Ein Bericht: Der mit der Bahn twittert…

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Hoffentlich hat jeder meiner recht rege kommenden und gehenden Follower bei Twitter mitbekommen, dass ich jeden Tag im Land unterwegs bin. Von Montag bis Freitag sitze ich täglich gut eine Stunde in einem der Züge zwischen Köln und Düsseldorf sowie den jeweiligen Stadtbahnen. Besonders in der Früh oder zur Stoßzeit gegen Feierabend erlebe ich dabei viele Dinge, finde aber kaum Zeit, um sie vollumfänglich aufzuschreiben. Anstatt Zeit zu verschwenden, schreibe ich in nur 140 Zeichen ganz direkt über nahezu alles, was mich bei den Fahrten bewegt. Das Schöne ist: Ich habe Mut zur Lücke und lasse jeden daran teilhaben – ganz simpel und einfach bei Twitter.

Wie es dazu kam…

Eigentlich bin ich kein Bahnfahrer, sondern ein ausgesprochen aktiver Autofahrer. Doch mit der neuen beruflichen Herausforderung in Düsseldorf kam die logistische Komponente mit ins Spiel. Nach einer einfachen Berechnung aller Vor und Nachteile war das Auto im Weg und verursachte viel zu hohe Kosten.

Ich entschied mich, die tägliche Reiseroute direkt mit dem Schienenverkehr anzugehen. Mehr Zeit für mich, ein wenig zurücklehnen und entspannen am frühen Morgen, bevor es professionell ans Werk geht. Die Rückfahrt endet nicht im Stau, sondern ebenso geschmeidig mit der Bahn und den Stadtbahnen in Köln bis kurz vor die Haustür. Was ergab sich mehr, als über das Mobiltelefon im Kontakt mit der lebendigen Außenwelt zu stehen und mich mit den Followern in meiner Timeline zu unterhalten? Die ersten Tage, Wochen und Monate waren geprägt von dem Ritual der Kommunikation, sich mit den Followern auszutauschen oder einfach nur die Timeline mitzulesen. Was soll man sonst großartiges als Pendler machen?

Ein Twitter-Experiment?

Doch vor wenigen Monaten erhielt ich eine Einladung, dass ich an einem ersten Experiment der Deutschen Bahn bei Twitter teilnehmen durfte. Im Sinne des Zielgruppenmatchings hatte ich wohl die notwendigen Voraussetzungen – zugleich als digitaler Influencer im Social Web und als Vielfahrer der Bahn. Die PR-Info war insgesamt ganz gut und lockte mich an, aber brachte mich nicht dazu, die Pressemeldung im Blog zu veröffentlichen oder mehr als nur einmal mein Lob für den Service der Deutschen Bahn auszusprechen. Ich wollte einfach mehr erleben und ein wenig die Grenzen austesten, die der Großkonzern mit diesem Schritt in die digitalen Sphären mit seinen Kunden wagen wollte. Nein, austesten passt nicht, vielmehr wollte ich etwas ausreizen und vorantreiben.

Langfristiges Engagement als wahre Herausforderung

Nach den üblichen Zuginfos zu fragen oder im gegensätzlichen Verhaltenskodex die typischen Verbalgrätschen unter der Gürtellinie zu verteilen, so wie manche Reisende es gerne machen, schloss ich grundsätzlich für mein kleines Experiment aus. Schließlich wollte und will ich mehr als nur ein Verhalten an den Tag legen, das wie eine Eintagsfliege ein äußerst kurzes Dasein in der Belanglosigkeit fristet.

Mich sachlich zu verhalten und gleichzeitig herausfordernd, aber auch als Kunde provozierend genug aufzutreten – das war mir von Anfang an wichtig, sobald ich mit den Mitarbeitern der Bahn kommunizierte und von meinen Problemen und kleinen Sorgen berichtete. Diese Menschen leisten wertvolle Arbeit und bemühen sich, die Probleme ihrer Kunden in nur wenigen Zeichen zu lösen. Ich bedanke mich für den nimmermüden Aktionismus von Torsten, Norman, Kai, Janice, Maik, Melanie, Jana und Christian im Twitter-Serviceteam von @DB_Bahn.

Echte Menschen – also wagte ich doch ein wenig mehr, lehnte mich aus dem Fenster und beschloss insgeheim: Ich betreibe ein unnachgiebiges Experiment. Quasi eine Langzeitstudie im stillen Kämmerlein, sprich Bahnabteil oder Großraumwagen. Schließlich betreibt die @DB_Bahn einen Servicekanal über Twitter, den ich nahezu restlos, manchmal schamlos, aber immer respektvoll anschreiben kann, wenn mir irgendetwas bei meiner Pendlerreise auffällt. Was sollte mich also davon abhalten, einfach Gas zu geben und das Twitter-Serviceteam zu fordern?

Spaß an der Kommunikation

Dieses kleine Experiment, wie ich es gerne bezeichnen möchte, besitzt für mich sogar ein wenig mehr Tragweite, als nur rein oberflächlich der Bahn ein paar Hinweise auf Probleme zu liefern und um Lösungen zu bitten sowie den Servicecharakter des Konzerns herauszufordern. Nein, dem regen Treiben liegt auch keine statistischen Empirie zugrunde, vielmehr jedoch der emotionale Drang zu beweisen, dass zu viel Kommunikation für ein Unternehmen nicht immer die optimale Lösung darstellen muss, aber auf der anderen Seite den einzelnen Kunden glücklich machen kann. Zweischneidiges Schwert und so.

Ja, ich provoziere mit Nichtigkeiten und erwarte als zahlender Kunde das Feedback, das mir schließlich jeder Social Media Berater vom blauen Himmel quer über den grünen Klee lobt: hohe Aufmerksamkeit, ausgesprochene Dialogfähigkeit, aktive Kommunikation und äußerste Transparenz. Anfangs vereinzelt, später etwas mehr, und mittlerweile im Dauertakt. Warum? Weil es mir als Kunde unglaublich Spaß macht, als Premium-Bahnfan mit der Bahn zu kommunizieren. Und weil ein hoher Nutzungsgrad diese neuen Jobs von einem Twitter-Serviceteam sichern kann und das Unternehmen und die verantwortlichen Mitarbeiter in ihrem Handeln sowie ihren Entscheidungen durchaus bestätigen kann. Da muss man auch fair sein und die Leistung anerkennen und die Grundnahrung liefern, um die Legitimation des geplanten Twitter-Experiments zu untermauern.

Was mir gefällt, gefällt aber nicht allen…

Ich kann nicht in die Köpfe der Bahnmitarbeiter denken, aber manche Zeitgenossen bei Twitter, denen ich bisher und auch teils immer noch gerne folgte und folge, legten ungeahnte Reaktionen an den Tag. Nicht jeden konnte ich von meinem Vorhaben begeistern. Aber so spielt das Leben. Gemessen an meinen Followern beobachte ich teils pure Ablehnung, blankes Entsetzen oder leichten Hohn. Manchmal auch volle Zustimmung und anscheinend unterhalte ich dank meiner Diskussionen mit der Deutschen Bahn auch den einen oder anderen Follower. Hier einige Beispiele quer durch die Reihen und per Zufall auserwählt, quasi als reaktionäres Potpourri:






Experiment der Sinne

Schon lustig, wie sich viele belustigen können und einzelne Zeitgenossen eine leichte Feindseeligkeit entgegen bringen. Natürlich teste ich die Schmerzgrenze derer, die mir zuhören wollen. Keine tollen Links und wichtige Infos hole ich ans Tageslicht, die rund um PR oder Social Media anzusiedeln sind. Nein, ich nutze Social Media bei Twitter und die gesamte Kommunikation so, wie jeder wichtige Experte es verlangt: Social Media wie es mir als Kunde gefällt – ja, ich bin dabei ein Risikofaktor.

Mir unverständlich sind ablehnende Reaktionen auf mein Vorgehen seitens mancher Social Media Experten, Social Media Berater oder Social Media Manager, die wie erwähnt den grünen Klee ähnlich der Gänse zur Produktion von Foie gras in sich hineinpumpen müssen, um ihr eigenes Unternehmen oder ihre individualisierte Strategie zu inszenieren, jedoch alles andere scheinbar nicht akzeptieren können oder wollen. Nun gut, es gibt Zeitgenossen, die sind einfach noch nicht reif, den Titel eines Social Media Verantwortlichen zu tragen und gleichzeitig dem Titel gerecht zu werden, aber so spielt das Leben

Ich finde es persönlich nur prickelnd, dass manche wichtige Leute, die kritischen Stimmen, sich über so banale Dinge wie die Kommunikation eines anderen, also damit wäre ich gemeint, aufregen müssen. Ich nutze Twitter für mich, nicht für andere. Wer mir folgt, der muss halt damit leben und zurechtkommen, wie ich twittere. Dazu zählt auch mein Kommunikationsverhalten mit der Bahn – Social Media im Expertenmodus als Experiment der Sinne.

Kommunikation im Social Web braucht viel Verständnis

Die illustre Runde an Followern, die mich dafür kritisierte, dass ich mit der Bahn kommuniziere wie es mir gefällt, zeigt einfach nur, dass dieser Kreis allesamt nicht verstanden hat, was die Bahn wohl nahezu perfekt verstanden hat. Durch meine persönliches Experiment, um auszutesten, ob Social Media wirklich so funktioniert, wie es immer funktionieren sollte und mir ein wenig Spaß bringt, kann ich mit Fug und Recht behaupten: Die Deutsche Bahn macht bei Twitter alles richtig!

Die Mitarbeiter zeigen sehr gut, wie sehr sie es verstanden haben, dass ich der Kunde bin – und damit im Sinne der ganz klassischen Lehre der wahre König im Lande. Die berüchtigte Servicewüste in Deutschland zeigt leider viel zu oft, dass der Klassiker in der Kundenbeziehung bei weitem nicht erlebbar gemacht wird, wie man es als Kunde erwartet. Der Kunde ist König. So soll es sein. Bei der Deutschen Bahn bin ich trotz 140 Minuten Verspätung immer noch ein geschätzter Kunde, der sich dann auch gerne mal aufregen darf und in den meisten Fällen auch Gehör findet.

Kommunikation im Social Web braucht von Unternehmen her so unglaublich viel Verständnis, was die Bahn scheinbar mit Leichtigkeit im Twitter-Serviceteam aufbringt, aber einzelne Personen wie so manche eigenständig agierende Social Media Manager selbst überhaupt nicht leisten können. Vielen Dank dafür und auf bald, bis ich wieder im ICE sitze, aber die Klimaanlage ausfällt, oder wenn ich den Regionalexpress nehmen muss, weil der ICE einfach nicht kommt, oder wie gestern, wenn der ICE nicht mehr so fährt, wie ich es gewohnt bin, oder wenn der IC so überpünktlich abfährt, dass ich selbst überrascht bin… :)

5 Kommentare
  1. @Aus_der_UBahn sagte:

    Hallo Mike,
    für die Bahn mag das ja ein wichtiger Test gewesen sein, auch wenn ich vermute, dass die auch so schon genug echte Nerds haben, mit denen sie sich abplagen müssen. Für Deine Follower war’s jedenfalls eine echte Geduldprobe. Wer Dich nicht persönlich kennt (wie ich), der musste Dich für einen kleinlichen Mäkler halten, den man nicht gerne in seiner Timeline hat. Einen Troll eben, typisch miesepetrig deutsch.
    Vielleicht wäre dafür ein Zweitaccount sinnvoller gewesen.
    Mit herzlichem Gruß
    AdU

  2. Mike Schnoor sagte:

    @Aus_der_UBahn Na klar, das ist auch absolut verständlich. Man kann es nicht jedem Recht machen und damit hast Du als (potenzieller) Follower auch immer die Wahl, jemandem zu folgen oder eben nicht. Das ist die Krux mit dem Rumtwittern – man kennt sich nicht immer, und nicht jedesmal harmonisiert der Verfolgte mit seiner Gefolgschaft.

    Doch eines wollte ich nie: Mich selbst verbiegen für die Follower. Zwänge oder ähnliches lege ich mir nicht auf. Ich bin ja nur Kunde und mache keine Promo für die Bahn – wobei der Artikel hier vielleicht durchaus Promo sein könnte. Aber ich muss niemandem gerecht werden oder konform sein. Wenn ich Twitter als Kommunikationskanal für meine Bedürfnisse nutzen will, mache ich das auch – so wie jeder andere auch. :)

    So kann es passieren, dass es manchmal wie das berüchtigte „herumtrollen“ wirkt, wenn ich mich mit der Bahn auseinander setze, doch damit lebe ich bewusst – und finde das gut. Ich weiß, dass ich auch weiter mit der @DB_Bahn oder anderen Unternehmen twittern werde, wenn ich ein Kunde bin, der etwas zu berichten hat.

  3. Chris sagte:

    Spannender Artikel, spannendes Projekt. Ich finde es gut, dass die doch eher konservativ-gebranntmarkte DB sowas lanciert.
    (Kleine Anmerkung: Du bedankst dich für ’nimmermüden Aktionismus‘!? Wtf?)

  4. Mike Schnoor sagte:

    @Chris Danke. Wg. „nimmermüder Aktionismus“… meine Wortkombination dafür, dass man fast immer (zumindest in der Zeit von 6-20 Uhr) eine Reaktion vom Twitter-Serviceteam erhält.

  5. Peter. sagte:

    Hallo Mike,

    gute Aktion, gute Einstellung zum Thema Web 2.0. Hab zwar aufgrund der Überschrift noch mehr einen Erfahrungsbericht erwartet mit vielen Beispielen, wie die Bahn sich denn genau „richtig“ verhalten hat. Aber die Ausführungen zu den Ansichten der Social-Media-Experten sind mindestens genaus lesenswert. :)
    Welcher Account wird als nächstes getestet? :)

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