Exklusiv: Erste Reaktionen der führenden Branchenverbände auf den Entwurf der „Digitalen Agenda“

, , ,
Dr. Oliver Grün (BITMi), Hannes Schwaderer (Initiative D21), Florian Nöll (BVDS) (v.l.n.r.)

In wenigen Wochen möchte die Bundesregierung die „Digitale Agenda“ vorstellen, die als netzpolitischer Fahrplan für die Legislaturperiode dienen soll. Gestern präsentierte das Politikmagazin „Netzpolitik.org“ einen aktuellen Entwurf des Regierungsprogramms. Daraus geht hervor, dass die „Digitale Agenda“ sieben Handlungsfelder identifiziert, unter anderem die Bereiche digitale Infrastrukturen, die digitale Wirtschaft, der innovative Staat, die digitale Gesellschaft, die Themen Forschung, Bildung und Kultur sowie Sicherheit, Schutz und Vertrauen für Gesellschaft und Wirtschaft. Wie beurteilen jedoch die führenden Branchenverbände diesen ersten Entwurf der „Digitalen Agenda“?

Fünf Kernthemen bilden im durchgesickerten Entwurf den Schwerpunkt für den Programmteil der Digitalen Wirtschaft. So möchte die Bundesregierung die Digitalisierung der Wirtschaft unterstützen und vorantreiben, die Junge digitale Wirtschaft unterstützen, einen zukunftsfähige Ordnungsrahmen für die digitale Wirtschaft fortentwickeln, die Arbeit in der digitalen Welt gestalten und die Energiewende und Green-IT voranbringen.

Am gestrigen Mittwoch fragte #DigiBuzz – Das Magazin für das Digital Business für seine Leser bei verschiedenen Branchenvertretern nach und veröffentlicht die Einschätzungen und Stimmen zur „Digitalen Agenda“ der Bundesregierung.

Dr. Oliver Grün (BITMi), Hannes Schwaderer (Initiative D21), Florian Nöll (BVDS) (v.l.n.r.)

Dr. Oliver Grün (BITMi), Hannes Schwaderer (Initiative D21), Florian Nöll (BVDS) (v.l.n.r.)

Der Bundesverband IT-Mittelstand (BITMi) e.V. fordert durch seinen Präsidenten Dr. Oliver Grün die Berücksichtigung des IT-Mittelstands als eigene Kraft der digitalen Wirtschaft: „Die Bedeutung des IT-Mittelstands als größter Arbeitgeber der digitalen Wirtschaft sowie Enabler und Innovationstreiber für eine zukunftsweisende Umsetzung der Digitalisierung sollte auch in der finalen Version der Digitalen Agenda dringend berücksichtigt bleiben. Wir sind zuversichtlich, dass hier ein notwendiger Schwerpunkt gesetzt wird.“

Auf die Anfrage von #DigiBuzz hin betont Hannes Schwaderer, Präsident der Initiative D21 e.V., die notwendige Chance zur Modernisierung der gesamten Gesellschaft und drängt auf ein Zusammenarbeiten aller beteiligten Kräfte: „Die Digitale Agenda der Bundesregierung bildet die strategische Grundlage für wesentliche Zukunftsthemen. Es freut uns sehr, dass die drängenden Fragen der digitalen Gesellschaft nun die verdient hohe Relevanz bekommen. Der aktuelle Entwurf wird nicht alle Fragen abschließend beantworten können. Die Veröffentlichung der Digitalen Agenda ist vielmehr der Auftakt für einen gesamtgesellschaftlichen Modernisierungsprozess, den es nun sinnvoll zu gestalten gilt. Dazu müssen alle Akteure zusammenwirken – Politik und öffentliche Einrichtungen, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Wir sind überzeugt, dass es einer gemeinsamen Vision bedarf, um die Chancen der Digitalisierung für alle zugänglich und nutzbar zu machen und begleiten diesen Prozess aktiv, als Partner von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. “

Kritischer hingegen urteilt Florian Nöll, Vorstandsvorsitzender im Bundesverband Deutsche Startups (BVDS) e.V., über den kursierenden Entwurf und hebt die noch mangelnde Unterstützung für junge Gründer, digitale Entrepreneure und ihre Startups hervor: „Wer große Erwartungen in die Digitale Agenda gesteckt hat, der muss feststellen, dass diese zumindest aus Sicht von Startups nicht erfüllt werden. Im Absatz zur Jungen Digitalen Wirtschaft finden sich keine Informationen, die nicht schon im Koalitionsvertrag vereinbart wurden. Eine Agenda muss jedoch eine klare Roadmap und konkrete Ziele beinhalten, wenn sie mehr sein will als eine Absichtserklärung.“

Nico Lumma (D64), Jürgen Doetz (VPRT) und Oliver Süme (eco) (v.l.n.r.)

Nico Lumma (D64), Jürgen Doetz (VPRT) und Oliver Süme (eco) (v.l.n.r.)

Nico Lumma, Co-Vorsitzender bei D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt e.V., findet ebenfalls kritische Worte und fordert eine Anpassung an die gesellschaftliche und technologische Realität: „D64 begrüsst die Anstrengungen der Bundesregierung ausdrücklich, im Jahr 2014 endlich eine digitale Agenda zu formulieren. Mindestens 10 Jahre zu spät, aber immerhin. Allerdings wäre etwas mehr Mut angebracht. Wir fordern Gigabit-Ethernet als Ziel des Breitband-Ausbaus und nicht vergleichsweise mickrige 50 mbit/s! Weiterhin fordern wir ein Umdenken beim Einsatz von Hardware bei der kritischen Netzinfrastruktur und schlagen daher ein No-Spy-Siegel vor!“

Für Contentindustrie und Kreativwirtschaft, die als integrale Bestandteile der digitalen Wertschöpfungskette gelten, findet Jürgen Doetz, Mitinitiator und Koordinator der Deutschen Content Allianz und Bevollmächtigter des Vorstandes des Verband Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) e.V., deutliche Worte: „Inhalte müssen ein zentraler Bestandteil der Digitalen Agenda werden. Zugang, Auffindbarkeit, aber auch die Weiterentwicklung des Rechtsrahmens und der Durchsetzung von Urheber- und Leistungsschutzrechten sind wesentliche Voraussetzungen dafür, digitale Infrastrukturen attraktiv zu machen. Digital sind nicht nur IKT-, sondern auch Kultur- und Kreativindustrien. Eine digitale Agenda, in die die Kultur-und Kreativwirtschaft nicht eingebunden wird, krankt an der mangelnden Werthaltigkeit und damit der Akzeptanz in einer digitalen Gesellschaft. Hier fehlt dem Entwurf noch die Balance.“

Zwar wollte sich der eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. auf Anfrage von #DigiBuzz nicht direkt zum veröffentlichten Entwurf der „Digitalen Agenda“ äußern, verwies hingegen auf die kürzlich veröffentlichte „Netzpolitische Halbjahresbilanz“. Dort kritisierte Oliver Süme, Vorstand Politik und Recht im eco: „Bislang ist es der Bundesregierung nicht gelungen, ihre im Koalitionsvertrag angekündigten ambitionierten Pläne in Form einer strategischen und kohärenten „Digitalen Agenda“ umzusetzen. Nach wie vor fehlt der rote Faden. Die Bundesregierung steckt im netzpolitischen Konzeptstau. Es gibt aktuell vielleicht kein anderes Politikfeld mit einem so großen Gestaltungsspielraum wie die Internet- und Netzpolitik. Diesen Gestaltungsspielraum füllt der Gesetzgeber derzeit nicht aus. Ich vermisse eine ganzheitliche Perspektive darauf, wie die Bundesregierung den vielfältigen Herausforderungen der Digitalisierung künftig begegnen will.“

Fazit
Für die Mehrheit der befragten Verbände greift der veröffentlichte Entwurf der „Digitalen Agenda“ noch nicht weit genug. Einerseits werden die jeweiligen Interessen der Mitglieder bei weitem noch nicht durch die Entwurfsfassung abgedeckt. Andererseits liegen neben den unerfüllten und teils in die Jahre gekommenen Vorstellungen der Bundesregierung vor allem auf gesellschaftspolitischen Ebene sehr viele Steine im Weg. Diese durchaus überwindbaren Baustellen und teils fehlenden Kenntnisse von der Digitalen Wirtschaft müssen schnell beseitigt werden. Nicht nur die Netzpolitik muss in Deutschland mit einer „Digitalen Agenda“ einen guten Job machen, sondern die gesamte digitale Strategie für einen der größten Wirtschaftsräume in der Europäischen Union muss zukunftssicher auf Digitalisierung eingenordet werden.

#DigiBuzz – Das Magazin für das Digital Business richtete seine Anfrage zudem an: Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) e.V., Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V., BITKOM – Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. und den Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) e.V.. Bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels lagen noch keine Antworten der Verbände vor.

Nachtrag: Erst einige Tage später veröffentlichten BITKOM und BVDW ihre Stellungnahmen…

1 Kommentar

Trackbacks & Pingbacks

  1. […] klare Roadmap und konkrete Ziele beinhalten, wenn sie mehr sein will als eine Absichtserklärung. (DigiBuzz, […]

Kommentare sind deaktiviert.