allem kann jeder Nutzer etwas zu „#glee“ während der Sendung veröffentlichen, das Einverständnis zur Darstellung im Teletext von SUPER RTL ist etwas ganz anderes. Eine automatische Freigabe der Tweets und Kommentare bei Facebook erfolgt nämlich nicht. Doch sehen wir von der Tatsache ab, dass hier eine absolute Grauzone existiert, so wirkt der Vorstoß des Senders in Richtung Social Media eigentlich sehr erquickend.

Vielleicht lässt sich dieser kommunikative Unterhaltungsspaß mit dem Teletext als eine erste Vorstufe zum interaktiven Fernsehen in Deutschland werten? Doch das wäre schon zu viel verlangt, denn Connected TV bedeutet viel mehr als nur ein paar Tweets über den Teletext rauschen zu lassen. Bei der Frage, was letztendlich Connected TV überhaupt bedeutet, da schweigt sich zumindest alles und jeder aus. Auf diese Frage konnte selbst das allwissende Internet noch nicht wirklich viel beizutragen. Aber wenn Du etwas wissen willst, und alles so neu ist, dass niemand wirklich etwas dazu verfasst hat, schreib’s selbst auf, besetze die Nische und schaffe so Deinen eigenen Markt – und so schrieb ich auf Quora folgenden Text:

What is Connected TV?
Connected TV is a technology concept which combines the traditional linear TV and Internet in one device. The Connected TV enables the audience to choose from a set of pre-installed applications to enhance their viewing experience in an interactive environment.
These apps use the internet connection to access (live) content. Usually, apps are either free for use. The basic idea of an app store specialized for connected tv devices can enable a new market for subscription based or paid content apps.
Most of today’s manufactorers are able to provide connected tv devices with their current and new product lines.
The key element of connected tv devices is user interaction via common online services such as Twitter or Facebook. In a split-screen environment, live tv footage and broadcast content can be live commented via the service’s web interfaces or remote control. Broadcasters can include the community’s comments from a fanpage or a hashtag within an app and output the content via split-screen.
However, the remote control itself still remains a problem compared to fast access to Twitter’s or Facebook’s interactive communities with a mobile smartphone and classic PC or Mac.
Further, the term „Connected TV“ describes a product of Yahoo Inc. Often, the terminology is mixed with Hybrid TVs.“

Interessante Sichtweise, nicht wahr? Ja, im Vergleich zur Erwartungshaltung von Connected TV ist der gute alte Teletext wirklich nur eine frühzeitliche Vorstufe. Die bisherige Nutzung fand seit Jahren neben Anzeigen auch nur ein einziges interaktives Geschäftsmodell: Den wahrscheinlich extrem gelangweilten Zuschauern werden teure Call-In-Rufnummern angeboten, damit sie sich mit anderen Leuten im „SMS-Chat“ oder ähnlichen Kommunikationssystemen austauschen. Dieser inhaltslose Textbrei wird zeitnah im Teletext angezeigt. Zudem blendeten manche Privatsender, die ihren einstigen Schwerpunkt auf Jugendkultur und Musik setzten, die jeweiligen SMS-Nachrichten in den Live-Feed des TV-Programms ein.

Doch authentisch ist der ganze Spaß längst nicht. Leider wird ein Großteil der Kommunikation solcher SMS-Angebote von bezahlten Callcenter-Agents und -Moderatoren betrieben, um die Nutzer auch schön bei Laune zu halten. Welcher Mensch hockt stundenlang vor der Glotze, nur um sich per SMS mit wildfremden Menschen zu unterhalten oder zu flirten?

Interaktives TV hat nur eine wahre Chance am deutschen Markt, wenn die Endgeräte mit passenden kostenfreien Apps ausgerüstet sind, die exakt jenes Verhalten adaptieren, was unsere Gesellschaft bereits auf unzähligen Onlineportalen akzeptiert hat: Kommentare, Bewertungen, Chats und Statusmeldungen zu Inhalten. Diese Inhalte müssen wirklich als Split-Screen auf dem Fernsehbildschirm zum laufenden Programm angeboten werden. Dieser zusätzliche Kommunikationsmix darf nicht zum Broadcast-Signal ausgestrahlt werden, sondern muss über die App direkt aus den Quellen im Internet geliefert sein. Doch es mangelt noch an entsprechenden einheitlichen Standards seitens der Gerätehersteller, so dass die zusätzlichen Informationen für jedwede TV-Endgeräte und Applikationen einheitlich digital verarbeitet werden können. Zwar sind manche Hersteller sehr flexibel und wirklich bereit, diesen Weg zu beschreiten, aber solange eine Fernbedienung immer nur eine Fernbedienung und kein flexibles Eingabegerät ist, das sich wie eine handelsübliche Tastatur bedienen läst, wird Connected TV noch lange nicht im Wohnzimmer ankommen.

Und letztendlich bleibt die Frage nach der inhaltlichen Relevanz der Tweets. Wie die lieben Kollegen von DWDL bereits anmerkten, lässt sich der Inhalt eines Tweets nur schwerlich kontrollieren. Neben Spammern und den altbekannten Trollen werden hier vor allem kritische Themen angesprochen, wie es oftmals bei synchronisierten US-Serien der Fall ist. Wer will schon den deutschen Schwachsinn hören, wenn das original wesentlich mehr Witz und Esprit ausstrahlt als der die deutsche Synchronisation? Diese kritische Masse wird am Montag den Teletext bei Super RTL übernehmen. Man darf gespannt sein und selbstverständlich fleissig mitmischen – Montagabend um 20.15 Uhr geht’s los!

Wer einen Artikel für das eigene Blog schreibt, greift oft zu diversen Tools, um den fertigen Blogeintrag im Netz zu promoten. Waren es früher Social Bookmarking Dienstleister wie del.icio.us oder Stumbleupon, nehmen heute die Echtzeitmedien Twitter, Facebook und XING die Rolle der Linkdistribution ein. Zurzeit distanziert sich Ed Wohlfahrt in seinem aktuellen Artikel von diesem Gebahren der Promotion in Social Media und fragt noch einmal nach: Ist dieses Vorgehen verwerflich oder gelebte Praxis?

Eine durchaus relevante Frage hinsichtlich der „digitalen Selbstbeweihräucherung“, die im Sinne der eigenen Online-Reputation nicht zu verachten ist. Für meinen Teil (er)lebe ich Social Media und damit das Internet in seiner frischesten Form nach folgender Maxime: Egal ob Twitter, Facebook, oder Xing – wer mir folgt oder mein Kontakt sein möchte, macht dies aus Interesse an meiner Person. Nicht aus Zahlenhascherei um die höchsten Werte an Verfolgern und Gefolgten. Diese zahlengeilen Menschen entfolgen mir üblicherweise auch nach kurzer Zeit, oder ich rate ihnen an, mir schleunigst mit nur einem Klick zu entfolgen, wenn meine veröffentlichten Informationen von keinem persönlichen Interesse für sie sind.

Als viel interessanter entpuppen sich die Follower und Kontakte, die ziemlich genau das sehen möchten, was ich der Welt mitteile. Dazu zählen nicht nur Weisheiten und Sinnfreiheiten mit 140 Zeichen, sondern auch Linktipps zu Themen, die mich interessieren und von denen ich glaube, sie interessieren diejenigen Leute, die mir folgen. Manche Themen werden bereits von anderen Autoren gut abgedeckt, so dass ich freudig ihre Links verbreite oder andere Tweets mit Linktipps retweete bzw. die Informationen mit meinen Kontakten über die üblichen Funktionen teile. Dieses Prinzip des Teilens passt perfekt zu den Gedanken, die ich selbst nicht mit nur 140 Zeichen oder einem kurzen Statusupdate ausdrücken kann, sondern für die ich einen längeren Artikel im eigenen Blog herleiten muss.

Genau diese Artikel, die ich eigenhändig mit verhältnismäßig viel Zeit und so manches Mal auch mit Mühe verfasse, möchte ich gelesen wissen. Der Grund für diesen Wunsch liegt vielleicht nicht jedem Leser, Kontakt oder Follower auf der Hand. Hier stehen keine Abrufzahlen in Millionenhöhe für den Egopush im Vordergrund. Nein, es sind eher Eure Reaktionen und Kommentare auf meine Artikel, die mir wertvoll sind. Ich verbreite die Links auch, weil es mich erfreut, wenn ich anderen Menschen etwas mitteilen kann, was vielleicht für ihren persönliche Situation in Arbeits- und Privatleben von Vorteil sein kann.

Gewiss ist es ein zeitraubender Faktor, jeden Blogeintrag zu promoten. Je einfacher, desto besser. Nicht ohne Grund habe ich nach ersten Gehversuchen den „Tweet-this“-Automatismus eines Plugins für WordPress vor fast zwei Jahren wieder deaktiviert. Daraus folgte, dass ich nur händisch die Tweets mit den Links verfasste. Mein Ziel dahinter ist auch leicht ersichtlich: Ein wenig persönliche Note hilft immer, wenn ein Link ankommen soll. Twitter wird per Hand, Facebook wiederum automatisch von Twitter gefüllt. Die Fanpage meiner Webseite fülle ich wiederum per Hand und Xing bekommt auch ein Statusupdate. Der Rest ist reiner Luxus und Überfluss. Schließlich gehen die Nutzer nicht mehr auf die Suche nach Informationen. Die Nutzer werden von den Informationen gefunden – und lassen sich vielleicht sogar auch überraschen.

Abschließend freut es mich, durch den ursprünglichen Gedankengang im Artikel von Ed Wohlfahrt auf dieses Thema zu kommen. Dies erfolgte kurzerhand über meine abonnierten RSS-Feeds via Google Reader und nicht über Twitter. So konnte ich anstatt eines einfachen Kommentares in seinem Blog gleich einen ganzen Artikel verfassen, was wesentlich mehr Relevanz besitzt als schnöde 140 Zeichen. Während so manche Stimmen vom Ende von RSS flüstern, glaube ich auch stark daran, dass RSS noch lange weiterleben wird. Dies ist jedoch eine andere Baustelle. :)

Heute startet der Deutsche Fachverlag zusammen mit seinem Eventpartner The Conference Group ein neues Online-Portal mit dem Schwerpunkt Bewegtbild: mykeynote.tv soll als branchenübergreifende B2B-Video-Plattform am deutschen Markt etabliert werden.

Bereits vor einigen Monaten hörte ich von dem Gerücht, dass sich ein Fachmedium aus dem Bereich Marketing und Medien mit einem solchen Projekt etablieren wollte. Das neue „mykeynote.tv“ zeigt Video-Mitschnitte vollständiger Vorträge, Präsentationen und Diskussionsrunden aus unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen auf dem Portal, die zusätzlich um die passenden Präsentationsfolien ergänzt werden. Das Projekt ist ein Ergebnis eines verlagsinternen Wettbewerbs, der für innovative Online-Projekte ausgeschrieben worden war. Das Video-Angebot bietet zudem einen interessanten Ansatz, wie Verlage mit digitalen Inhalten weitere Erlösquellen im Bereich Paid-Content erschließen können. Schließlich sind die meisten der verfügbaren Videos nicht umsonst. Paid-Content und Videos im Netz? Schauen wir uns das doch einmal näher an…

Der interessierte Zuschauer bekommt bei „mykeynote.tv“ vorerst nur ein Häppchen des Videos zu sehen. Erst nach einer Registrierung können unterschiedliche Zahlungsoptionen genutzt werden: Die Videoinhalte können zu jeweils 29 Euro pro Video bzw. 249 Euro pro Konferenz bezogen werden. Insgesamt vier Wochen sind die Videos nach Aktivierung und Bezahlung verfügbar. Alternativ lässt sich der Zugriff auf das gesamte Videomaterial aller Konferenzen für 1899 Euro im Jahr freischalten. Im Vergleich zu manchen Ambitionen der deutschen Verleger, ihre Verlagstitel als iPad-App für 2,99 Euro anzubieten, findet sich hier der reizvolle Ansatz von Paid-Content im oberen Segment.

Die Inhalte selbst scheinen von Profis und Experten zu stammen, die ihr Wissen in Vorträgen und Diskussionen vortragen. Zum Start des Angebots werden Aufzeichungen einzelner Veranstaltungen der hauseigenen Verlagstitel „Horizont“ und „Lebensmittelzeitung“ beigesteuert. Während in der ersten Phase noch verhältnismäßig wenige Konferenzen mit insgesamt ca. 150 Videos verfügbar sind, darf ein interessierter Zuschauer sich wohl künftig auf mehr Inhalte freuen. Das Portal scheint auf einen langen Zeitwert der Inhalte zu setzen, was sich bereits am Premium-Abonnement für ein ganzes Jahr erkennen lässt. Ein geheimer Vorteil dieses branchenübergreifenden B2B-Video-Portals liegt in der bunten Themenvielfalt durch den Eventpartner, welcher zu den Bereichen Handel und Ernährung, Marketing und Medien, Hotel und Gastronomie, Recht und Wirtschaft, Verpackung und Umwelt regelmäßig Konferenzen ausstattet.

Mit „mykeynote.tv“ wird ein zentraler Anlaufpunkt für ein breitgefächertes Publikum geschaffen, der bereits gezeigte und bekannte Inhalte ohne Werbung wie Video-Ads monetarisiert. Paid-Content in Rohform. Vielleicht in Bestform? Ob ein bereits zahlender Gast von vergangenen und künftigen Events den direkten Zugriff auf das Videoangebot als kostenfreie Zusatzleistung erhält, oder doch die „Video-Option“ beim Ticketkauf zusätzlich buchen muss, wird sich in Zukunft zeigen. Doch im Prinzip sollte dieser zusätzliche Service für jeden Veranstaltungsteilnehmer eine inklusive Leistung sein.

Von anderen Branchenevents der Medienszene kennt man es bereits überdeutlich: Viele Konferenzen stellen seit langer Zeit das passende Videomaterial freizügig ins Netz. Insbesondere Highlight-Events wie next oder DLD setzen auf Bewegtbildinhalte, um ihr zahlendes Publikum auch auf lange Sicht hin zu begeistern und immer wieder neue Inhalte bei Bedarf verfügbar zu machen. Das Wissen und selbiger Wissensaustausch steht dabei ebenso im Vordergrund wie die Exklusivität des Networkings auf den Events. Zudem wird durch das jeweilige Videoangebot die lange Pause zwischen den einzelnen Jahresevents leicht überbrückt. So wird ein gewisser Heißhunger auf den Folgetermin einer Konferenz erzeugt, der üblicherweise auch mit Social Media in Twitter, Facebook und Konsorten generiert wird – die Video-Berichterstattung zeigt sich dabei als echtes Besuchererlebnis.

Falls das neue Angebot „mykeynote.tv“ durch nimmermüde Berichterstattung und Bereitstellung von Videoinhalten, die das eine oder andere Mal auch kostenfrei verfügbar sein dürfen, seine zahlende Kundschaft bei Laune hält, kann sich hier für den Verlag und seinen Eventpartner ein durchaus lukratives Zusatzgeschäft entwickeln. Aufgrund des hohen Preisniveaus ist das Zielpublikum sehr spitz zugeschnitten. Laut eigener Aussage richtet sich das Angebot an Führungskräfte und Nachwuchsmanager, weniger an „normale“ Zuschauer. Darunter fallen auch diejenigen Mitarbeiter eines Unternehmens, die sich gewiss weiterbilden und über neue Trends informieren möchten, jedoch nicht über die passenden Budgets verfügen. Die Zeit wird zeigen, ob dieses Preisniveau den Inhalten gerecht wird und sein Publikum schließlich finden kann. Ich wünsche dem Team um Horizont-Redakteur Olaf Kolbrück viel Erfolg für das neue Projekt! :)

Eine alte Freundschaft verbindet unglaublich viele Menschen mit einem typischen Alltagsgerät. Der Fernseher begeistert seit etlichen Jahren jede Zielgruppe. Von der Retrospektive aus gesehen wird die Mediennutzung schon ab drei Jahren bei den Zuschauern gemessen und bis ins hohe Alter verfolgt. In der Kindheit wurden früher vermutlich viele Sprösslinge vor die viereckige Kiste gesetzt, damit sie beschäftigt waren, während die Eltern anderen Beschäftigungen nachgingen. Oder es gab kein Fernsehen, so dass die Kinder sich danach zu sehnen begannen. Heute versuchen wir hochoffiziell als aufgeklärte Eltern diesem Treiben ein Ende zu setzen und so spät wie möglich den TV-Konsum den Kindern zu gestatten. Doch in der Jugend vieler Mitbürger lief der Flimmerkasten durchgängig. Vornehmlich in den 80ern und 90ern des letzten Jahrtausends wurde MTV groß, etwas später gab auch Viva den halben Tag in den Kinderzimmern den Ton an.

Folglich vollzieht die Stellung des Fernsehers mit dem Reifeprozess der Menschen auch einen Wandel. Bereits in der Ausbildung oder im Studium, aber spätestens im Berufsleben findet sich weniger Freizeit, um die Bewegtbildinhalte im vollen Umfang aufzusaugen. Aufgrund des Zeitmangels entwickelt sich der TV-Konsum von reiner Berieselung zur berieselnden Entspannung am Abend nach dem Motto „Füße hoch und zurücklehnen“. Das typische Leanback-Prinzip wird von unzähligen Zuschauern zelebriert. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Glotze im späten Alter mit optional intensiver Lautstärke erneut den lieben langen Tag im Dauersendebetrieb läuft. Manchmal sogar über den Tod der Zuschauer hinaus. Doch in der Jugend und im Berufsleben erfreuen wir uns an der werberelevanten Zielgruppe, einer der womöglich wunderbarsten Erfindungen, wenn gleich auch Lügengeschichte aus der Feder des Privatfernsehens. Schließlich ist ein kaufkräftiger 14-Jähriger üblicherweise eine absolute Ausnahme, weil einen Sportwagen zu kaufen erst in einem gewissen Alter dank monetärer Mittel möglich wird. Ungeschoren betrachtet beeinflussen die Kinder das Kaufverhalten ihrer Eltern und die Werberelevanz beinhaltet auch die langjährige Markenbindung, ja förmlich eine Prägung auf bestimmte Marken, die in unserem täglichen Leben über den Bildschirm in 30-60 Sekunden abgefeiert werden. Werbung für Zielgruppen in einem linearen Medium.

Die Maschinerie der TV-Industrie läuft scheinbar unaufhaltsam. Laut einer aktuellen Analyse von media control schalteten die Fernsehzuschauer hierzulande im Schnitt 223 Minuten täglich ein. Täglich bis zu 3:45 Stunden hängen die Deutschen vor dem Flimmerkasten, was eine Steigerung um ca. elf Minuten im Vergleich zum Vorjahr und die höchste Sehdauer seit 1992 bedeutet, dem offiziellen Start des analytischen Messverfahrens für die aktuelle Auswertung in der Einschaltquotenvermarktung. Im direkten Vergleich zwischen den einzelnen Bundesländern kamen die Einwohner aus Sachsen-Anhalt auf stolze 276 Minuten täglich, dicht gefolgt von Thüringen (274 Minuten) und Sachsen (269 Minuten).

So mag man sich nach den Gründen für diesen Anstieg der Sehdauer fragen, der sich vor allem in den Bundesländern aus Ostdeutschland niederschlägt. Heute veröffentlichte die Bundesagentur für Arbeit die aktuellen Zahlen der Arbeitslosenquote für 2010. Zwar zeigt sich insgesamt eine Besserung am Arbeitsmarkt, was auf eine starke Konjunktur zurückgeführt wird. Doch im Vergleich mit der durchschnittlichen Sehdauer lässt sich behaupten: Die Sehdauer fällt in der Regel in den Bundesländern höher aus, wo eine verhältnismäßig hohe Arbeitslosenquote auftritt. Die nebenstehende Grafik verdeutlicht diese altbewährte Theorie anhand der offiziellen Zahlen. Die „TV-Muffel“ sitzen in Bayern und Hessen, generell wird in Westdeutschland weitaus weniger Fernsehen geschaut als im Osten, gleichzeitig sind bis auf wenige Ausnahmen die Arbeitslosenquoten der Bundesländer unter 10 Prozent, teilweise unter 5 Prozent.

Das klischeehafte Potenzial solcher Herleitungen in Form einer Kombination von der täglichen TV-Sehdauer mit Arbeitslosenquoten ist definitiv gefährlich und soll als Beispiel dienen, um die Wertigkeit solcher Analysen zu hinterfragen. Brauchen wir in der heutigen Zeit nicht mehr als nur den reinen TV-Konsum, um auf einen Aufschwung zu deuten? Der TV-Markt hat bereits aufgrund der hohen Nachfrage nach LCD-Fernsehern im vergangenen Jahr stark zugelegt. Dies könnte schon als ein erstes Indiz gedeutet werden, dass der generelle Anstieg der Sehdauer durch die Faszination für die neuen Endgeräte in vielen Fällen begründet ist. Zudem findet die Vermischung von Internet und klassischen TV-Inhalten auf Hybrid-Fernsehern immer stärker statt. Betrachten wir Sony Bravia Internet TV oder Philips Net TV sowie Google TV oder Boxee, finden die TV-Zuschauer gänzlich neue Anreize, um den Flimmerkasten einzuschalten.

Auch erweckt die Analyse von media control nicht den Eindruck, dass die Mediennutzung vieler Menschen mittlerweile parallel abläuft. Das typische Nutzungsverhalten kombiniert verschiedene Medientypen wie TV und Internet vor allem in den Abendstunden. Viel zu oft finden sich unzählige Nutzer bei Twitter oder Facebook und tauschen sich intensiv über aktuelle (Live-)Sendungen aus. Doch dieses Gezwitscher lässt sich bisher kaum in Verbindung mit der klassischen TV-Sehdauer bringen, um ein wirkliches Abbild der Mediennutzung darzustellen.

So verbrachten US-Amerikaner laut einem Bericht der New York Times (03/2009) bereits bis zu neun Stunden pro Tag vor einem Monitor. Ein Unterschied zwischen TV und PC wurde nicht mehr vollzogen. Zudem stieg laut einer Studie von goetzpartners (05/2010) die Nutzung von IPTV in Deutschland mit 157% im Vergleich von 2009 und 2008 deutlich.

Als trauriges Ergebnis lässt sich also feststellen: Analysen von klassisch ambitionierten Unternehmen müssen mittlerweile stark hinterfragt werden. Eine reine Lobhudelei auf das Fernsehen wäre vollkommen unangemessen. Dennoch wird das Fernsehen nicht einfach sterben, sondern sich gänzlich verändern und neu definieren. Die Linearität steht noch immer als absolutes K.O.-Kriterium einer gesamten Branche. Die Konvergenz von Medien und Inhalten über hybride Endgeräte wirkt sich von Vorteil aus. Die Gesellschaft spürt dies durch verschiedene Inhalteanbieter und Aggregatoren, wie YouTube, sevenload, Maxdome oder RTL Now. Deutschland holt jedoch auf, zudem nach dem BITKOM-Webmonitor (Juni 2010) bereits jeder zweite Internetnutzer WebTV schaut.

Wer spricht noch von der berüchtigten „Medienrevolution“? Die Revolution ist vorbei, wir befinden uns auf dem Weg in die Zukunft mit der „Evolution der Medien“, die im Wohnzimmer stattfindet. Diese Evolution fand dank Hybrid-TV im Weihnachtsgeschäft 2010 statt, als bereits mehr Fernseher mit Internetanschluss verkauft wurden. Wer heute einen Aufschwung für das lineare TV-Programm prognostiziert, sollte alle Faktoren und Trends berücksichtigen, die unserer Gesellschaft ein mediales Erlebnis in Zukunft beglücken werden.

Disclaimer: Als Autor dieses rein privaten Blogs möchte ich für alle Leser anmerken, dass ich als langjähriger Mitarbeiter von sevenload eine gewisse Einsicht und ein entsprechendes Verständnis für dieses Thema entwickelt habe. Eine Verwässerung des Themas ist demnach nicht angestrebt. Vielen Dank.

In wenigen Tagen ist es soweit: Am 25.11.2010 treffen im Rahmen des internationalen Kongresses „The World after Advertising“ in der Düsseldorfer Rheinterrasse Visionäre und Vorreiter der Werbeindustrie auf Entscheider aus Unternehmen und Agenturen entlang der Werbe-Wertschöpfungskette. Für den Standort Nordrhein-Westfalen wird mit diesem Kongress ein ziemlich guter Jahresabschluss stattfinden. Auch ich werde mit von der Partie sein und hoffe auf spannende Gespräche.

Zudem kann ich von meinem Arbeitgeber sevenload auch einen kleinen Anreiz bieten. sevenload lädt Euch ein, auf diesem Event neue Impulse für eine nachhaltige Positionierung im digitalen Zeitalter zu gewinnen.

Ihr könnt auf dem Event natürlich die Referenten kennenlernen und erfahren, wie ihre erfolgreichen Werbestrategien der Zukunft aussehen. Fragen lohnt sich immer! :)

Hier ein kleiner Auszug aus der Referentenliste

  • Arndt Groth, Präsident des Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V.
  • Amir Kassaei, Chief Creative Officer der DDB Group Germany
  • Axel Schmiegelow, Geschäftsführer des Social Video Networks sevenload.com
  • Ken Doctor, US-Medienanalyst und Buchautor
  • Madlen Nicolaus, Social Media Manager EAMER von Kodak
  • Martin Meyer-Gossner, Strategic Marketing Services Director von IDG Global Solutions
  • Oscar Ugaz, Digital Business Manager von Real Madrid
  • Rob Gonda, Creative-Technology-Guru von SapientNitro

Das vollständige Programm sowie alle Informationen zu den Referenten und der Anmeldung findet ihr auf der Website www.world-after-advertising.com.

Vergünstigte Tickets
Mit sevenload bieten wir Euch außerdem die Gelegenheit, vergünstigte Tickets mit dem Code MC-TWAA-SEVEN zu erwerben. Die Einlösung des Codes erfolgt immer direkt über die Eventseite unter – wählt dort die Option „Hier klicken um einen Aktionscode einzugeben“ aus. Nach Eingabe der Daten erfolgt die automatische Zustellung der Tickets per E-Mail.

„The World after Advertising“ ist eine Veranstaltung der Mediencluster NRW GmbH in Kooperation mit der ALM (Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten) und LfM NRW (Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen), unterstützt durch die Partner sevenload, denkwerk und mymuesli.

Alle Welt zwitschert nur noch vom #Blumenkübel. Was macht den Behälter so besonders interessant? Nicht nur die deutschen Fachmedien greifen das absurde Thema auf, auch auf internationaler Ebene sind die digitalen Einsiedler über das deutsche Phänomen des Blumenkübels verwundert.

Der Grund für diese digitale Furoe ist denkbar einfach. Die Wunderwaffe der Kommunikation, der klassische Lokaljournalismus, bringt die internationale Netzgemeinde zum Staunen. Die Münstersche Zeitung verbreitete vor zwei Tagen einen kurzen Artikel mit dem Titel „Großer Blumenkübel zerstört“ in ihrer Lokalausgabe für Neuenkirchen. Was daran so faszinierend ist? Eigentlich rein gar nichts. Das Thema ist auch nicht sonderlich besonders. So läuft einfach nur die normale Berichterstattung, wie sie jeden Tag in Lokalzeitungen stattfindet.

Für einige kommunikationsfreudige Twitterati entwickelt sich aus dem Artikel über den Blumenkübel ein gewaltiger Spaß. Es wird getwittert, bist der Arzt kommt. Mitmachen garantiert Spaß, einige hochgradig lustige Tweets, und so manche Perle der Sehnsüchte einzelner Personen nach Grünpflanzen sowie ihren Behältern. Viral ist daran nur die Verbreitung der grundlegenden Idee, sich zum Blumenkübel-Phänomen mit Wort, Bild und Ton auszulassen. Eine gezielte Kampagne dahinter zu vermuten wäre vollkommener Unsinn.

Doch durch den Erfolg des #Blumenkübel als „Trending Topic“ bei Twitter lässt die Herzen der viralen Marketing-Leute höher schlagen. Im Sekundentakt feuern die Netzbewohner lustige, amüsante und absurde Tweets zum Blumenkübel-Phänomen ins Netz. Auch eine Fanpage bei Facebook wird eingerichtet und nach kurzer Zeit tummeln sich dort über 1.000 Fans. Einige findige Kommunikatoren glauben, im Blumenkübel ihr Heil zu finden und verscherbeln gleich ein paar Stück aus dem Sortiment. Meine ursprüngliche Forderung nach einem Song zum Blumenkübel wurde sehr schnell beantwortet. Sogar ein Video zeugt von dem energetischen Potenzial des Blumenkübels und bezeugt die dramatische Reinform der deutschen Literatur.

Wenn eine ungewollte, ungeahnte und unvorhersehbare Reaktion der weltweiten Internetnutzer ins Rollen kommt, können Dämme brechen und das Objekt der Begierde erfreut sich großer Aufmerksamkeit. Leider ist es ein Blumenkübel und kein sozial-gesellschaftlich relevantes Thema, worüber die Leute im Netz sich auslassen. Und die Münstersche Zeitung, die seit wenigen Stunden auf der internationalen Showbühne im Rampenlicht steht, wirkt selbst verwundert und begeistert zu gleich von diesem Hype. Den Verlag wird es gewiss erfreuen, schließlich treibt es die Zugriffe auf das Online-Angebot in die Höhe und generiert unerwartete Werbeeinnahmen. Sei’s ihnen gegönnt. Schließlich erleben wir eines der schönsten Highlights im diesjährigen Sommerloch – was will man mehr? :)

Vor etlichen Jahren begannen Vermarkter mit dem Feldzug, das Internet über Werbung zu monetarisieren. Die Gratiskultur, die sich in den frühen 90er Jahren entwickeln konnte, wurde durch die „Gratis, aber nehme Werbung in Kauf“-Kultur abgelöst. Jahrelang füllte man unzählige Webseiten mit Display-Ads, die aufgrund geringer Bandbreite aus statischen oder animierten Werbebannern bestanden. Mit Flash konnte man irgendwann ein wenig mehr als den 468×60-Bannern zaubern. Doch was früher einmal als Standard galt, sind heute nur noch Peanuts im Vergleich mit der „XXL Box“ von der New York Times.

Der obige Screenshot (Anmerkung: Bild entfernt) verdeutlich ziemlich eindrucksvoll, welche Wirkung die herrliche Pracht von 468 x 648 Pixel auf den Nutzer haben. Jeder Vermarkter wird sich daran ergötzen, eine solche Display-Werbefläche im Portfolio zu haben. Ja, man sieht eine durchaus beeindruckende Werbefläche, die vollkommen mit Flash als Video-Ad genutzt werden kann. Von der Machart der „XXL Box“ bin ich als Nutzer vielleicht auch überzeugt, aber kaufe mir die gezeigte Uhr auch nicht. So kann ich wunderbar damit leben, den Content for free zu genießen, während die Werbung auf mich hereinprasselt – und abprallt. Schließlich schätze ich den redaktionellen Hintergrund und öffne Webseiten nicht wegen der Werbung. Und in diesem Moment fragt sich der eine Teil der Seele, die auf beruflicher Ebene auch dem Marketing ein Verständnis entgegen bringt und nicht ausschließlich der PR verschrieben ist, welche Gründe die Vermarkter und vor allem den Verlag dazu bewegen mögen, ein solches Mega-Ad als Format zu etablieren?

Die Antwort findet sich im Kampf der Verlage gegen die berüchtigte „Gratiskultur Internet“. Man merke, welche Einleitung dieser Artikel genoss. Wenn die Anzeigenplatzierungen in Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen dank Internet und Social Media künftig ausbleiben, schafft man sich Freiräume für die Werbekunden im Online-Auftritt eines Print-Titels. Ja, wir müssen alle damit leben, schließlich finanziert die Werbung unser aller täglich Brot. Das Trauerspiel selbst findet sich in der Machart der Anzeige wieder. Sie erscheint neben dem Content, also seriös vom redaktionellen Bereich getrennt. Nur die Nutzer werden wohl davon nicht geblendet werden, wenn sie einen thematischen Artikel lesen wollen. Wäre es ein mit dem Content fest integriertes Werbemittel, wie ein Video-Ad im Videoplayer oder eine den Text unterbrechende Werbeform als Werbeinsel oder Content-Ad, genießt die Werbung im Endeffekt doch mehr Aufmerksamkeit als bei der plumpen „Nebenbeischaltung“ im Bereich der Sidebar? Insgesamt fragt man sich schon nach dem Sinn dieses Werbemittels, doch egal wie man es drehen und wenden will – die XXL Box ist das Mega-Ad schlechthin. Und vollkommen fehlplatziert.

Press this! Not the button, but the Press. Kuscheln wir uns eng zusammen und schauen mal, was im Internet so los ist. Auf dem Heimweg las ich zufällig doch tatsächlich folgenden Artikel mit dem markigen ersten Satz: „Heute ist mein Blog bei der FAZ „gesperrt” worden.“ Zu Anfang dachte ich, meine Augen würden mich trüben. Das kann nicht wahr sein. Hier scherzt jemand. Doch tatsächlich wurde laut des Artikels das FAZ-Blog von Michael Seemann alias „mspro“ von der Redaktion abgeschaltet.

Zuerst war es nur ein einzelner Blogeintrag, doch dieser brachte den Stein ins Rollen. Fehlende oder nicht ausreichende Rechte an dem verwendeten Bildmaterial, wie in diesem Fall durch die Redaktion kritisiert wurde, stellen Verlage vor eine große Herausforderung. Bevor man eine Abmahnung oder Honorarforderung seitens des Fotografen oder Rechteinhabers riskiert, ist der schnelle Griff zur Deaktivierung von fraglichen Beiträgen durchaus gängige Praxis. Schließlich geht es um den Geldbeutel, der uns allen lieb und teuer ist. Dieser Grund für die Entfernung eines einzelnen Artikels wirkt auf den ersten Blick durchaus verständlich. Doch gerade an dem Punkt entwickelt sich eine sehr spannende Geschichte.

Nach Überprüfung des fraglichen Artikels stellt der FAZ-Blogger „mspro“ seinen Artikel selbstverständlich ohne das fragliche Bildmaterial online – mit einem Hinweis auf die Veränderung. Der alte Text wirkt gewiss auch ohne die Illustration. Der Leser darf am Inhalt teilhaben. Genau an diesem Punkt, und da empfehle ich durchaus den obigen Artikel zu studieren, sieht sich die Redaktion gezwungen, das Blog scheinbar restlos zu entfernen und wertvolle Inhalte schlimmstenfalls restlos zu vernichten.

Ich respektiere vieles und kann die Entscheidung zur Deaktivierung eines Beitrages aufgrund der fehlenden Bildrechte wirklich nachvollziehen. Aus der Business-Sicht sprechen viele Gründe für den Schutz vor Honorarforderungen bei Bildern. Aber den Tod eines ganzen Blogs und aller Artikel zu riskieren stellt fast schon einen eklatanten Widerspruch zur Pressefreiheit dar, die auch auf Blogs als publizistische Werke zutrifft. Der Autor wird zwar nicht durch staatliche Instanzen an der Veröffentlichung von Inhalten und der Meinungsbildung gehindert, sondern durch eine Redaktion selbst. Insbesondere die Tatsache, dass der fragliche Blog den Namen „crtl-verlust“, also den Kontrollverlust als Titel trägt, spiegelt die Ohnmächtigkeit der traditionellen Medien mit Lichtgeschwindigkeit wider. Was nicht passt, wird passend gemacht – oder abgestellt. Für die Redaktion der FAZ kann dieser Schritt, das Blog und seinen Autor zu entfernen, keinesfalls von Vorteil sein. Fast 60 Kommentare und unzählige Tweets machen seit wenigen Stunden die Runde.

Wenn das nicht der beste Weg zum Social Media PR-Gau für die Redaktion ist? Wollen wir es mal nicht hoffen und darauf setzen, dass sich alle Beteiligten zusammen finden und die mögliche Kurzschluss-Reaktion noch einmal in aller Ruhe überdenken. In dem Fall des Eingeständnisses eines Fehlers kann ich nur darauf plädieren, auch mal die Fünfe grade sein zu lassen, wenn der „crtl-verlust“ wieder hergestellt wird.

Ehrgefühl, Nationalstolz, Patriotismus, Freude… mit solchen Worten umschreiben wir gern das Erlebnis der Fußball Weltmeisterschaft. In diesem Jahr blicken wir voller Hoffnung nach Südafrika, wo in wenigen Stunden auch unsere Deutsche Nationalelf antreten wird, um bei der FIFA Weltmeisterschaft 2010 mit um den Worldcup-Titel zu spielen. An der heimischen Werbefront überschlagen sich die Medien mit stündlich und minutiöser Berichterstattung rund um dieses globale Großereignis – wie man unschwer bei Google bei der Suche nach „Fußball WM“ in den Nachrichten erkennen kann.

Vom journalistischen Medienrummel abgesehen, entdecken insbesondere die werbetreibenden Unternehmen ihre sportliche Seite und spielen sich die schönsten Bälle gegenseitig zu. Zwar möchte der eine Sportartikelhersteller adidas gänzlich auf TV-Werbung zur WM 2010 verzichten, aber dieses Bekenntnis ist auch in der Omnipräsenz der Marke auf den Spielertrikots zurückzuführen. Andere Markenunternehmen hingegen können nicht genug davon bekommen, ihre werblichen Momentaufnahmen – und damit fast alles und jeden – mit einem Fußball auf der Standarte in den Orlog zu schicken.

Vor allem die Text-Perfektionisten geben sich eine geballte Schlacht der Wörter und versuchen, mit eingängigen Begriffen gleich noch ein wenig SEO über aktuelle Pressemeldungen zur WM 2010 zu erzeugen. Beispiele gefällig? Gerne, im Netz gibt es genügend Material. Darunter sind inhaltlich interessante Themen, aber auch so manche Pressetexte, die einem schon mehr als ein Stirnrunzeln oder Kopfschütteln abfordern. Es folgt die ultimative Top 10 Liste der besten, interessantesten, lustigsten und überflüssigsten Pressemeldungen zur Weltmeisterschaft 2010.

Die Top 10 der auffälligsten Pressemeldungen zur Fußball-WM 2010

  1. Jubeln bis zum letzten Spiel: Ein paar einfache Trinktipps bringen Sie fit und gesund durch die Fußball-WM: Es geht wirklich um Trinkwasser. Aber wenn über den Magen-Darmtrakt und das entsprechende Prinzip der Schweißbildung auf Expertenbasis referiert wird, schaltet sich der Geist durchaus ab.
  2. TV-Empfangswege im WM-Check: Wer jubelt zuerst über Tore?: Prädikat wertvoll, leicht schräges Medienthema und damit auffällig. Inhaltlich schlägt hier die Fachpresse allen anderen PR-Leuten einen Haken. Schließlich weiß jetzt jeder, dass sein digitaler Anschluss das Tor erst zu spät überträgt, während die Nachbarn mit analogem TV-Anschluss schon ein paar Sekunden früher jubeln dürfen. Das macht Freude!
  3. WM-Aktion bei Saturn: Jetzt beim Elektrofachmarkt 100 Euro Fanprämie sichern: In den Zeiten, wo der Geldbeutel kleiner wird und wir den Gürtel schon enger schnallen, suchen andere ihr Heil in dem Konsum. Emotionale Momente für Überzeugungstäter? Gewiefte TV-Zuschauer kennen dieses Späßchen bereits aus der Fernsehwerbung, aber welche Redaktion druckt eigentlich einen rein werblichen Inhalt ab?
  4. Das Erste: Erfolgreicher Auftakt der FIFA WM 2010 im Ersten: Wenn wir feiern, dann aber richtig. Schließlich geht es auch in Zeiten der GEZ-Reform immer um die Quote. Welchem Journalisten ist es dabei nicht schon im Vorfeld klar, dass dieser Freitag schlichtweg DER FUSSI-FREITAG war?
  5. Fußballfieber auf Balkonien: Fanartikel gut sichern: Wenn es mal wieder windig wird, müssen wir unsere Fanartikel am Gebäude gut sichern. Unsere Fahne hängt am Fenster gut eingeklemmt. Aber stürzt was herab, haften Fußballfans für Verletzungen und entstehende Schäden. Sind solche Meldungen bei der Fußball-WM nicht Spaßbremsen?
  6. ZERTIFIKATEWOCHE: Interview mit Bastian Schweinsteiger – Was Fußball und Investments als Disziplin gemein haben: Nur wenige Worte fassen diese Meldung gut zusammen: Wer hätte das gedacht?
  7. Viele Rote Karten für WM-Produkte: 11 Lebensmittel mit Fußball-Werbung im Ampel-Test: Würstchen in Ball-Form, Milchreis mit Deutschland-Flagge, Schokoriegel mit DFB-Prämien: Der Test macht hungrig, aber sättigt in keinem Fall. Bei so viel Kalorien in den ganzen Markenprodukten bleibt einem schon der Schokoriegel im Halse stecken. Der Appell an die Gesundheit. Dann doch lieber das Steak auf den Grill geschmissen.
  8. Bis zu 12,82 Millionen: Starke Quote bei erster RTL-WM-Übertragung: Einer geht noch, einer geht noch rein. Auf den obigen Erfolg der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt setzt der Privatsender natürlich noch einen drauf. Das Spiel von Uruguay gegen Frankreich war zwar alles andere als gut, zumindest kann man damit auch noch ein wenig Programmwerbung bei den WM-Talkern mit Herrn Jauch unterjubeln. Ach, der Jauch ist künftig auch bei der ARD zu sehen.
  9. Bonfire bringt Deutsche Nationalhymne erstmals in die Charts: Oben im Text stand noch etwas zu den Worten Ehrgefühl, Nationalstolz, Patriotismus, Freude – möchte man wirklich die Deutsche Nationalhymne als Rocksong mit mächtigen Gitarrensounds, fetten Bässen und einem vorwärtstreibenden Schlagzeug hören?
  10. Weltmeister Deutschland? Aber bitte doch! Wir brauchen den Titel – 54, 74, 90, 2010 – was will man mehr? Zumindest nicht die Hoffnung schüren, indem die Börsenentwicklung in wichtigen Teilnehmerländern der vergangenen Weltmeisterschaften analysiert wird, um Rückschlüsse auf den Ausgang der WM zu geben?

Mit einer solchen Liste bewegt man sich natürlich immer auf dem Glatteis, vor allem wenn man selbst kräftig in der PR selbst persönlich mitmischt. Man zeigt mit dem Finger auf andere und prangert sie damit indirekt an. Doch diese Top 10 der Pressemitteilungen zur Fußball WM 2010 soll kein öffentlicher Pranger sein, sondern ein nachdenkliches Beispiel. Schließlich verbreiten wir alle unsere Presseinformationen auch ins Social Web. Diese Situation lädt charmant zu einem Diskurs ein – als Dialog auf Augenhöhe für alle, die mitdiskutieren möchten und konstruktive Kritik üben wollen.

Diese Botschaft möchte ich auch mit diesem Text erreichen. Mir widerstrebt es zwar, mich so intensiv und ausgiebig das sportliche Großereignis der Fußball Weltmeisterschaft 2010 für die Profilierung des eigenen PR-Egos auszuschlachten. Denn wer sich nur einmal einen klaren Kopf in diesen heißen Tagen machen kann, kommt zu einer logischen Schlussfolgerung zwischen dem Wahnsinn der WM 2010 und dem Ansporn der Öffentlichkeitsarbeit. Auch Twitter muss manches Mal für die PR herhalten…

Ganz gleich welche noch so unglaubliche Pressemitteilung jemand in diesen Tagen verbreiten möchte – sie wird sang- und klanglos in der Reizüberflutung der Medienwelt untergehen. Ganz nebenbei werden zahlreiche Journalisten, und da muss ich auf meinen gesunden Menschenverstand vertrauen, so wenig wie möglich versuchen, die Werbebotschaften der WM-geilen Unternehmen aufzusaugen. Stattdessen bauen sich sogar einige Medienvertreter einen Filter, der schlichtweg alles, was auf „Fußball“ oder die Weltmeisterschaft nur hört, in die Ablage P und damit ins Nirvana schickt.

Liebe PR-Kollegen, bitte vertraut auf euch selbst und versucht nicht alles zu biegen oder zu brechen. Bekennt euch zu anderen Themen, nutzt die Chance für relevante Inhalte und platziert sie in den Medien. Und falls der Chef oder Kunde von dem „Nein“ zur WM überzeugt werden müssen, nutzt einfach euren gesunden Menschenverstand aus und besteht darauf, authentische und glaubwürdige PR zu machen. Zwar befreit diese nicht von der Pflicht einer Meldung, aber manche Dinge müssen einfach nicht sein. Schließlich sind wir die Experten, also vertraut bitte uns und unseren Erfahrungen und Beurteilungen.