Social Media ist in aller Munde, doch für viele Unternehmen sind Twitter, Facebook und Konsorten noch in weiter Ferne. Die Gründe dafür liegen meist im Trivialen, nämlich den Schutz des Unternehmens selbst. Was die Mitarbeiter aus PR oder Marketing so treiben, ist ja ganz schön und nett. Sobald aber Mitarbeiter ihre Arbeitszeit in den sozialen Netzwerken verbringen, verlieren wir doch Millionen! Beispiele gefällig?

So manche Unternehmer denken wirklich in den altbackenen Hierarchie-Ebenen und wollen aus ihnen nicht herauskommen. Da soll nur ein Mitarbeiter behaupten, er würde geschäftliche Kontakte bei Facebook pflegen, wenn er während der Arbeitszeit doch wirklich nur mit seinen Freunden herumchattet. Schließlich gibt es bei Facebook ja nur Freunde. Auch schön ist die Ausrede, man würde Twitter als Informationsmedium und nicht als Chat ansehen. Die Chatten doch alle! Ganz zu schweigen von denjenigen Typen, die wirklich daran glauben, sich selbst mit ihrer Online-Reputation und sogar ihren Arbeitgeber durch irgendwelche Blogeinträge und ähnliche Aktivitäten in Social Media zu fördern. Pustekuchen! Geheimnisse werden einfach ausgeplaudert!

Wenn schon Facebook, dann doch bitte mit dem Hinweis, dass diese Webadresse gesperrt ist. Das macht schon die hauseigene IT-Abteilung. Schließlich machen die das Internet. Twitter steht sowieso ganz schnell auf der Banliste, zur Abwechslung ist der eigene Account bei Twitter immerhin freigeschaltet. Die Oberfläche von Twitter kann damit zwar niemand bedienen, aber die unternehmerische Logik erfordert auch so manche drastische Maßnahmen. Und die anderen sozialen Netzwerke, Communities und Portale sind ebenso böse. Wer Social Media einfach dicht macht, hält aus der Firma den Ärger fern?

Zweifelsohne schotten sehr viele deutsche Unternehmen sich gerne von der Außenwelt ab und leben noch in der Steinzeit des digitalen Zeitalters. Eine eigene Webseite wird gepflegt, der Kundenkontakt per Mail wird nur mühsam aufrecht erhalten und Werbung wird immer noch ausschließlich in TV und Radio geschaltet. Internet? Das ist doch voll von Kriminellen, die der Musikindustrie schaden wollen, aber gleichzeitig unseren Star für Oslo ganz nach vorne in die Charts mit ihren bezahlten und legalen Downloads bringen. Die extreme Ahnungslosigkeit von vielen Unternehmen, die eben nicht mit ihren Mitarbeitern und auch den Geschäftsführern in den sozialen Netzwerken bestmöglich vertreten sind, muss mit der einen oder anderen Stellschraube optimiert werden.

Wie bewegen sich mein Unternehmen und meine Mitarbeiter geschäftlich korrekt in Social Media? Auch wenn Mitarbeiter verschiedene soziale Netzwerke nur in ihrer Freizeit nutzen, verschwimmen private und berufliche Inhalte immer mehr im Social Web. Durch das steigende Interesse an sozialen Netzwerken, Online-Communities, Kommunikations-Tools und Dienstleistern rund um Social Media sehen Unternehmen einen Handlungsbedarf, ihre Mitarbeiter aktiv zu lenken und gleichzeitig ihre Marken, Produkte und Dienstleistungen zu schützen.

Der Schutz für alle Beteiligten stellt demnach einen sehr wertvollen Bestandteil einer Unternehmensrichtlinie dar. Gleichzeitig ist aber auch die Förderung der Aktivität in Social Media ein relevanter Aspekt. Eine Abschottung oder Abkehr von den sozialen Netzwerken durch technische Barrieren oder juristische Schritte gegenüber den Mitarbeitern ist meiner Meinung nach ein gravierender Fehler.

Social Media Richtlinien sind ein angemessenes Mittel zur Bildung eines aktiven Bewusstseins für den richtigen Umgang mit den neuen Kommunikationsmechanismen im Internet. Die Fachgruppe Social Media im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. veröffentlicht heute einen neuen Leitfaden mit zehn Tipps für den geschäftlichen Umgang im Social Web. Insgesamt stellen wir sowohl Handlungsempfehlungen als auch eine Absicherung der Mitarbeiter und des Unternehmens vor potenziellen Risiken dar. Der Leitfaden zeigt somit die grundlegenden Inhalte zur Erstellung unternehmenseigener Social Media Richtlinien auf. Unternehmen sollten die für sie zutreffenden Inhalte des Leitfadens für ihre eigenen Social Media Richtlinien aufgreifen und ausführliche Informationen in Form von FAQ oder Tipps zu konkreten Anwendungsfällen mit Handlungsempfehlungen für Aktivitäten in Social Media bereitstellen.

Der Inhalt des BVDW Leitfadens „Social Media Richtlinien – 10 Tipps für Unternehmen und ihre Mitarbeiter“ behandelt die folgenden Punkte, die mir als einer der Autoren des Leitfadens sehr wichtig sind:

  • Definieren Sie Ziele
  • Geheimnisse sind geheim und Interna bleiben intern
  • Mitarbeiter müssen authentisch sein
  • Wer veröffentlicht, übernimmt Verantwortung
  • Interne Kritik ist erlaubt, bleibt aber intern
  • Gehen Sie mit Fehlern offen um
  • Schonen Sie Ihre Geschäftsbeziehungen
  • Beachten Sie das geltende Recht
  • Schränken Sie private Nutzung von Social Media während der Arbeitszeit ein
  • Social Media erfordert kontinuierliches Engagement

Die Handlungsempfehlungen der Fachgruppe Social Media im BVDW, die ich seit ihren Anfängen im Herbst 2008 auch persönlich als Unitleiter und Aktivist begleite, sprechen Unternehmen sowie beschäftigte Mitarbeiter an und dienen als Grundlage für individuelle Unternehmensrichtlinien. Es freut mich daher sehr, meinen Lesern hier im Blog auch den Lesebefehl zum PDF-Dokument zu geben. Einige Medien wie Meedia, t3n, IWB oder Golem haben bereits darüber berichtet.

Spannend sind jetzt die Meinungen der Leser – schließlich sind Social Media Richtlinien immer ein individuell zu bewältigendes Thema für jedes Unternehmen. Wir wollten erste Tipps geben und hoffen, dazu auch eine aktive Diskussion in der Community anzuregen. Schließlich entspricht Social Media in seinem Kern genau einer lebendigen Entwicklung. Wie sehen eure Erfahrungen mit Social Media Richtlinien aus? :)

Eingefleischte Blogger schätzen Rivva sehr. Der einst von Frank Westphal entwickelte Online-Service funktioniert bekanntermaßen nach dem Techmeme-Prinzip und zeigt die relevanten Diskussionsthemen der deutschsprachigen Blogosphäre auf. Die Topstories der webzwonulligen Nutzer kommen hier so richtig zur Geltung – Social Media at best. Meist liest man entweder etwas von Spiegel Online, der Faz oder von Heise im Nachrichtenfluss, doch auch so manche Blog-Perlen können sehr leicht nebst den üblichen Verdächtigen der Blogosphäre bei Rivva identifiziert werden.

Bisher war das bunte Treiben um Rivva für uns Nutzer vollkommen umsonst verfügbar. Einzig und allein die regelmäßigen Kosten für Frank als Betreiber waren uns allen im Hinterkopf bewusst. Dazu galt es Sponsoren zu finden, schließlich läuft Rivva frei von Werbung und generiert keine Einnahmen. Doch gerade als Frank für seinen kostenlosen Service die ersten Sponsoren finden konnte, deren ausgewählte Blogpostings eine entsprechend hochwertige Positionierung im Portal fanden, genau dann kam der Super-GAU und das Angebot von Rivva ging vorerst leider offline. Der Grund liegt im unmöglichen Zufall: Nachdem die Festplatten ihren Geist aufgaben, liefert der Server kaum brauchbare Signale mehr. Immerhin findet man das eine oder andere Mal bei Twitter einige Informationen wieder – doch das ist nur ein geringer Trost.

Sollte man Frank dabei als Privatperson unterstützen – also mehr als nur die Daumen zu drücken? Ich glaube ja. Zwar kann nicht jeder hohe Summen bereitstellen. Aber wir lieben Rivva. Auch wir – also die Presseleute im Social Web – brauchen solche Services und schätzen sie sehr, wenn durch das kostenfreie Angebot die letzten Jahre ein wenig versüßt wurden. Ich bin mir sehr sicher, dass diverse Einzelpersonen und/oder Unternehmen hinsichtlich ihres individuellen Webmonitoring auch einen kleinen Obolus in Form eines Jahresabonnements für Rivva zahlen würden. Dabei stelle ich mir keine exorbitanten Preise vor, sondern eine pauschale von 25 Euro im Jahr. Mit mehreren Mini-Abonnements sollte Rivva für die Rechenpower, Infrastruktur und auch die Backup-Systeme entsprechende Rücklagen bilden können. Ich hoffe zumindest, dass Frank dem „Cookie-Monster“ entkommen kann und demnächst wieder in voller Stärke mit Rivva die Blogosphäre unsicher machen wird. Ohne Rivva ist Social Media für deutsche Urgesteine doch nur die halbe Miete. :)

Das ist fett! So derbe! Richtig hart! Ich bin das erste Mal seit Jahren wieder davon überzeugt, dass Deutschland eine kleine Chance beim Eurovision Song Contest 2010 in Oslo hat. Keine gecasteten Kandidaten mit emotional beflügelten Hintergründen und träumerischen Superstar-Ambitionen. Keine endlos in den Medien durchproduzierten Alt-Stars, die auf ein letztes Flackern am Firmament hoffen. Keine Querelen mit Produzenten und ihren besiegelten Songs, die auch eigentlich niemand hören möchte. Es geht um keinen Grandprix de la Eurovision Chanson mehr, sondern um den Eurovision Song Contest. Deutschland findet sich endlich selbst wieder und bringt mit Lena Meyer-Landrut eine vollkommen unbekannte, aber außergewöhnliche Sängerin an den Start.

Lena ist anders, aber dennoch authentisch, wie man nur sein kann. Sie ist ganze 18 Jahre jung, das Singen liegt ihr im Blut und die Kritik der wechselnden Jury von „Unser Star für Oslo“ war nahezu immer positiv. In zeitnahen Online-Umfragen zum gestrigen Finale triumphierte sie gegen ihre letzte Kontrahentin. Selbst die Medien, die sonst immer sich die Mäuler über Show-Kandidaten zerreißen können, berichten über die herausragende Sängerin durchweg in guter Tonalität. Was will man mehr?

Lena zog souverän durch die ersten Runden und sang sich auf ihre eigene Art direkt ins Finale. Nach ihren bisherigen Auftritten in der Show beurteilt ist diese Sängerin auch ziemlich durchgedreht, was für sie sogar eine echte Chance auf dem internationalen Parkett bedeuten kann. Songs die keiner durch eine Massenabfertigung der Plattenindustrie kannte und eine individuelle Performance, mit der Lena zeigte, dass sie die gesungenen Texte auch ausleben kann – so wirbelte die junge Dame mit unglaublichem Erfolg durch die gemeinschaftlich von ProSieben und ARD/NDR ausgestrahlten Sendungen von „Unser Star für Oslo“.

Insgesamt hatten sich mehr als 4500 Menschen für das Casting beworben. Im Vergleich zu anderen Casting-Shows, bei denen die Kandidaten mit knallharten Verträgen an der kurzen Leine gehalten werden, mag dies recht wenig sein. Auch die Tatsache, dass nur 20 Kandidaten über sechs Wochen hinweg ihren Weg ins Finale bestreiten konnten, wirkt positiv, weil die Kandidaten als Sänger und nicht als Spiegel der Gesellschaft respektive der gewünschten Zuschauerschaft präsentiert wurden. Zwar gilt diese neue Show allgemein als eine Art Streichelzoo der Fernsehbranche, weil einfach keine negative und harte Kritik aus den Mündern der Jury zu hören war. Hier gab es kein „Erniedrigungs-TV“ im Löwenkäfig. Schließlich betonte der Jury-Präsident Stefan Raab in den ersten Shows immer wieder, dass dieses Konzept der Talentsuche sich um Musik und Talent, also die Qualität des deutschen Vertreters beim Eurovision Song Contest, drehen sollte. Doch braucht man das heutzutage noch wirklich betonen, seitdem andere Casting-Shows sich nur auf die emotional angeschlagenen Kandidaten und das daraus zu ziehende Schlammschlacht-Potential konzentrieren?

Als mündiger Zuschauer, der sich nicht wirklich auf Sendeformate interessiert, die nur der Quotenlüge zur Liebe erstellt sind, sehne ich mich nach Authentizität und Glaubwürdigkeit der Show und der Kandidaten. Wir sind in einer Zeit aufgewachsen, in denen solche Formate die Fernsehlandschaft noch prägten. Das Konzept von „Unser Star für Oslo“ vermittelt ein Gefühl von Sehnsucht, Heimat und Nähe auf musikalischer Ebene. Im Prinzip so ähnlich wie Social Media uns lehrt, dass wir als Nutzer und Kunden genau diesen Anspruch von Unternehmen und Medien erwarten, so begehren wir dieses Mindestmaß auch von Fernsehsendungen, die zu unserer Unterhaltung dienen. Lieber auf diese Art und Weise, als ein durch den Kakao gezogenes Format mit Comedy-Aspekten aus den letzten Jahren. Eurovision bedeutet internationalen Starruhm. Das wollen wir, das brauchen wir, der Eurovision Song Contest gehört ganz ur-basis-demokratisch dem Volk. Hoffentlich dürfen wir einen Erfolg in Oslo erleben.

Was mir persönlich sehr gefiel war die konsequente Miteinbeziehung von Social Media in der gesamten Zeit von „Unser Star für Oslo“. So twitterte die @tvtotal-Redaktion und tauschte sich mit den Fans während der Sendung aus, die Website zeigt alle Videos der Shows und die Fanbase von Lena Meyer-Landrut bei Facebook bricht heute wahrscheinlich die 20.000er Marke. Andere Showformate des deutschen Fernsehens schaffen und können es wohl nicht, ihre bisherigen Kommunikationswege in der Form aufzubrechen. Vielleicht nehmen sich andere Produzenten daran ein Beispiel, denn ohne zeitgemäßes Kudos an die Fans wird man auf Dauer nicht in den Medien auch nur eine Chance haben.

Die typischen Gesichter der Werbebranche sind bekannt. Eine Mutter im Kaufhaus empfiehlt Schokoriegel oder ein Waschpulver. Ältere Menschen schätzen das neueste Pharmaprodukt als Heilmittel. Und berufliche Erfolge werden anhand erfolgreicher Manager für die Rezipienten in Szene gesetzt. Durch das Testimonial in der Anzeige bekommt der Slogan zusätzliche Unterstützung. Eingefleischte Marketing-Experten schätzen es, mit echten Personen für ein Produkt oder eine Dienstleistung zu werben. Der personifizierte Erfolg jener Protagonisten wirkt als pure Empfehlung – und selten kommen platte Werbebotschaften an die Wirkung von Testimonials heran. Im Grunde genommen ist diese Form der Werbung weder neuartig noch innovativ. Man sollte sie einfach abhaken können.

Als Klaus Lage vor einigen Jahren mit dem Ohrwurm „1000 und eine Nacht“ seine musikalischen Erfolge feierte, hätte wohl niemand die prägnante Zeile des Songtextes zuerst mit erfolgreichen SEO-Beratern in Verbindung gebracht. Die Passage „…und es hat Zoom gemacht“ wurde bereits einige gefühlte huntert Mal in der Werbewirtschaft eingesetzt. Teilweise bis zum „geht nicht mehr“, doch etwas mehr darf es schon sein. Schließlich tritt jetzt ein gewisser SEO-Berater „Florian S.“ als neues Testimonial in der aktuellen Display-Werbekampagne von XING zum Slogan „und es hat XING gemacht!“ auf. Die Lyrik des Songs ist für den Slogan leicht abgewandelt, und mit dem Markennamen in Kombination wirken diese Worte einem Großteil der Bevölkerung sehr vertraut und bekannt.

Nur leider findet man keinen SEO-Berater über die Suche von XING, der auf den Namen „Florian S.“ hört. Mich machte es schon stutzig, dass wirklich kein direkter Treffer bei XING auf dieses Testimonial zustande kam. Doch mit ein wenig Geschick erfährt man von einem SEO-Manager, zu dem dieser gängigen Vornamen und der abgekürzte Nachname passt. Dieser gute Mann arbeitet laut seinem Profil seit etwas mehr als einem Jahr bei XING und wirbt anscheinend jetzt für das Unternehmen. Das Profilbild zeigt auch auf den ersten Anschein sehr viel Ähnlichkeit mit dem Testimonial. Das Business Netzwerk XING scheint den richtigen Weg gewählt zu haben, seine eigenen Mitarbeiter in ihrer Werbekampagne als Testimonial einzusetzen.

Natürlich ist an diesem Vorgehen nichts Verwerfliches. Verständlicherweise ist dies von allen Beteiligten gern gesehen. Daher eignet sich auch eine Werbekampagne mit den eigenen Mitarbeitern hervorragend zur Imagepflege. Doch warum findet sich gerade hier kein echtes nutzergeneriertes Testimonial aus den Reihen der Mitglieder?

Wer Social Media als Plattformbetreiber für sein Geschäftsmodell zentral nutzt und aktiv in der Kommunikation auslebt, der sollte doch gerade dann in der Lage sein, sein Testimonial noch authentischer zu positionieren. Letztendlich bietet die richtige Wahl eines authentischen Testimonials einen höheren Nutzwert und mehr Authentizität als ein eigener anonymisierter Mitarbeiter. XING betreibt eine herausragende Community mit unzähligen Mitgliedern. Eigentlich sollte es dadurch eine Leichtigkeit sein, ein erfolgreiches Beispiel für den persönlichen Networking-Erfolg über das Business Netzwerk direkt zu identifizieren und bei Bedarf für die Werbekampagne einzuspannen. Diese Form von authentischen Testimonials würde mich persönlich noch stärker von den beworbenen Produkten und Dienstleistungen überzeugen. Vielleicht zeigt sich demnächst eine Trendwende in der Werbung, wenn Social Media noch stärker zur Markenkommunikation eingesetzt wird.

Nachtrag vom 24.02.2010:
Die ersten Fachmedien wie die Horizont sprechen von einer peinlichen Panne und bloggen über das Testimonial-Thema. Auch XING sah sich neben dem Blog-Kommentar dazu verleitet, eine offizielle Stellungnahme im Blog zu verbreiten. Andere Blogs springen natürlich drauf auf, wie auch Basicthinking, Gefahrgut, Rene Fischer und Gründerszene steigen mit ein.

Doch bleiben wir mal klar bei der Sache: Wer hat’s zuerst gefunden? Natürlich nicht die Schweizer, sondern der Sichelputzer war’s schon ein paar Tage zuvor. :)

„Bist Du schon eingecheckt?“, fragte ich dieses Wochenende ein paar Bekannte bei einem etwas längeren Aufenthalt im Bastians (Qype/4sq) mitten in der Kölner Innenstadt. „Nein, da sagst Du was!“ war daraufhin als direkte Antwort zu hören. Die Frage traf den Nerv unserer kleinen webaffinen Gemeinschaft, so dass mein kleiner „friendly reminder“ gleich zu vier zusätzlichen Checkins im Bastians verhalf. Mittlerweile twittert die Netzgemeinde nicht nur, sondern sie springt zur Vier im Quadrat – und wie man an mir sieht, geschieht alles voller Freude.

Seit fast zwei Monaten bin ich mit der Vier im Quadrat herumgesprungen. Viel davon war Selbstfindung. Aber weil ich ein begeisterter User bin, möchte ich einige Gedanken und Tipps zu Foursquare hier im Blog festhalten – also bitte zurücklehnen und entspannen. Natürlich gibt es schon diverse Anleitungen, Tipps und Tricks für Foursquare, aber dort versucht man meistens zu regeln, wie und was Nutzer bei Foursquare alles machen sollen oder dürfen. Bleiben wir auf dem Boden der Tatsachen und versuchen lieber zu verstehen, dass Foursquare zu aller erst ein Location Based Service und gleichzeitig ein einfaches mobiles Spiel war. Die Regeln stellt dafür wenn überhaupt nur der Betreiber selbst auf. Doch mit der Zeit prägen die Nutzer den Dienst durch ihr eigenes Verhalten. Daher geht es hier um rein logische Dinge, die man zum schnelleren und besseren Foursquaren verinnerlichen darf – aber nicht um irgendwelche goldenen Regeln, die mit Strafen sanktioniert werden!

Meine persönlichen Einsteiger-Tipps für Foursquare

  1. Bei Foursquare darf jeder wie und was er möchte. Apropos „Goldene Regel“: Ihr könnt euch in Bars oder Kneipen einchecken, bei euch zu Hause (sofern ihr das möchtet), auf der Arbeit, bei Kunden, bei Freunden, in Geschäften, in Hotels, am Flughafen oder Bahnhof oder sogar auf der Zugspitze. Schließlich gestalten die Nutzer die Informationen, die bei Foursquare hinterlegt sind – und nicht irgendwelche Wichtigtuer am Markt, die meinen alles besser wissen zu müssen.
  2. Aber bitte suche erst nach bestehenden Locations und lege nicht sofort alles neu an. Zum Auftakt gleich eine Euphorie-Bremse? Ja, denn manchmal gibt es die Location schon bei Foursquare. Sie ist nur unter einem anderen Namen angelegt. Das beste Beispiel hierfür ist der Flughafen Köln/Bonn. Man findet so über den Daumen gut fünf weitere Plätze, die ähnliche Namen mit „Airport CGN“, „Flughafen Köln“ oder auch „Airport Köln“ haben, teilweise jedoch von irgendwo her über die Geokoordinaten angelegt wurden. Das hilft niemandem weiter, der Foursquare wirklich nutzen möchte. Auch das Bastians gibt es schon zwei Mal in Foursquare. Da hilft nur, über das Feedback-Formular bei getsatisfaction einen „Merger 4 venues“ anzufordern, so dass niemand seine Checkins verliert, aber neue User zielgerichtet auf Kurs mit ihren Checkins bleiben.
  3. Limitiere die Checkins für Twitter und Facebook. Foursquare bietet die Verteilung der Checkins auch zu Twitter und Facebook an. Was manche User jedoch vergessen: Nichts ist manchmal nerviger, dass alle Informationen in jedes Netzwerk gleichzeitig gesteckt werden. Desöfteren gibt es bereits eine Synchonisation von Twitter und Facebook, so auch wie bei mir selbst. Würde ich nun alle Checkins zu Twitter jagen, weiß gleich mein Facebook-Profil bescheid. Hätte ich dann noch eine zusätzliche Schnittstelle von Foursquare zu Facebook geschaffen, würden die Informationen redundanterweise doppelt und dreifach meinen Followern und Kontakten präsentiert. Anders herum geht es ähnlich. Hier hilft es einfach, diese Schnittstellen bei Foursquare in den Einstellungen zu deaktivieren. Nett sind die Notifications für Badges und den Status als Mayor – alles andere darf ruhig ausgeschaltet bleiben.
  4. Viele Locations sind gut, aber nicht jeder Checkin ist sinnvoll. Grundsätzlich gilt ja, man soll sich bei Foursquare überall mitteilen. Aber wer krank geschrieben zu Hause verweilt, der sollte sich nicht unbedingt wenig später in Bars herumtreiben. Legitim sind natürlich gut platzierte Checkins beim Arzt oder bei einer Apotheke, doch ob jeder der Kontakte dieser Information wissen muss, bleibt gewiss fraglich. Dafür gibt es schließlich die Option, seinen Checkin zu verschleiern und „off the grid“ als Status bekannt zu geben. Auch spricht es nicht für sich, ein strategisches oder unter einem NDA laufendes Meeting mit Geschäftspartnern oder einen Pitch bei Foursquare zu verbreiten. Das könnte der Arbeitgeber mitbekommen und natürlich auch potentielle Konkurrenten. Der berühmte „Trau dich doch“-Checkin im Pascha sollte vielleicht auch nicht die Ehefrau mitbekommen – aber wer den Kick halt braucht…
  5. Mache einen Shoutout zu neuen Locations! Zwar praktiziere ich es nicht so intensiv, jede neue Location mit einer netzwerkweiten Statusmeldung zu verbinden, doch manchmal hilft es zu verstehen, warum jemand grade dort eincheckt. Es bleibt ein rein informativer Nutzwert, über den ich mich zumindest freuen kann.
  6. Nutze Tipps sinnvoll für Dich und andere Nutzer. Die Dir wichtigen Locations wie dein Lieblings-Café sollten wenn möglich mit Tipps ergänzt werden. Vielleicht gibt es auf der Speisekarte eine kleine Besonderheit, die andere Nutzer auch kosten wollen. Oder Du erstellst einen Tipp, wie man am schnellsten vom Flughafen in die Innenstadt kommt – dazu im Text später mehr am Beispiel vom Flughafen Berlin Tegel.

Die obige Liste beinhaltet also keine Verpflichtungen, sondern stellt vielmehr eine erste Hilfestellung dar, denn schließlich ist Foursquare das angesagte Trendthema für mobile Fetischisten. Man zeigt sich öffentlich und freimütig an den jeweiligen Plätzen, die man für wichtig erachtet und seinem Kontaktkreis mitteilen möchte. Direkt über die eingebauten GPS-Empfänger im mobilen Endgerät ermittelt man dazu auf die Schnelle seinen Standort, sucht nahegelegene Locations wie Bars, Cafés, Kneipen, Lokale, Restaurants, Geschäfte, Büros, Events oder Konferenzen und „checkt ein“. Wer seinen Platz nicht gefunden hat, erstellt spontan die Location für sich selbst und andere Nutzer anhand seiner GPS-Daten und bei Bedarf mit echten Adressdaten wie Straßennamen, Hausnummern und Postleitzahlen. Wer dann nicht eingecheckt ist, fühlt sich ein wenig „out of the scope“ und kann gleich „off the grid“ bleiben. Foursquare ist modern, zeitgemäß und alles andere als schwer zu verstehen.

Vorzugsweise wird der Dienst über mobile Applikationen bedient. Eine entsprechende Software findet sich direkt auf dem Portal für iPhone, Blackberry, Android und webOS. Das ältere Symbian bleibt dabei noch auf der Strecke, aber wer möchte, kann natürlich auch auf die leicht umständliche mobile Version zugreifen. Die ist leider alles andere als komfortabel aufgebaut, erfüllt jedoch seinen Zweck für Menschen wie mich. Schließlich besitze ich nur ein extrem gehypetes und gepushtes Nokia N97 – und für die Nokia Handys gibt es eine ziemlich schlechte Auswahl an Apps und nützlichen Programmen, die einem das Leben erleichtern können.

Foursquare besitzt trotz der ganzen Spielerei eine hohe Relevanz. Zwar vernichtet der Dienst eigentlich die Zeit der Nutzer durch den gesamten Prozess rund um das „Einchecken“. Doch für andere Nutzer von Foursquare sind diese kollektiven Informationen umso wertvoller, je mehr Informationen zu einer Location zu finden sind. Mittels Tags können zusätzliche Informationen zu obskuren Namensgebungen verknüpft werden. Ein neuer „Tipp“ oder „Todo“ würzte die Location mit Insiderwissen. Am Berliner Flughafen Tegel informiert beispielsweise @kosmar nebst anderen Besuchern darüber, dass man nur mit einem Taxi oder mit dem Bus weiterfahren kann, da keine Haltestelle für U-Bahn bzw. S-Bahn angegliedert ist. Diese Informationen machen Foursquare zu einem wesentlichen Bestandteil der reisefreudigen Gesellschaft. Ein richtig guter Tipp zu einer Location ist meiner Meinung nach Gold wert. Der eigentliche „Checkin“ vor Ort ist sogesehen nur noch obligatorischer Spieltrieb.

Insgesamt muss Foursquare also Spaß machen. Denn ansonsten bringt dieser Location Based Service (LBS) auch nicht viel – zumindest noch nicht in Deutschland. Dazu aber später einmal mehr. Jetzt ist Foursquare wie ein neuartiges Spiel, das ein gewisses Suchtpotential verbreitet, aber ohne drückende Tendenzen zur Isolierung der Individuen seine Sucht ausspielt. Schließlich kommt man ja unter Leute und vernetzt sich – bei World of Warcraft kommt dieser echte Lebensanreiz ja viel zu kurz. Ich nutze Foursquare mittlerweile mit Leidenschaft! Seid Ihr auch schon von der „Vier im Quadrat“ begeistern? :)

Sobald ich mich mit Menschen unterhalte, die eher wenig mit Social Media zu tun haben, vielleicht noch ihr XING oder Facebook-Profil pflegen, kommt immer mal ein Batzen an Fragen auf: Warum bloggst Du? Warum nutzt Du Twitter? Was soll jetzt Foursquare? Reicht es nicht langsam? Meine Antwort ist dazu ziemlich einfach: Ich nutze Social Media und mache das alles, weil es mir Spaß macht. Und wenn es mir keinen Spaß macht, nutze ich diese Tools aus der kunterbunten Welt von Social Media einfach nicht. Da kann auch mal gut ein wenig Zeit ins Land ziehen, wie auch hier beim Blog. Ganze zwei Monate sogar. Doch dann packt einen die Lust und man legt los.

Doch Manche Menschen machen sich jedoch ernsthafte Gedanken, wie man zum Beispiel Foursquare besser für seine Freunde machen sollte. Die liebe PR-Kollegin Sabrina theoretisiert in ihrem aktuellen Blogeintrag, dass man durch ein paar Guidelines die Nutzung von Foursquare wesentlich besser für seine Freunde in den Griff bekommen kann. Man braucht sie nicht in die Flucht zu schlagen und würde so einen höheren Unterhaltungswert für andere bieten. Gut, jedem das seine, doch manches Mal frage ich mich, wozu man sich damit beschäftigen muss, Regeln für andere zu erstellen, wenn man einfach jemandem per „unfollow“ oder „cancel friendship“ zeigen kann, dass man keinen Bock mehr auf das Gesülze hat. In den Kommentaren habe ich mich schon geäußert: Ich sehe das Treiben bei Foursquare nicht so kritisch, wundere mich zwar manchmal über nächtliche Location-Parties, aber schließlich dienen die ganzen Social Media Tools und Apps für mobile Endgeräte auch meist nur zu einem Zweck: Man stellt sich selbst öffentlich dar – so wie man möchte und nicht anders.

Wer also sehen möchte, wo man sich herumtreibt und was man für Informationen verbreitet, der macht das zum Selbstzweck. Wer vor allem meine oder die Updates von anderen Leuten betrachten will, der entscheidet sich aktiv dafür und möchte explizit diese Infos beziehen. Von echter Freundschaft bekundet ein „Friend-Request“ und der dazugehörige „Approval“ eigentlich nicht. Es ist vielmehr unsere Informationsgier, die Geilheit der Besserwisser, um die es sich dreht. Vielleicht möchte man informativ befriedigt werden. Wir sind selbst so scharf drauf, unsere digitalen Abbilder mit persönlichen Randnotizen bei Twitter und sogar mit „geolocationbased“ Spuren im Netz zu verbreiten, dann sei es uns gestattet, dies auch so zu tun, wie wir es wollen. Keine Regeln! Wer partizipieren möchte, darf das gerne freiwillig tun. Niemand wird gezwungen, aber man braucht auch niemanden in Schranken weisen. Das versucht schließlich der Staat durch genügend Regulierungsbestrebungen zu Genüge. Wir machen, was wir wollen – und ja, brav wie wir sind, so halten wir uns an bestehende Gesetze.

So kommen mir Nico Lumma’s süffisant geschriebene 10 Goldene Regeln für Twitter ganz recht. Ich würde mich nicht wundern, wenn wirklich irgend ein windiger Marketingfuzzi oder PRler sich daran versucht, für Dienste, die er/sie nicht versteht, auch schöne Regeln aufzusetzen – nur um dann in irgendeiner Fachpublikation mit Bildchen abgelichtet zu werden. Auch das kann eine Form des puren Egos sein. Kurzum, ich sehe es ähnlich, vielleicht auch genauso wie Sebastian Keil, der ein wunderbares Video zu den „Benimmdich“-Thesen gedreht hat, mit dem ich diesen Blogeintrag auch abschließe.

Die von vielen deutschen Bürgern geschätzte Gebühreneinzugszentrale (GEZ) möchte sich ihren Bürgern öffnen. Im Jahre 2010 nimmt das Ganze endlich Formen an. Die GEZ präsentiert sich bürgernah mit einem eigenen Online-Portal, dass sogar eine eigene Community mit Forum beinhaltet. Der geneigte Gebührenzahler möchte sich gewiss selbst mit eigenen Augen ein Bild davon machen – unter www.gez-meine-meinung.de darf man jetzt seine Meinung äußern.

Mit neuem Logo ein neuer Markenauftritt, der sich schon fast an Social Media annähert – zumindest durch die Kommentare eines Forums und die hauseigenen Blogs ohne direkt ersichtliche Kommentarfunktion von Anja.M, Daniela.K, Conny.A, Sylvia.S und Vera.Z. Wie authentisch und transparent sich die GEZ präsentieren möchte. Keine dieser Personen, ob sie real sind oder doch nur fiktiv, finden sich bei der Suche nach „Gebühreneinzugszentrale“ bei XING. Ich tippe auf Ghostwriter. Insgesamt sind auch sehr wenige Personen aktiv bei XING unter dem Firmennamen angemeldet. Vielleicht auch nur zum Selbstschutz vor dem klassischen Mob der Bevölkerung?

Social Media bedeutet Interaktion, Kollaboration, Kommunikation und alles mögliche, was der Nutzer hoheitlich anstellen kann, um im schlimmsten Fall ein Unternehmen zu kolportieren. Wie würde es also bei der GEZ aussehen, wenn man sich den Nutzern öffnet? Doch halt, nicht alles ist im Sinne des Erfinders, wenn man mit der üblichen Trotzhaltung der Nutzer und mit Forenhaftung konfrontiert wird. Das GEZ-Forum hat Regeln und klare Grenzen, denn:

„Unser Forum wird moderiert und hat „Öffnungszeiten“. Von Montag bis Freitag, zwischen 8 und 22 Uhr, können Sie mit Ihrer Meinung zur Diskussion beitragen und Ihre Einträge online stellen. Am Wochenende, an Feiertagen sowie außerhalb des angegebenen Zeitrahmens ist der Zugriff auf das Forum beschränkt: In diesem Zeitraum können Sie die Forums-Diskussion nachlesen, jedoch keine Beiträge hinzufügen.“

Ja, so eine Einladung wirkt auf die Nutzer wie eine offene Tür, die es einzurennen gilt. Erste Beiträge zur GEZ, die doch etwas übertrieben positiv wirkten, wurden schnell von negativen Beiträgen aus dem Rennen geworfen. Innerhalb weniger Stunden explodierte das Forum förmlich. Viele Nutzer, ob Gebührenzahler hin oder her, hinterließen im Forum ihren Frust. Und scheinbar niemand aus der offiziellen Liga versucht zu antworten oder sich der Kritik offen zu stellen. Zumindest konnte ich keinen Beitrag erkennen, der offen und ehrlich die Kritikfähigkeit der GEZ beweist. Einige Beiträge, die gewisse Regeln der Kommunikation mit Äußerungen unterhalb der Gürtellinie torpedierten, wurden wahrscheinlich entfernt.

Im Licht der PR ist dies ein wundervolles Beispiel des Muskelzuckens. Das rüde Image, was der GEZ von der Bevölkerung zugeschrieben wird, soll wohl mit dem neuen, offenen Community-Gedanken abgeschrieben werden. Doch egal was man macht, egal welche PR-Agentur sich dort die Mühe gibt – wer nicht die Sprache und Denke der Bürger spricht, der wird einfach mit jedem noch so guten Versuch auf Dauer scheitern. Es wird also weiter gehen, denn sie wollten es so: Wer Wind sät, wird Sturm ernten. Ob es was für die Bürger bringt, ihre Meinung der GEZ mitzuteilen, bleibt wirklich eine offene Frage, die man wohl niemals beantworten kann. Wie titelt Meedia so schön? „Das gebührenfinanzierte PR-Fiasko der GEZ“ spricht schon als Aussage für sich. Die W&V nennt es mutig, aber konsequent, Daniel Grosse empfiehlt das Abschalten des Forums.

Viel zu oft versucht man die Zukunft vorherzusagen. Auch ich habe mir einige Gedanken dazu gemacht, was in den nächsten Monaten des kommenden Jahres passieren wird. Hierzu möchte ich in meinem Blog der Leserschaft die folgenden 10 Grundgedanken vermitteln und freue mich selbstverständlich auf eine rege Diskussion. Also, was glaubt ihr, wird in 2010 im Bereich Social Media passieren?

1. Arbeitsalltag
Social Media integriert sich ab 2010 vollständig als spezielle Teil-Disziplin von Public Relations, Marketing, Sales und Human Ressources in den Arbeitsalltag. Mitarbeiter anderer Unternehmensbereiche, vornehmlich außerhalb von Kommunikation, Werbung und Vertrieb, werden mit weiteren Einschränkungen in ihrem Online-Nutzungsverhalten durch tiefgreifende Social-Media-Richtlinien rechnen müssen. Die typischen Rauchpausen könnten sich für Arbeitnehmer immer stärker zum Konsum von Social Media über mobile Endgeräte eignen, zudem das private Telefon in Pausen bisher außerhalb des direkten Einflusses von Arbeitgebern liegt.

2. Digital Relations
Trotz starker Restriktionen werden einige Unternehmen ihren Mitarbeitern neue Freiheiten und Spielräume ermöglichen, weil sie über ihre privaten Profile als offizielle Kommunikatoren und potenzielle Experten des Unternehmens in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Letztendlich entscheidet ein Kunde höchst individuell, welche Wirkung die gesamte Außendarstellung eines Unternehmens auch durch die eigenen Mitarbeiter auf die zukünftigen Beziehungen haben wird. Neben einer reinen Werbeplattform wird Social Media zur Kommunikation auf allen Ebenen genutzt und ganzheitlich von Unternehmen gelebt werden.

3. Messbarkeit
Jede Bemühung von Unternehmen, sich im Umfeld von Social Media zu positionieren, wird im Jahr 2010 wesentlich durch klassische betriebswirtschaftliche Faktoren bestimmt. Unzählige individuelle Kriterien für den Einsatz von Social Media in werblicher und kommunikativer Hinsicht gilt es zur Erfolgsmessung zu berücksichtigen. Entsprechende Ansätze zur Abbildung der Kriterien, z.B. über Metriken oder durch die Bildung eines zentralen Index, sind bisher nicht einheitlich anwendbar, während ältere Messmethoden über PageImpressions, Visits oder Unique User in Analyse und Forschung zur Werbewirksamkeit immer stärker in den Hintergrund rücken. Die entsprechende Notwendigkeit einer Einigung und die schnelle Markteinführung von einheitlichen Messmethoden und Kennzahlen hängen dabei im Wesentlichen von der Agilität der anerkannten Gremien und Institutionen ab.

4. Community
Social Media wird im kommenden Jahr für den einzelnen Nutzer etwas weniger „sozial“ wirken. Anstatt vollkommen auf Kollaboration und Interaktion in der Masse zu setzen, werden Nutzer immer stärkere Grenzen zwischen ihren persönlichen Interessensgebieten und Aktivitäten im Internet ziehen. Daraus lässt sich klar erkennen, wie sie ihre präferierten Themen und Kontakte je nach Anwendung oder Social Community einteilen und gruppieren. Die Kommunikation in diesen Gruppen konzentriert sich dabei vermehrt auf einen selektierten Kontaktkreis, der oftmals bestimmten Zielen zugeordnet ist. Eine weiterführende Unterteilung von privaten und beruflichen Kontakten in den einzelnen Netzwerken nimmt ebenfalls Einfluss auf das Kommunikationsverhalten des Individuums, so dass bestimmte Inhalte nicht mehr für jeden Kontakt zugänglich sein werden. Auch werden Empfehlungen immer wichtiger. Das hohe Maß an „sozialem“ Austausch, wodurch sich Social Networks einst auszeichneten, verliert sich in den steigenden Anforderungen der Nutzer an ihren persönlichen Informationsfluss und ihr eigenes Mitteilungsbedürfnis.

5. News
Ab 2010 entscheidet die Masse der Nutzer immer eigenständiger über die aktuellen Themen des Tages. Entgegen des tagesaktuellen Redaktionsplans bestimmt die Community den Nachrichtenwert durch Retweets, Shares und Empfehlungen. Dieser Trend des digitalen Informationskonsums spiegelt sich in der sozialen Gewichtung von Nachrichten wider. Auch Redaktionen werden verstärkt auf das daraus ableitbare öffentliche Interesse eingehen und ihr redaktionelles Angebot daraufhin anpassen.

6. Blogs
Alle Jahre wieder tönen zum Jahresende zahlreiche Unkenrufe vom Sterben der Blogs. Insbesondere in Nischen und als fachlich spezialisierte Blogs werden sie ein wichtiger Teil unserer Informations- und Wissensgesellschaft bleiben. Auch neue Märkte öffnen sich für spezialisierte Blogger. So wie Verlage weiterhin auf Zentralisierung von Redaktionen oder das Auflösen von einzelnen Lokalredaktionen setzen, wird der Leser als mündiger Nutzer in Social Media fündig werden. Für einzelne Städte, Gemeinden oder Stadtteile entwickeln sich hier Lokalblogs, die ihren Schwerpunkt auf Grundlage der einstigen Kernkompetenz mancher gedruckter Lokalausgaben ausbauen werden. Gleichzeitig übernehmen einzelne kritische Stimmen verstärkt die Meinungsbildung in der Öffentlichkeit bei überregionalen Themen und selbstverständlich in der Aufdeckung von Fehlern und Versagen von Unternehmen, Organisationen und Institutionen jeglicher Art als Teil der modernen Medienkritik.

7. Content
Social Media wird als neuer Vertriebskanal von Unternehmen jeglicher Art erkannt. Verlage müssen in 2010 die Relevanz des Mediums als Teil der Wertschöpfungskette erkennen und dürfen sich der ganzheitlichen Integration in ihre bestehenden Geschäftsmodelle nicht verschließen. Gleichzeitig werden Radiosender ihre Hörerschaft intensiv über das Internet an sich binden und hier Mehrwerte zum linearen Programm anbieten. Auch TV-Sender werden verstärkt den Weg ins Internet gehen und plattformübergreifend ihre Programminhalte auch außerhalb von sendereigenen Portalen verbreiten. Filmproduzenten und Musikmajors werden dabei vornehmlich ihre Inhalte eigenständig weiterverwerten und eine ähnliche Distributionsstrategie fahren.

8. Monetarisierung
Die einzelnen Geschäftsmodelle zur Monetarisierung von aufwendig redaktionell produzierten Inhalten reichen dabei von Paid-Content-Modellen über Beteiligungsmodelle an den Werbeerlösen bis zu kostenfreien Angeboten zur Promotion einzelner Highlights. Insgesamt wandelt sich damit das klassische Lizenzierungsgeschäft durch die verschiedenen Abhängigkeiten und Konstellationen zwischen Content-Anbietern, Plattformbetreibern und Werbetreibenden in partizipative Geschäftsmodelle, aus denen auch der Nutzer entscheidende Vorteile durch Exklusivität, kostenfreies Zusatzmaterial oder weitere noch zu definierende Mehrwerte ziehen kann.

9. Microblogging
Wer Wind säht, wird Sturm ernten. Was einst als kleines Experiment ab Frühjahr 2007 die Early Adopter und die für Social Media affinen Internetnutzer erreichte, beflügelt mittlerweile unzählige Menschen in ihrem Alltag. In der Bahn, beim Mittagessen, nach dem Sport oder vor dem Schlafengehen preisen sich viele Leute in der Öffentlichkeit und zwitschern wild drauf los. Twitter entwickelte sich bereits in 2009 zu einem Massenphänomen, dem sich im nächsten Jahr keiner mehr entziehen kann. Über mobile Endgeräte wird Twitter in jeder Situation greifbar werden, durch entsprechende Mobile-Flatrates kommen immer mehr Menschen in den Genuss dieses alltäglichen Wahnsinns. Follow me!

10. Social Media Experten
Bleiben wir doch alle einmal ehrlich. Jeder hat etwas zu melden, aber deswegen ist noch nicht jeder ein Experte. Zwar sind wir schon längst Papst, aber es gibt gewaltige Unterschiede zwischen professionellen Ansätzen und laienhaftem Dilletantismus, den manche Social Media Experten von sich geben. Zu Anfang werden sie wie die Pilze aus dem Boden schießen und sich gegenseitig das Wasser abgraben, aber zum Ende des Jahres wird sich die Spreu vom Weizen trennen. Zurückbleiben werden absolute Profis aus Kommunikation, Marketing und Vertrieb, um die sich die Unternehmen reißen werden.

Fazit
Social Media ist und bleibt spannend – und das in scheinbar jeder Lebenslage. Egal ob Unternehmen, Organisationen oder Einzelpersonen sich in Social Media tummeln, fest steht eines: Wer sich mit Social Media dauerhaft über die letzten Jahre hinaus beschäftigte, wird auf Dauer einen langfristigen Erfolg feiern. Social Media ist keine kurzlebige Sache, sondern wird immer stärker wohl durchdacht und geplant. Für jeden Neueinsteiger empfiehlt es sich, den BVDW-Leitfaden Sicherer Einstieg in soziale Netzwerke zu lesen, an dem auch ich persönlich mitschreiben durfte.

Nachtrag: Ich möchte kurz darauf hinweisen, dass Thorsten Zoerner in seinem Blog eine thematisch passende Aktion über die Veränderungen des Jahres 2010 mit dem BlogAdventskalender fährt.

Man nehme eine zündende Idee, hole sich den einen oder anderen kreativen Kopf und fähigen Entwickler, stecke dann für einige Tage die Köpfe zusammen und heraus kommt „Tagesthema.de“. Ibrahim Evsan, Gründer von sevenload, gab heute in Twitter bekannt, dass er mit einem sehr kleinen Team und überaus wenig Aufwand den neuen Nachrichten-Aggregator für deutsche Medien erstellt hat.

Die Umsetzung von Tagesthema.de zeichnete Ibo zusammen mit Andreas Cappel, Sebastian Herp und Andreas Weiß verantwortlich. In seinem aktuellen Bericht „3 Days to Market“ erläutert er im Detail, dass wir Deutsche vor allem Innovationsmanagement betreiben müssen. Und nicht zuletzt sollen damit Ideen in einer sehr kurzen Zeitspanne zur ersten Marktreife gebracht werden. Durch den Start von „Tagesthema.de“ konnte Ibo seine Theorie kurzerhand direkt unter Beweis stellen – warum auch nicht?

Doch dieser spontane, schnelle Weg zur Realisierung eines Projektes ist durchaus für Unternehmen eine Chance, um sich am Markt zu behaupten und schnell zu reagieren. Natürlich nur, sofern das Unternehmen auch in seine Mitarbeiter, die eigentlichen kreativen Köpfe, ein hohes Maß an Vertrauen schenkt. Von der Idee in drei Tagen zum Ziel – persönlich fand ich dieses Thema äußerst spannend, insbesondere weil Twitter sehr stark in diesen Social News Aggregator integriert ist, so dass ich Ibo direkt zu einem spontanen Interview bewegen konnte.

Als Gründer und Unternehmer von sevenload hast Du Dir in Deutschland und Europa einen Namen gemacht. Der Markt erwartet bereits Dein neues Social Gaming Startup. Heute überraschst Du mit Tagesthema.de – was erwartet die Nutzer?

Ibrahim Evsan: Tagesthema ist ein individueller Nachrichten-Aggregator, bei dem sich die Informationen nahezu in Echtzeit aktualisieren. Die ursprüngliche Idee für Tagesthema war eigentlich, dass ich direkt meinen Blogeintrag „3 Days to Market“ beweisen wollte. Dafür brauchte ich ein aktuelles Projekt, das sich in einem so kurzen Zeitraum zur Veröffentlichung realisieren lässt. Mehr ist es eigentlich nicht. Nun wird Andreas Cappell das Projekt als Nachrichten-Aggregationsplattform technisch und konzeptionell weiterführen.

In deinem Blog erläuterst Du die Hintergründe der schnellen Entwicklung innerhalb von nur drei Tagen von Tagesthema.de. Was war die größte Herausforderung?

Ibrahim Evsan: Keine. Das Tolle daran war: Wir haben einfach gemacht und schau her. Ready to go unter dem Motto ‚keep it simple, keep it short‘. Wir wollten mit Tagesthema beweisen, dass wir in weniger als einer Woche ein neues Projekt auf die Beine stellen können, das natürlich am Markt angenommen wird und auch künftig den Nutzern einen Mehrwert bieten kann. Diese Entwicklung und die Idee – als Projekt ist dies auch eine Form von Innovationsmanagement.

Wie definierst Du den eigentlichen USP des Portals?

Ibrahim Evsan: Wir kombinieren Twitter-Feeds mit RSS und zeigen die Stimmen der Menschen. Meinungsbildung ist ein Schlüsselfaktor in der Medienwelt. Die Nutzer sind heute mündig genug, ihre eigene Meinung zu bilden und zu veröffentlichen. Wir kombinieren diese Meinungsvielfalt mit dem journalistischen Informationswert der Nachrichten. Weiterhin kann man seine eigenen Tagesthemen anpassen, sobald man sich über die Schnittstelle von Twitter bei Tagesthema.de anmeldet. Die Ideen, wie wir das System weiter entwickeln, hängt nun von den Nutzern ab. Wir wollen gerne, dass sie uns mitteilen, was sie gut finden. Dann werden wir genau das für sie umsetzen.

Brauchen die Nutzer einen weiteren Dienst neben Google News, Nachrichten.de und Rivva?

Ibrahim Evsan: Keine Ahnung. Das entscheidet der Nutzer. Jeder Dienst hat seine Daseinsberechtigung und für einzelne Nutzer ergeben sich hier und da immer individuelle Vorteile oder Nachteile gegenüber anderen Anbietern.

Können Nutzer bei Tagesthema die dargestellten Informationen personalisieren?

Ibrahim Evsan: Ja, jetzt schon, indem sie sich einfach anmelden und Tagesthema für sich anpassen. Die Anpassungsfähigkeit werden wir in den nächsten Wochen erweitern, denn noch befindet sich Tagesthema nach nur drei Tagen Entwicklungszeit in einer frühen öffentlichen Beta-Version.

Man erkennt bereits erste Werbebanner über Google AdSense. Soll Tagesthema sich durch Werbung allein refinanzieren?

Ibrahim Evsan: Genau. Was danach kommt, war für dieses Projekt und in der kurzen Zeit zwischen Idee und Launch im Sinne des „3 Days to Market“-Prinzips noch nicht planbar. Es wäre aber sehr gut, wenn wir damit beweisen, dass sich dieses Projekt auch rechnet. Wir werden die Entwicklung beobachten und schauen, ob wir sehr bald für gezieltere Nachrichten mit passenden Werbeinhalten entsprechendes Datenmaterial dazu erheben können. Natürlich nur, sofern der Nutzer dem zustimmt.

Verleger fordern ein Leistungsschutzrecht für ihre Nachrichteninhalte. Kommt Tagesthema dem nach, suchst Du den Konsens mit den Verlegern und beteiligst Sie anteilig an den Werbeerlösen?

Ibrahim Evsan: Das wäre wirklich innovativ. Doch lassen wir Tagesthema sich vorerst ein wenig weiter entwickeln. Wir können uns eine Beteiligung an den Werbeerlösen natürlich auch vorstellen, genauso wie wir die Idee verfolgen, das gesamte System als Open Source Lösung anzubieten. Dann haben alle was davon und jeder kann sich einen eigenen Nachrichten-Aggregator erstellen und für seine persönlichen Zwecke anpassen. Schließlich leben wir in einer Welt, die von Informationen und Wissen dominiert wird. Es ist nichts einfacher als so seine besten Quellen zusammenzuführen, dass man jederzeit einen individualisierten Überblick über die Nachrichten hat. Also den schnellen Blick auf das Tagesthema.

Vielen Dank für das Interview!

Hinweis: Das Interview führten Ibo und ich spontan und aus freien Stücken heraus. Dass Ibo jenes Unternehmen gegründet hat, bei dem ich seit über drei Jahren arbeite, trug beeinflusste selbstverständlich nicht das Interview. Diese Tatsache sei für den geneigten Leser nur der Vollständigkeit halber erwähnt.

Gut zwei Wochen ist es her, seitdem die Welt Kompakt einem Relaunch unterzogen wurde. Nicht nur der klassische Print-Titel konnte sich der inhaltlichen Erweiterung und Umgestaltung der Themenschwerpunkte freuen, vor allem profitierte die deutsche Verlagsbranche von diesem kühnen Stunt des Axel Springer Verlags. Wer hätte es bis vor kurzem überhaupt für möglich empfunden, dass eine gedruckte Zeitung die Freigeister der Netzkultur und Protagonisten der Social Media, der Digitalen Clique so begeistern konnte?

Das schaffte die Zeitung, indem sie sich so intensiv wie im Print nur möglich mit dem Internet und Social Media auseinander setzt. Dabei wird nicht nur ein eigenes Ressort zu dem Thema auf einer Doppelseite ablichtet. Vielmehr findet eine Vollintegration von einer jederzeit bei Facebook und Twitter ansprechbaren Redaktion auf die Beine statt. Dieser Mut, etwas Neues zu probieren und sich trotz einiger Kritiker durchzusetzen, verdient Respekt und Anerkennung.

Auf einmal standen Promoter an den Ecken, die die Welt Kompakt verteilten. Im Flieger nach Berlin wurde sie mir bereitwillig ausgehändigt. Unzählige Plakate mit verschiedenen Motiven zum Nachdenken finden sich als Teil dieser breit angelegten Kampagne auch in Köln und vielen anderen Städten wieder. Auch der Besitzer vom kleinen Tabakladen in Ehrenfeld schwärmt von der Welt Kompakt und händigt sie mir schon fröhlich jeden Tag aus – und weist mich darauf hin, dass die doch am Vormittag gerne schnell vergriffen ist. Wieso zum Teufel hat man seit zwei Wochen nur die Welt Kompakt im Kopf?!

Vielleicht deswegen, weil es ein einzigartiger und neuer Ansatz ist, um der Medienwelt in Deutschland mehr Leben einzuhauchen. Viele deutsche Verleger lamentieren seit einiger Zeit öffentlichkeitswirksam über die düstere Zukunft ihres Metiers. Sie haben oft die zukünftigen Trends verschlafen oder erst viel zu spät reagiert. Man denke nur an das Abwandern der Anzeigenkunden mit ganzen Etats nur in den Online-Werbemarkt, oder das Versagen vom Print im aussichtslosen Kampf gegen den Tod der regionalen und lokalen Kleinanzeigenmärkte. Und die Verleger verlangen jetzt mit endlosen Plädoyers nach der Einführung von Leistungsschutzrechten für ihre journalistischen Erzeugnisse. Im Internet muss guter Journalismus mit fundierten Recherchen, tiefgründigen Inhalten und objektiv qualitativen Aussagen geschützt werden. Keine Frage, dahinter stehe ich immer mit einem Bein. Doch mit dem anderen Bein stehe ich weit weg auf der anderen Seite. Denn wer seinen durchaus für den Nutzer kostenfreien Online-Content, der sich ja bereits seit Jahrzehnten mit Werbung refinanziert, am liebsten über Paid-Content als Geschäftsmodell zur Monetarisierung des journalistischen Produkts refinanzieren möchte, und dann auch noch an staatliche Unterstützung denkt, der hat nicht verstanden, dass der Nutzer längst die Macht in den Händen hält.

Wir definieren durch unser Interesse und unsere Nachfrage genau die Inhalte, die wir von den einstigen Gatekeepern in journalistischer Aufbereitung zu lesen bekommen. Und die Meinung bilden mittlerweile einzelne Leuchttürme im Netz, die eigenständige Individuen und keine ganzen Redaktionen sind. Wir bilden doch unsere Meinung jeden Tag, ein redaktionell geführtes Medium versucht sich so nah an der idealen Meinungsbildung für die Masse heranzuwagen, wie nur möglich ist. Der einzelne Leser hat keinen direkten Einfluss auf das Produkt, was ihn am nächsten Morgen erwartet. Leserbriefe gab es ja schon immer, doch wie ist die nächste Stufe? Der Leserreporter oder der Bürgerjournalist? Ohne zu viel Kompetenz aufzugeben, muss ein Verlag umdenken und neue Strukturen zur Kommunikation auf Augenhöhe mit seinen Lesern etablieren. Was liegt also näher, als den Nutzer, den Leser, den Hörer, den Zuschauer, den Prosumenten als Individualisten in das klassische Produkt zu integrieren?

Ein logischer Schluss, der meiner Meinung nach bei der Welt Kompakt sehr erfolgreich umgesetzt wurde. Was habe ich mich gefreut wie ein Schneekönig, als ich einmal mit meinem Kommentar über Twitter und ein weiteres Mal über Facebook den Weg in die gedruckte Welt Kompakt fand? Mein Bedürfnis der Anerkennung als Leser wurde endlich von einer Redaktion befriedigt, indem ich nicht nur als fremde Meinung eines Leserbriefs dargestellt wurde, sondern als integrierter Bestandteil auf zumindest der thematischen Doppelseite zu Internet und Social Media meinen Namen fand.

Auch ist das Engagement vieler Redakteure und Journalisten der Welt Kompakt bei Twitter sehr reizvoll. Nicht jeder von ihnen nutzt Microblogging regelmäßig, doch man findet Kontakt und Dialog mit ihnen. Etwas, was nicht nur den PRler in mir freut, sondern mich einfach begeistert. Viele andere Journalisten in Deutschland, wenn wir mal die urtypischen Köpfe der Bloggerszene und diejenigen aus dem Bauch von Social Media heraus ignorieren, verstehen noch nicht einmal, dass der Dialog mit den Lesern auch außerhalb des eigenen Blattes stattfinden kann. Wow, was also will man mehr?

Eigentlich alles. Da reicht die Welt Kompakt einem den kleinen Finger, und man möchte gleich den ganzen Arm vor Begeisterung abreißen. Ja, am liebsten würde ich selbst einen meiner Artikel, sofern sie auch einen thematischen Bezug zum Blatt oder inhaltlichen Nutzwert für den typischen Leser bieten, in der Welt Kompakt wiederfinden. Nicht als einfache Kopie meines gebloggten Wortes, sondern als legitimierter Gastautor vielleicht. Oder als lokaler Berichterstatter für den neuen Lokalteil über Köln agieren. Im Prinzip möchte man als Leser doch das realisieren, wodurch einen die digitalen Bürgerzeitungen im Netz bereits im Ansatz befähigte, nur in Form einer übersprungenen Barriere zwischen digitaler Kluft und gedrucktem Wort. Traumvorstellung? Wenn die Welt Kompakt, zumindest wie Thomas Knüwer es schrieb, auch Blogartikel abdruckt (hoffentlich nur nach Nachfrage und lizenzrechtlicher Genehmigung), wäre das doch mal ein interessanter Aspekt.

Fast zwei Wochen brauchte ich, um mir meine Gedanken zu dem Neustart der Welt Kompakt zusammen zu reimen. Nebenbei vergaß ich auch das Bloggen, denn ich las sehr gerne die gedruckten Artikel, was auch meine private Freizeit limitierte. Das Thema wurde bereits sehr oft auf Twitter, in zahlreichen Blogs und in diversen Fachmagazinen der Medienbranche breit getreten. Bringt es also heute noch, eine Blattkritik zu dem Thema zu veröffentlichen? Ohne das Kauderwelsch von vielen Kollegen zu wiederholen: Ja, man kann es sich erlauben, dazu etwas zu schreiben. Ich bin stolz auf das Produkt, was ich jeden Morgen in Händen halten darf. Als reger Leser, der selbst seine Wurzeln in der Zeitungslandschaft sieht, habe ich seit dem Relaunch der Welt Kompakt wieder unglaublichen Gefallen an der Tagespresse gefunden, nachdem ich für fast fünf Jahre keinen Pfennig, ja keinen Cent, für die morgendliche Zeitungslektüre ausgab. Hut ab für das Wagnis, dem totgesagten Print neues Leben einzuhauchen und so intensiv die digitalen Kommunikationsmittel von Twitter, Facebook, Blogs und den Zeitgeist von Social Media in eine gedruckte Publikation zu integrieren. Das darf ich begeistert behaupten – und nein, von der Redaktion wurde ich nicht für diesen Artikel geschmiert. :)