25 Jahre Privatfernsehen in Deutschland

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Deutschland feiert die Meinungs- und Informationsfreiheit in den Medien. Der Mensch ist aufgeklärter denn je. Durch alle Höhen und Tiefen sind wir gegangen, seitdem der Zuschauer mit der neuen Programmvielfalt von privatwirtschaftlichen Unternehmen konfrontiert wurde. Selten zuvor überschlugen sich jetzt die Medienmacher mit sowohl Lobeshymnen als auch Kritik am Fernsehen, denn die Einschaltquoten von der werberelevanten Zielgruppe treiben den Programminhalt in die Ecke zwischen Dschungelcamp, Big Brother, DSDS und nichtssagenden Nachmittagsshows, während wenige Höhepunkte die Free-TV-Premieren einiger Filme darstellen, die bereits seit längerer Zeit in der heimischen DVD-Sammlung von A bis Z durchgesehen wurden.

Schon allein die zugrundeliegende Einschaltquote ist nur eine überholte Hochrechnung über altbewährte Bevölkerungsdurchschnitte, die seit Urzeiten der 80er Jahre als Validitätskriterium gilt. Sehen wirklich so viele Millionen Menschen an einem Abend immer wieder das gleiche Programm, oder vertrauen wir den erhobenen Messdaten und der damit verbundenen Hochrechnung mittlerweile blind? Ja, wir lieben diesen Mist und freuen uns jeden Tag ein Loch sonstwohin, weil jemand eine hohe Quote zu verbuchen hat – und jemand anderes mit seinem Programm auf die Nase fiel.

Klar, die Quotenfrustration mancher Senderchefs kann ich manchmal gar nicht verstehen. Es wird gemeckert was das Zeug hält. Gute Sendungen, die ein Zielpublikum jenseits der 500.000 Zuschauer haben, werden aufgrund zu geringer Marktanteile an der werberelevanten Zielgruppe aus dem Programm geschmissen. Obwohl echte Fans diese Sendungen lieben! Der Markt muss befriedet und befriedigt werden. Die Ausgewogenheit zwischen journalistischer Information und seichter Unterhaltung ist so dunkelschwarz wie eine Schlafmaske, die man sich bei helligem Tag über die Augen zieht, um dem Alltag zu entfliehen. Doch genug an meiner semikonstruktiven Kritik am deutschen Fernsehprogramm.

Hierzulande erfreuen sich die Fernsehsender an dem dualen System, dass zwischen öffentlich-rechtlichem Wirtschaftsdenken und dem privatwirtschaftlichem Umsatzproblem um die Zuschauer kämpft. Seit 25 Jahren gibt es in Deutschland das Privatfernsehen. Angefangen hat alles mit RTL und Sat.1, aber nur RTL feiert ausgiebig sein Bühnenjubiläum im Wohnzimmer der Zuschauer. Davor habe ich absoluten Respekt. RTL legt alle Hebel um und drückt alle Schalter, damit die Bahn frei ist für das Heimspiel mit „Endsieg“. Denn Sat.1 hat nicht viel zu vermelden – hierzu vermutet zumindest DWDL die wahren Gründe in dem Mangel an Marketing und Öffentlichkeitsarbeit einfach in der Platzierung als offensichtlicher Zweiter. Was bringt es schon, wenn man im Prinzip nur gefühltes Mittelmaß ist und im subjektiven Blick die eigene Senderfamilie wesentlich intensiver am Markt präsent ist?

Ja, was RTL als mediale Lichtgestalt gegenüber dem Schattendasein von Sat.1 in perfekter Inszenierung demonstrieren kann, ist nicht nur ein wenig Muskelzucken, sondern schiere Marktmacht mit ausgeklügelter Pressearbeit. Nahezu jedes Medium konnte in den letzten zwei bis drei Wochen über ein einheitliches Thema berichten: Wie gut RTL das Privatfernsehen als Gegenpool zu ARD und ZDF etabliert hat.

Was hat sich Sat.1 im „Nichtstun“ eigentlich gedacht? Sollte nicht mindestens genauso stark auf die eigenen Erfolge als einstiger Einzelkämpfer und jetzt als Teil der ProSiebenSat.1-Gruppe hinzuweisen? Das 20jährige Jubiläum war vielleicht vor ein paar Jahren ein absolutes Drama durch den Weggang von Harald Schmidt oder das Ausscheiden des einstigen Senderchefs Hoffman. Doch in heutigen Zeiten, wo neben klassischem Broadcast immer mehr auf auf Diversifikation gesetzt wird, darf dieses Thema nicht so still geschwiegen werden wie bisher. Fehlende PR und Marketing bedeutet in dem Fall einfach fehlende Präsenz in den Köpfen der Menschen. Wenn Sat.1 noch einmal die 30 erreichen sollte, müssen in den nächsten Jahren die Erfolge her, bei denen RTL in der werberelevanten Zielgruppe punkten konnte. Ist doch sowieso nur Humbug, auf den jeder Marketingfuzzi in den Mediaagenturen und Marketingabteilungen der werbenden Unternehmen durch jahrelange Indoktrination hereinfällt. :)

6 Kommentare
  1. Mike Schnoor sagte:

    Extra für dich in „Anführungszeichen“ gesetzt. Ich wußte ja, dass irgendwer darauf anspringen würde.

    Oder meinst du etwa, ich würde hier einfach nur ungenierten Wortmüll rumwabern, ohne auf Reaktionen zu setzen?

  2. Alexander Trust sagte:

    Schon irgendwie lustig… – also, das man manche Wörter offenbar nicht mehr verwenden sollen darf. Mit politischer Korrektheit hätte das Kastrieren der eigenen Muttersprache wenig zu tun. Wir können uns doch von solchen Zwängen emanzipieren, oder?

    Und ansonsten fand ich den heutigen Aufgalopp von RTL in vielen Punkten dürftig. Die Sendung war viel zu kurz und viel zu sehr aufs Programm zugeschnitten. Da saßen Leute im Publikum… die gar nicht zu Wort kamen. Im WDR lief vor einiger Zeit eine Sendung zu Ehren von Rudi Karell, moderiert von Bernd Stelter. Alle geladenen Gäste hatten wenigstens Zeit, sich zu äußern.

    Die Super-Nanny hat zurecht gefragt, was sie jetzt eigentlich mit Atze Schröder zusammen auf einem Sofa soll. Und 80 Mädels in Bikinis haben die nassen Augen von Quincy wegen der Stehenden Ovationen total versaut. Diese Sondersendung ging mächtig in die Hose. Herr Thoma konnte die Hände kaum bewegen und war wahrscheinlich nicht wirklich gerne geladener Gast, durfte immerhin nicht mal einen Wortbeitrag liefern. Stattdessen durfte Salvatore so viele Redeminuten ergattern und durfte ein botoxgespritzter Gewinner von RTLs Dschungelshow kaum Platznehmen um eigentlich nur Werbung im eigenen Programm für die nachfolgende Sendung zu machen.

    Es gab so viele Stilbrüche, so viele Ecken und Enden, an denen man dachte… wow, was Rasen die da durch. Einen Günther Jauch dort sitzen zu haben… meinetwegen… einen Dieter Bohlen… okay… aber das stand doch in keinem Verhältnis dazu, dass ein Bruce Darnell so ewig lange dort verweilte… dafür aber Moderatoren von Quiz-Sendungen nur im Publikum sitzen durften, um ihren Ausstattern die Schuld am schlechten Outfit zu geben. Da gibt’s so viel mehr Leute, die wesentlich substanziellere Dinge zu der Show hätten beitragen können, stattdessen mussten sie ja unbedingt einen Guiness World Record in der Sendung unterbringen.

    Entweder man feiert seinen 25ten Geburtstag, oder man lässt es bleiben – aber auf keinen Fall zeigt man dem Zuschauer, wie wenig man eigentlich Lust darauf gehabt hat, bzw. Zeit und Geld dafür übrig, um das Ganze zu inszenieren.

  3. Mike Schnoor sagte:

    @Alexander – Ich glaube, dass die ausgestrahlte Show sehr stark gekürzt wurde. Wahrscheinlich so stark, dass man selbst ohne genaueres Hinsehen die konzeptionellen Probleme der Aufzeichnung bemerken musste.

    Die von Dir angesprochenen Punkte rund um die zu kurz kommenden oder schweigenden Persönlichkeiten, die der Sender einst hervorgebracht hat, sprechen sehr dafür, dass die O-Töne der geladenen Gäste während der Aufzeichnung einfach nicht zum Programm passten.

    Dennoch hat mich der Trubel von seiten der PR des Senders sehr interessiert. Sat.1 konnte dagegen nichts setzen. Sehr schade, dass durch die vergangenen Tage das Privatfernsehen in Deutschland eher zum RTL-Privatfernsehen mutierte – aber durch die hervorragende Maschinerie sei es ihnen auch vergönnt, sich in der Sonne zu aalen. :)

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  1. […] Zeit, die alten Medien straucheln, und was über Jahrzehnte hinweg als perfektes Medium trotz 25 Jahren Privatfernsehen galt, kommt immer stärker in die […]

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