Gedankensplitter zum Tod deutscher Medien

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Jeder weiß es, jeder spürt es: Der digitale Wandel schreitet in nahezu jedem Wirtschaftssegment unaufhörlich voran. Einer der stärksten Veränderungsprozesse beeinflusst dabei die Medienlandschaft und resultiert oft im plakativen Begriff des Zeitungssterbens. Im vergangenen Jahr häuften sich wieder die Meldungen, dass zahlreiche deutsche Medien ihren Betrieb einstellten. Aber stört dies wirklich die breite Bevölkerung oder erregt der Tod deutscher Medien eben doch nur die Medienmacher und auf Medien angewiesene Branchenvertreter?

Zur Klarstellung: Ich glaube nicht daran, dass das Zeitungssterben und das Ende mancher Sender weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen werden. Abgesehen von den Einzelschicksalen der Betroffenen auf Seiten der Verlage und Medienanbieter, werden die Rezipienten sehr schnell alternative Informations- und Unterhaltungsmedien nutzen. Die breite Masse folgt ihrem eigenen Herdentrieb – also ein rein intuitives und sehr normales Verhalten.

Ob sich der Tod einzelner Medien auf die Medienvielfalt in Deutschland auswirkt, lässt sich schon am Beispiel der Financial Times Deutschland erkennen. Nach der Einstellung des Mediums im Dezember 2012 zeigte die Marktbereinigung bei den Wirtschaftsnachrichten durch einfachste Substitutionseffekte. Im Fall der FTD wechselten viele Leser zu Handelsblatt, Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Süddeutsche Zeitung oder die Zeit. Alternativ hat sich die Leserschaft mit digitalen Informationsangeboten versorgt, zu denen sowohl digitale Print-Abos als auch frei verfügbare (werberefinanzierte) Digitaldienste zählen. Manche dieser Substitutionsgüter konnten davon profitieren, aber auf lange Sicht hin wird der Medienmarkt durch die oft gängige Parallelnutzung dieser Wirtschaftsmedien keine signifikante Steigerung der Verkaufs- bzw. Nutzungszahlen eines einzelnen Titels nach sich ziehen.

RIP: Eingestellte Medien im Jahr 2013

Die folgende Zusammenstellung listet alle mir namentlich bekannten, im Jahr 2013 eingestellten Medien auf, aber sie wird gewiss Verwunderung aufrufen. Zum Einen wurden viele dieser Medien mit sehr regionaler Verbreitung oder als Nischen- und Spartenmedium betrieben, zum Anderen fehlen einige renommierte Titel wie die eingangs erwähnte Financial Times Deutschland. Der Grund liegt darin, dass dieser Titel bereits im Jahr zuvor eingestellt wurde – und eben nicht in 2013. Zudem tauchten weitere Medien wie das Hamburger Abendblatt, die Münstersche Zeitung und die Berliner Morgenpost bereits in Verbindung mit dem Begriff „Zeitungssterben“ in vielerlei Berichten auf, aber diese Titel gibt es nach wie vor, nur eben in anderer Konstellation. Denn über diese Medien wurde nicht aufgrund der Einstellung des Betriebs, sondern aufgrund von Veränderungsprozessen in den Verlagen, wie durch Migrationen und Zusammenlegungen von Redaktionen gesprochen. Immerhin gibt es ein positives Beispiel, denn für die Branche ist die Weiterentwicklung der „Impulse“ als vorteilhaft zu betrachten, welche seitens Gruner + Jahr an den Chefredakteur veräußert wurde und weiterhin als Magazin publiziert wird.

Titel/Medium Verlag/Sender Datum der Einstellung
AFAR eMedia Gesellschaft für elektronische Medien GmbH 08.10.2013
AllMountain Delius Klasing Verlag GmbH 31.03.2013
autohifi WEKA Media GmbH & Co KG 01.01.2013
Bamberg Journal city medien 01.01.2013
Best Friends Panini Verlags GmbH 30.04.2013
Börsen Trend TRADERS´ media GmbH 31.05.2013
dapd dapd Nachrichtenagentur GmbH 11.04.2013
Das neue Backmagazin Blue Print Media 29.04.2013
Das Vierte The Walt Disney Company 31.12.2013
Desktop Dialog DPV Digitale Publishing GmbH 01.01.2013
Deutschland Archiv Die Zeit im Osten 01.01.2013
Energie live Vattenfall Europe AG 23.01.2013
Entertainment Week G+J Entertainment Media GmbH 07.06.2013
Erfolgs-Rezepte Livingston & Friends GmbH 26.09.2013
eta green succidia AG 31.05.2013
Euro Laser Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG 01.06.2013
Focus Schule Hubert Burda Media 31.01.2013
Foto & Video Digital objektiv Verlag B. Kämmer 07.06.2013
Frankfurter Rundschau Am Freitag Mittag Frankfurter Rundschau GmbH 28.02.2013
Frau und Freizeit SCG Verlag Ltd 02.08.2013
Freizeit genießen Livingston & Friens GmbH 25.07.2013
gamersmag Kino&Co Media GmbH 01.02.2013
Gameshop G+J Entertainment Media GmbH & Co. KG 18.02.2013
gas Deutscher Industrieverlag GmbH 04.07.2013
Geniessen & mehr B&L Mediengesellschaft mbH & Co. KG 30.04.2013
Hallo Freizeit SCG Verlag Ltd. 22.05.2013
Harburger Anzeigen und Nachrichten Lühmanndruck Harburger Zeitungsgesellschaft mbH & Co KG 30.09.2013
Häuser bauen & sparen Fachschriften Verlag 01.01.2013
He best buy Mediatainment Publishing Verlagsgesellschaft GmbH 01.01.2013
illu für mich MS MedienTeam GmbH 19.08.2013
Kultur (Stuttgarter Zeitung) Kulturgemeinschaft Stuttgart 31.12.2013
Kochschule Data Becker GmbH & Co. KG 29.01.2013
Landfee BT Verlag 01.11.2013
LandGef¸hl im Norden falkemedia living GmbH 31.10.2013
Like mu2 media UG i.G. 24.09.2013
Magazin der Frau SCG Verlag Ltd. 22.05.2013
Mainzer Rhein-Zeitung Mittelrhein-Verlag GmbH 31.12.2013
mensch & gesundheit Mediengruppe Oberfranken- Buch-und Fachverlage GmbH&Co.KG 01.07.2013
Milchwissenschaft-Milk Science International AVA Agrar Verlag Allgäu 01.01.2013
Motor Maniacs Huber Verlag GmbH 22.05.2013
Nachtlichter, Hannover MWCG Verlags Ltd. 31.03.2013
National Geographic Kids Gruner & Jahr 31.12.2013
New Scientist New Scientist Deutschland GmbH 31.05.2013
Oldenburg live Borgmeier Media Gruppe 04.11.2013
Paula WAZ Woman Group GmbH 01.01.2013
Prinz Jahreszeiten Verlag 01.01.2013
Ruhrwort Bistum Essen 31.12.2013
Saveurs M.I.G. Medien Innovation GmbH 17.07.2013
schnell & lecker Teichmann Verlag 01.08.2013
Service Profi Springer Fachmedien München GmbH 10.04.2013
spa concept Health and Beauty Business Media GmbH 10.10.2013
SpatzZeitung Publitex AG 01.07.2013
spielen und lernen Family Media GmbH & Co. KG 01.06.2013
Stars im Blick Alles Gute Verlag 25.04.2013
Stocks Axel Springer 30.01.2013
tk report Dr. Vollmer GmbH 31.01.2013
TV kult! NikMa Verlag 25.10.2013
TV Planer TV Planer Verlagsgesellschaft GmbH & Co KG 17.09.2013
Twist Heinrich Bauer Zeitschriften Verlag KG 06.02.2013
Urlaub perfekt Niedecken Verlag 01.01.2013
Westdeutsche Allgemeine WAZ, Dorsten Westdeutsche Allgemeine Zeitungsverlagsgesellschaft E. Brost J. Funke GmbH & Co. KG 31.10.2013
Westfälische Rundschau, Lüdenscheid Westdeutsche Allgemeine Zeitungsverlagsgesellschaft E. Brost J. Funke GmbH & Co. KG 31.12.2013
Wie einfach! pulse publishing GmbH 02.10.2013
Wir sind Familie Südkurier GmbH Medienhaus 27.05.2013
Wirtschaft Heute Internationale Wirtschaftsnachrichten Verlagsgesellschaft mbH 10.10.2013
YAVIDO EURO I Fernsehproduktions- und Betriebs GmbH 31.03.2013
Youngtimer Welt W.P. Europresse Verlag GmbH 01.10.2013
ZukX Ingenieure blindert GbR 18.10.2013

Künftig müssen wir auf rund 70 Medien unterschiedlichster Coleur verzichten. Hinzu addieren sich alle Titel, die als Kleinstpublikationen oder reine Online-Medien ganz im Stillen zu Grabe getragen wurden, ohne dass die Medienbranche davon Notiz nahm. Das Scheitern scheint sogar manches Mal von systemischer Natur zu sein. Die einstige Position, als teils einzige Autorität im Sinne einer vierten Macht im Staate zu handeln, wird durch viele einzelne Autoren und Autorengemeinschaften im Netz außer Kraft gesetzt. Viele Medienmacher kommen nicht vom Fleck weg und klammern an alte Prinzipien. Zahlreiche Verlage scheitern offenbar immer noch am digitalen Verdrängungswettbewerb.

Was ihnen leider immer noch fehlt, ist das Verständnis dafür, dass die klassischen Medien gar keine Berechtigung mehr besitzen, auf ihren alten Geschäftsmodellen zu beharren und auf Besserung zu hoffen. Das mehrfach kritisierte Leistungsschutzrecht hat sich als mediale Blase entpuppt. Die Zugriffe auf digitale Abo-Modelle halten sich noch in Grenzen. So prognostizierte ich vor einem Jahr fünf Thesen und Lösungswege, die aus dem Dilemma des Zeitungssterbens führen können:

  1. Zeitungen müssen sich als relevante Informationsvermittler verstehen
  2. Redaktionen müssen Geschichten erzählen, die gelesen werden wollen
  3. Hybride Bezahlmodelle müssen klassische Abonnements verdrängen
  4. Bedrucktes Papier besitzt in puncto der Aktualität kaum Zukunftspotenzial
  5. Wahrnehmung und Neuausrichtung muss im Sinne einer Zielgruppendefinition erfolgen

Wo bleibt eigentlich die PR?

Wird demnach das Zeitungssterben die professionelle Kommunikationsarbeit behindern oder arg einschränken? Wird die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit seitens Unternehmen, Agenturen und Dienstleister aufgrund dieser fehlenden Medien künftig wirtschaftliche Einbußen spüren? Nun, sobald wir auf die Seite der Kommunikationsdienstleister blicken und uns zwischen Marketing und Public Relations bewegen, wird der Konkurrenzkampf um Aufmerksamkeit und Reichweite zwar etwas härter, aber hier gilt es immer noch, sich mit guten Inhalten durchzusetzen und die Journalisten von einem Thema zu begeistern.

Aber damit die PR-Branche das Zeitungssterben und seine Auswirkungen leidvoll spüren kann, müssten schon unzählige Publikationen eingestellt werden. Die Agenturen und ihre Auftraggeber kann es vielmehr freuen, wenn der Wettbewerb um die Berichterstattung härter wird, denn so setzen sich relevante Botschaften gegenüber den unzähligen werblich versäuerten Meldungshäppchen weiter durch. Schließlich müssen die Redaktionen noch stärker auf Qualität ihrer Berichte achten, um ihre Leserbindung nicht zu verlieren.

Der König ist tot, es lebe der König?

Immerhin gibt es Lichtblicke am Horizont, denn ebenso viele, ganz klassisch auf Print, Radio und TV basierende Medien wurden in diesem Jahr neu geschaffen. Hinzu kommen zahlreiche, gar unzählige einzelne Online-Publikationen, die aufgrund der fortschreitenden Digitaltechnologie jeden Tag auf ein Neues entstehen. Die Menschen erschaffen Medien, so dass die Vielfalt der Medien demnach nicht bedroht zu sein scheint. Gewiss kommt die Frage nach der Qualität und Seriosität eines Mediums auf, wenn wirklich jeder ein Medium erschaffen kann, jedoch liegt es einzig an dem Rezipienten, also uns selbst, wie wir Medien wahrnehmen, uns mit Informationen versorgen und wie viel wir bereit sind, für diese Dienstleistung zu bezahlen. Gerade diese Punkte sollten für Verlage und Medienhäuser ein Kompetenzfeld sein, um sich von den unzähligen, teils sehr guten, aber oftmals schlechten Digitalangeboten abzugrenzen.

Das Ende vieler deutscher Medien ist also kein Einschnitt in die Medienvielfalt, sondern eine Chance mit neuen qualitativen Inhalten die breite Masse zu begeistern. Denn nach jedem Sonnenuntergang kommt ein neuer Tag, ähnlich wie die Lichtblicke am Horizont. Verlage und Medienmacher müssen sich selbst prüfen und optimieren.

Die Zusammenstellung der Liste über die eingestellten Medien im Jahr 2013 entstand unter Zuhilfenahme von verschiedenen Medienberichten, Verlagsauskünften, Übersichten und den Einträgen der Wikipedia. Die Liste erhebt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

40 Kommentare
  1. Thomas Wagensonner sagte:

    Definitiv hat das Mediensterben weitreichende Konsequenzen. Für die Nutzer ist das momentan nur nicht schmerzlich spürbar. Medienvielfalt als bloße Vielfalt an Titeln gleichen Inhalts ist kein Wert an sich. Da stimme ich zu. Das Verschwinden der Meinungsvielfalt wäre allerdings problematisch.

    Wenn sich Lokalredaktionen großer Blätter aus manchen Regionen zurückziehen, und das Feld neuen Publizistinnen und Publizisten überlassen, geht Verhandlungsmasse verloren. Die neuen stehen dann gegenüber Politik oder Wirtschaft eben alleine da und können nicht auf die Rechtsabteilungen ihrer Häuser zählen. Die Geschichte des freien Journalisten Hubert Denk in der ZEIT http://www.zeit.de/2013/52/deutschland-pressefreiheit-freie-journalisten zeigt das im Kleinen. Die NSA Story, Greenwald und der Guardian zeigt es im ganz Großen. Für Medien wie den Guardian ist es schon jetzt eine Herausforderung, dem Druck Stand zu halten. Die verschärfte wirtschaftliche Situation macht es noch schwerer. Und dabei ist der Guardian als Medienhaus konzeptionell und intellektuell für die Zukunft schon ganz gut aufgestellt.

    Und was die PR-Branche angeht: Die großen PR-Abteilungen und Leitagenturen setzen nicht mehr darauf, ihre Geschichten in Redaktionen unter zu bringen und damit zu veredeln. Die arbeiten längst und teilweise sehr erfolgreich am direkten Kontakt zum Kunden.

  2. Walter Schärer sagte:

    Uh, dass aber eine lange Liste!

    Meine These ist, dass morgen mit Journalismus kein Geld mehr zu verdienen ist. Weil die Werbebranche effizientere Mittel gefunden hat, sich an Konsumenten zu wenden. Und ja, die Demokratie wird darob nicht untergehen.

    Die PR floriert und wendet sich u.a. via Influencer und Blogger an kleine Themennischen in einem stark fragmentierten Lesermarkt. Das ist zwar aufwendig und nicht massentauglich, dafür erreicht man Interessierte genau in ihrem Spezialthema, was eine Konversion wieder wahrscheinlicher macht.

  3. Stephan sagte:

    Hi, thx für die interessante Zusammenstellung. Die Entwicklung geht mit Sicherheit weg von Print und stärker Richtung Digtial. Die Auswirkungen auf das Mediensystem, die Gesellschaft und die Kommunikationswirtschaft im besonderen möchte ich hier nicht diskutieren. Aber der Vollständigkeit halber den Link zur einer Liste mit ca. 120 Neuerscheinungen (meiste print) aus dem Vorjahr ergänzen http://www.landaumedia.de/fileadmin/pdf/allgemeineinformation/neuerscheinungen_medienmarkt.pdf – damit das Bild der Entwicklung komplett ist.

    Besten Gruß Stephan Fink

  4. Annette Zerpner sagte:

    Wieso „in 2013“? „2013 eingestellte Medien“ oder „Eingestellte Medien 2013“ reicht doch völlig und ist kein Angliszismus.

  5. Peter Raffelt sagte:

    Das Leser von einem Medium nach dessen Einstellung zu einem anderen Medium wechseln, ist nachzuvollziehen, bedeutet aber nicht, dass die Vielfalt erhalten bleibt.

    Die als Beispiel angeführte FTD war von ihrer Konzeption/Gestaltung anders als das Handelsblatt, die FAZ oder die Süddeutsche Zeitung. In dieser Hinsicht ist Vielfallt verloren gegangen.

    Einziges Trostpflaster: Viele der Macher der FTD arbeiten heute für andere Medien oder haben eigene Projekte gestartet und bringen ihre Erfahrungen dort wieder ein. Verändern sie nur ein wenig diese Medien, so trägt das indirekt zur Medienvielfalt bei. In diesem Sinne ist der König zwar tot, aber es gibt ja noch andere Könige!

    (P.S.: Der Autor dieses Kommentars arbeitete selber für die FTD und ist heute für die WELT-Gruppe tätig.)

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