Nachrichtenwertigkeit von Sat.1

Die Meldungen schlugen ein wie eine Bombe: Die Nachrichtenformate „Sat.1 am Mittag“ und „Sat.1 am Abend“ gehören ab sofort der Vergangenheit an. Fast könnte man laut durch die Straßen ziehen und lauthals ausposaunen „Adé Du schöne journalistische Vielfalt, willkommen Mainstreamidiotismus“ – doch macht das wirklich Sinn eine solche Pauschalisierung abzulassen?

Eine Forderung nach der Überprüfung der Sendelizenz oder gar das betiteln von „Sanktionen“ ist meiner Meinung nach das letzte, was man jetzt rufen sollte. Da hätte man doch viel früher mal aufwachen sollen und sich um Call-in-TV Sendungen seine Gedanken machen sollen. Das wurde aber mit einem zugekniffenen Auge immer hingenommen, aber sobald eine im Regionalprogramm laufende Nachrichtensendung abgesetzt wird, ist man als medienpolitischer Vertreter des Volkes (hier: Wolfang Börnsen, Vorsitzender der Arbeitgruppe Kultur und Medien der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und der medienpolitische Berichterstatter der CDU, Reinhard Grindel) händeringend zur Stelle und versucht sich mit solchen abstrusen Forderungen in Szene zu setzen.

Ich sehe eine solche Entscheidung seitens der Senderführung von Sat.1 eher als absolute Blamage. Wie kann man einer Moderatorin während der laufenden Sendung mitteilen, dass es die letzte Ausgabe war? Auch das Aus für die Mitarbeiter ist ein absolutes No-no für solche plötzlichen Veränderungen. Noch härter, und damit auch wirklich pervers, ist die Nutzung des Sendeplatzes durch wieder aufgewärmte Wiederholungen von „Richterin Barbara Salesch“ zur gleichen Sendezeit von „Ex-Sat.1 am Mittag“. Das kann man doch besser nutzen und ein spannendes Call-in-TV Format ins Leben rufen: „50 Cent am Mittag“ oder „Sat.1 am Buzzer“ könnten absolute Durchbrecher werden, oder nicht?

Ob letztendlich die Wertigkeit des Sat.1-Programms durch die veränderten Inhalte an Kompetenz gewinnen kann, wage ich zu bezweifeln. Ich empfand es erfreuliche Meldung, dass man eine Nachrichtenoffensive damals in 2004 vorantreiben wollte – damit assoziiere ich jedoch nicht die Resignation vor dem Medium mit den Wegfall eines journalistischen Medieninhaltes. Jedoch ahnte man bereits mit dem Weggang von Thomas Kausch als Nachrichtenchef am Wochenende, dass das dicke Ende noch nicht erreicht ist. Nun sieht man es – Journalismus wird von den öffentlich-rechtlichen Sendergruppen praktiziert, während das private Fernsehprogramm sich vielmehr auf generationsgetriebenen Spaß konzentriert. Herzlichen Glückwunsch zu dieser medialen Bestleistung.

15 Kommentare
  1. Torben sagte:

    Also Mike,

    versteh mich bitte nicht falsch, „Richterin Barbara Salesch“ oder auch von dir erwähnte Call-In-Sendungen sind natürlich absoluter medialer Bullshit.

    ABER, sollte man sich nicht Gedanken darüber machen, ob ein Sender wie Sat.1 oder auch ProSieben überhaupt Nachrichten senden sollten? Also ich kenn auch beim History-Channel, AXN oder von mir aus auch Warner Channel (um mal einen Haufen ausländischer Sender zu nennen) keine relevanten Nachrichtensendungen.

    Ich persönlich trauer diesen „abgesetzen“ Formaten aber so absolut GAR keine Träne nach. Darauf verlassen wollte ich mich ohnehin schon nicht, also wozu der ganze Trara?

  2. Kahuki sagte:

    Die Reaktionen haben ja nicht lange auf sich warten lassen. Allerdings gibt es ja da noch ganz andere Sender die sie eine Überprüfung verdient hätten

  3. Boris sagte:

    Nicht dass ich jemals Nachrichten in Sat1 geschaut hätte (warum hätte ich sollen?), aber die Abschaffung derselben ist schon erhellend.
    Für mich lässt das nicht zuletzt auch irgendwo auf ein bestimmtes Menschenbild bei den Verantwortlichen zurückschließen.

  4. prinzzess sagte:

    hm…das wird mir kaum auffallen…denn diesen sender gucke ich mehr als selten.
    aber die art und weise ist schon sehr auffällig.
    b*ld-mentalität, find ich.

  5. StoiBär sagte:

    Eben, wer guckt schon Unterschichtenfernsehen ;-) Ne im Ernst. Verloren haben die gegen die richtigen Nachrichtensendungen sowieso schon immer gehabt. Da kann man den dusseligen Fans von Richtersendungen und Co. auch gerne noch die restliche Zeit ihren Stumpfsinn geben.
    Gegenüber den Mitarbeitern ist es natürlich eine Frechheit, aber das ist eben immer so, wenn McKinsey ihre Studienabgänger schickt. Die haben noch nichts anderes gelernt als Einsparungen am teueren Personal. Qualität ist denen ein Fremdwort, dass sie an der Uni nicht gelernt haben.

  6. Mike Schnoor sagte:

    Es geht dabei nicht um Unterschichtenfernsehen oder überhaupt darum, ob Sat.1 sich als Sender für Nachrichten positionieren sollte. Auch ich habe nie diese Formate konsumiert, da ich eher auf die Tagesschau setze als auf solche Formate.

    Mich stört das Vorgehen gegenüber den Zuschauern und den Mitarbeitern enorm. Und es stört mich, dass die genannten Politiker erst dann aus ihrem kleinen Dornröschenschlaf aufwachen, wenn der (nicht perfekte) Journalismus flöten geht – aber keinen Piep sagen, wenn man den Zuschauer um sein Geld bei einigen Call-in-TV Sendungen prellt.

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  1. […] Anchorman künftig von Montag bis Freitag zwischen 20:00 und 20:15 Uhr. Setzt Sat.1 nach der Abkehr vom Journalismus wieder auf Inhalte und auf ein konkurrierendes Format zu der Tagesschau? Verwandte […]

  2. […] von der Größe von Holtzbrinck. Das konnte man bereits an der schamlosen Ekstase bei den Sat.1 Nachrichten sehen, dass der Journalismus für die Privatwirtschaft im Grunde genommen heutzutage nicht mehr […]

  3. […] und Zeitschriftenverlagen in der Regel eine gesunde Mischung ergibt. Bewußt zeichne ich die journalistischen Angebote einiger privaten TV-Anstalten hier nicht […]

  4. […] einen Seite die Nachrichtenformate “Sat.1 am Mittag” und “Sat.1 am Abend” ersatzlos streicht – wer braucht schon Nachrichten? – und keine 3 Tage später sich die Berichterstattung der Tour […]

  5. […] perfekte PR für die ARD und das ZDF. Der Anfang machte im Prinzip die Konkurrenz – mit dem Wegfall der Nachrichten bei Sat.1 rückten die öffentlich-rechtlichen Sender als journalistische Leitmedien […]

  6. […] sind schockiert. Die Informationsflut ist gebremst. Nachrichten verlieren ihre Wertigkeit zuerst bei Sat.1 und jetzt bei den Öffentlich-Rechtlichen. Vorläufiger Ausstieg von ZDF […]

  7. Karl Ranseier ist tot-medienblogger sagt:

    […] Mike Schnoor von Telegan Sicheltputzer sieht vor allem darin, wie die Geschichte von Seiten der Senderführung ablief eine Blamage. Hintergrund: Die Moderatoren von Sat.1 am Mittag seien während der Sender darüber informiert wurden, dass es die letzte Sendung sei (DWDL). […]

  8. […] bereits abgesetzt! (DWDL.De) => Anspruch Adé – Sat1 streicht Nachrichtenformate (DWDL.De) => Nachrichtenwertigkeit von Sat1 […]

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