Andreas Heyden (maxdome): „Ohne die Bewegtbild-Angebote sind Netzanbieter nicht überlebensfähig“

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Einer aktuellen gfu-Studie zufolge hat sich das TV-Verhalten der Deutschen deutlich verändert. Einen großen Anteil an diesem Wandel haben die steigende Anzahl der deutschen Haushalte mit Smart-TVs und die Nutzungsbereitschaft für Video-on-Demand-Angebote. Mit maxdome hat die ProSiebenSat.1-Gruppe die einstige Nische zu einem etablierten Markt ausgebaut. #DigiBuzz sprach mit Andreas Heyden, Geschäftsführer von maxdome, über das Zukunftspotenzial der TV-Branche, den potenziellen Markteintritt von Netflix in Deutschland und über die Netzneutralität und Drosselung von DSL-Anschlüssen.

Herr Heyden, das Fernsehen verändert sich derzeit sehr. Hat der Begriff Bewegtbild nicht schon ausgedient?

Andreas Heyden: Im Gegenteil. Ob linear oder non-linear, der Medienkonsum wird immer durch Inhalte, also Bewegtbild, bestimmt. Und das wird überwiegend aus dem TV-Programm generiert. Mit 50 Millionen Zuschauern pro Tag in Deutschland hat kein anderes Medium eine höhere Reichweite als TV. Verändert hat sich lediglich die Nutzung durch die Vielfalt unterschiedlicher Geräte. PC, Laptop, Tablets oder Smartphones sind mittlerweile gern genutzte Wege, um Inhalte, die vor einigen Jahren ausschließlich über die Massenmedien Print, Radio und TV zur Verfügung standen, abzurufen. Dabei steigt der Traffic-Anteil von Bewegtbild rasant an.

Wie wird das lineare Fernsehen in zehn Jahren aussehen?

Andreas Heyden: Fernsehen strukturiert den Alltag der Menschen. Zum Beispiel wenn man nach einem anstrengenden Arbeitstag zu Hause auf dem Sofa die Entspannung vor dem Fernseher sucht. Ich bin mir sicher, dieses Motiv wird auch in zehn oder fünfzehn Jahren noch die Menschen millionenfach vor dem Fernseher versammeln. Auch wenn dann sicherlich jede Menge neue Spielflächen oder Nutzungssituationen dazugekommen sind. Auch einzelne Sendungen erfüllen eine ganz bestimmte psychologische Motivation.

Denken Sie alleine mal an die Fußball-Weltmeisterschaft. Selbstverständlich wird sich die Art, wie ferngesehen wird, verändern. Wo genau der Weg hinführt, können wir alle noch nicht sagen. Ein Szenario, das ich mir gut vorstellen kann ist aber, dass Live-Shows weiterhin gemeinsam auf dem TV-Screen gesehen werden. Mit allen Emotionen, der Spannung und den begleitenden Gesprächen – egal ob diese nun auf der heimischen Wohnzimmercouch oder auch im Social Web stattfinden. Gleichzeitig bestechen aber natürlich auch die Vorteile On-Demand-Nutzung von Bewegtbild und das bieten wir dann über maxdome an.

Andreas Heyden, Geschäftsführer von maxdome, Quelle:  ProSiebenSat.1 Gruppe / maxdome

Andreas Heyden, Geschäftsführer von maxdome, Quelle: ProSiebenSat.1 Gruppe / maxdome

Leiden die TV-Sender schon unter den digitalen Wettbewerbern oder muss der Druck noch weiter erhöht werden?

Andreas Heyden: Die Erfolgsgeschichte von TV findet in den wachsenden Digital-Medien nicht ihr Ende, sondern ihre logische Fortsetzung. Denn TV und digitale Plattformen ergänzen sich hervorragend. Es entstehen neue Geschäftsmodelle durch die Möglichkeit, Content sinnvoll über verschiedene Plattformen zu vernetzen.
Entscheidend für die digitale Bewegtbild-Strategie der ProSiebenSat.1-Gruppe ist das optimale Zusammenspiel der einzelnen Plattformen. Jedes Medium muss seinen Stärken entsprechend eingesetzt werden und auf die jeweilige Erwartungshaltung der Nutzer respektive Zuschauer angepasst sein. Sowohl Inhalteanbieter als auch Gerätehersteller stehen derzeit vor der Herausforderung, die optimale Abstimmung von technischen Möglichkeiten und aktuellen Bedürfnissen zu finden. Gelingt dies, läuft der crossmediale Hybridmotor rund und fährt ohne Stottern in Richtung Zukunft der Digitalisierung.

Laut GfK sollen in diesem Jahr rund 28,41 Millionen Haushalte mit angeschlossenem Digital-Receiver oder IP-Decoder ausgerüstet sein. Zu welchen Maßnahmen wären Sie bereit, damit jeder zweite dieser Haushalt ein zahlender Kunde von maxdome wird?

Andreas Heyden: Wir richten unser Angebot laufend neu auf die Bedürfnisse des noch jungen VoD-Marktes aus. Wichtig war für uns zunächst, dass unser Service überall auf allen Plattformen stattfindet und das haben wir erfolgreich umgesetzt: Unser Angebot ist mittlerweile auf fast allen internetfähigen Fernsehern abrufbar. Wir sind Innovationstreiber und Marktführer in diesem Bereich. Es gibt in Deutschland kein zweites Medienunternehmen, das so eine klare OTT-Strategie verfolgt und umsetzt. Die Voraussetzungen sind also längst geschaffen. Jetzt müssen die Menschen nur noch den Vorteil von Video-on-Demand begreifen: Kostengünstig, zeitflexibel und individuell für jeden Geschmack bzw. Stimmung der richtige Inhalt greifbar.

Auf dem deutschen Markt agieren Sie mit maxdome bereits neben Sky, Watchever und Amazon Prime. Wie rüsten Sie sich für den deutschen Markteintritt von Netflix, der offenbar zu ihrem Hauptkonkurrenten avancieren wird?

Andreas Heyden: Wir sind als Marktführer etabliert und haben mit der ProSiebenSat.1 Group ein über 30 Jahre währendes Wissen und entsprechende Erfahrung im deutschen Entertainmentmarkt. Einer unserer größten Wettbewerbsvorteile sind unsere TV-Sender. Wir glauben an den Brückenschlag zwischen linearem Free-TV und Premium-Video-on-Demand. Die Marketing-Power unsere TV-Sender ermöglicht uns, hochwertige Fernsehinhalte direkt mit der maxdome-Welt zu verknüpfen – allen voran Previews von TV-Serien, die zuerst bei maxdome laufen und anschließend auf den Free-TV-Sendern ausgestrahlt werden. Das hat sich bei unseren Kunden als sehr beliebtes Feature etabliert und bildet für uns einen wichtigen Treiber des Geschäfts.

Vor kurzem noch die Telekom, jetzt möchte Telefónica-O2 ab Oktober die DSL-Anschlüsse drosseln. Wie beurteilen Sie die fortlaufende Diskussion über die Drosselung der Übertragungsgeschwindigkeiten bei Highspeed-Internetanschlüssen?

Andreas Heyden: Die Einführung der Datendrosselung ist im Grunde gleichbedeutend mit einer Preiserhöhung. Die DSL-Anbieter stehen mittlerweile unter starken Konkurrenzdruck zu Kabel-Internetanbietern. Die Datenraten steigen und die DSL-Anbieter sind auf Grund der Infrastruktur im Nachteil.

Ist die digitale Wirtschaft in Deutschland, insbesondere im Bewegtbild-Segment, ohne echte Netzneutralität überhaupt überlebensfähig?

Andreas Heyden: Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Ohne die Bewegtbild-Angebote sind Netzanbieter nicht überlebensfähig. Anbieter wie maxdome, die ihre hochwertigen Bewegtbild-Inhalte in exzellenter HD-Qualität streamen, verschaffen den Netzbetreibern überhaupt erst die Nachfrage nach schnellen DSL, Kabel- oder Glasfaser-Internetanschlüssen.

Ein Nutzer wird wohl kaum einen Anreiz finden, einen teureren 50Mbit- oder 100Mbit-Anschluss von seinem Provider zu kaufen, um darüber seine E-Mails abzurufen oder die Online-Ausgabe seiner Tageszeitung zu lesen.
Fakt ist: Im Bereich der leitungsgebundenen Internetanschlüsse, also bei DSL, Kabel oder Glasfaser, gibt es in Deutschland keine Kapazitätsengpässe. Insofern gibt es auch keinen Grund, am Grundsatz der Netzneutralität zu rütteln.

Das schließt jedoch nicht aus, dass es zusätzlich zu einem netzneutralen Internetanschluss auch andere IP-basierte Produkte geben kann, die die Netzbetreiber separat als so genannte „Spezialdienste“ mit festgelegten Übertragungsparametern vermarkten können sollen – so wie es der derzeitige Diskussionsstand um die europäische Rahmenregulierung der Netzneutralität vorsieht. Das heißt im Klartext: Wenn ein Netzbetreiber ein schnelles, neutrales Internet anbietet, dann darf er getrennt davon zum Beispiel einen VoIP-Service, IP-TV oder ein Pay VoD-Paket vermarkten. Wichtig dabei ist jedoch, dass weder die Anbieter noch die Nutzer der digitalen Angebote durch eine künstliche „Bremse“ des normalen Internets dazu gezwungen werden dürfen, in diese „Spezialdienste“ auszuweichen.

Herr Heyden, ich bedanke mich für das ausführliche Gespräch.