Klout als Einstellungskriterium: Im Personalwesen lieber Finger weg von diesem Indexwert!

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Ein paar bissige Worte gefällig? Klout ist lächerlich. Klout sagt absolut nichts über einen Menschen aus. Klout besitzt ein gefährliches Potenzial. Von wegen „Trends im Personalmarketing“! Niemals darf ein so leicht modifizierbar, damit durchaus beeinflussbarer Indexwert als grundsätzliches Einstellungskriterium von potenziellen Bewerbern dienen.

Im Grunde genommen besitzt Klout anfänglich einen positiven Charme. Klout liefert leicht nachvollziehbare Antworten auf die gängigen Fragen im Sinne der Online-Reputation: Wie kann man den Einfluss von einzelnen Nutzern und Multiplikatoren messen? Welche potenzielle Reichweite besitzen einzelne Online-Profilen? Diese durchaus notwendige Messung des Einflusses von Online-Profilen erfolgt anhand einer Kennzahl, dem „Klout Score“. Klout bewertet somit den jeweiligen Einfluss eines Menschen anhand der Veröffentlichungen in Social Media und kombiniert diese Daten mit den jeweiligen Bewertungen und Reaktionen anderen Nutzern. Der Klout Score berücksichtigt dafür die Reichweite (True Reach) auf echte Menschen, die Verstärkung (Amplification) als Verbreitungsgrad in Korrelation zum Netzwerk (Network). Die Datengrundlage wird aus Tweets, Facebook Postings, Google+ Inhalten, Foursquare oder Blogposts und weiteren Quellen zusammengeführt, die der Nutzer freiwillig in seinem eigenen Klout-Profil angeben kann. Anhand dieser üblicherweise öffentlich frei zugänglichen Daten stellt diese Messung mittlerweile auch keine große Herausforderung mehr dar – so gibt es neben Klout auch Anbieter wie Peerindex, Pinfluence oder Kred. Alles schön und gut, man kann die Aktivitäten einzelner Menschen in Social Media messen. Endlich ist es vorbei mit der jahrelangen Dunkelkammer, jetzt heißt es raus an die Luft!

Aber die potenzielle Bewertbarkeit eines Menschen hat auch Nachteile. So hört man in letzter Zeit immer wieder solche spannenden Meldungen: Bewerber aufgrund zu geringem Kloutscore abgelehnt. Kloutscore von 50 gilt als Voraussetzung für einen Job. Karriere im Unternehmen nur möglich mit Kloutscore über 75. Kandidat kannte Klout nicht: Einstellung abgelehnt. Mit allem Respekt, aber ticken manche Leute da draußen nicht ganz?

Dieser illustre Indexwert sagt auf der Skala von 0 bis 100 nur dann etwas über einen Nutzer aus, wenn viele verschiedene Online-Profile dem einen Klout-Profil zugeordnet sind. Die einfließenden Werte sind messbar. Dafür und nur dafür ist Klout ein akzeptables Mitteln zum Zweck. Mehr aber auch nicht. Wozu sollten qualifizierte Fachkräfte, potenzielle Mitarbeiter oder junge Nachwuchstalente sich auf einen Job und damit einen Arbeitgeber einlassen, bei dem ein nicht repräsentativer Indexwert über die berufliche Zukunft entscheidet? Zwar kann man mit Klout einen Bewerber auf seinen Vernetzungsgrad im Social Web einschätzen, also „initiale Grundlagenforschung“ über einen Kandidaten betreiben. Aber zu mehr ist Klout nicht fähig. Empathie und Zwischenmenschlichkeit, Stärken und Schwächen, echtes Interesse und Loyalität – oder Heuchelei und Lügen: Klout wirkt eher wie eine rosarote Brille, mit der manche Menschen wie unter Drogeneinfluss scheinbar wissen zu vermögen, was einen Menschen überhaupt ausmacht.

Nur weil findige Personalentscheider in den USA die neue Methode über Klout für ihre Zwecke entdeckt haben, heißt das bei weitem nicht, dass dieser Unsinn auch in Deutschland überhaupt funktionieren kann. Hier in Deutschland herrschen nämlich andere Grundmechanismen bei der Nutzung von Social Networks als in den USA. Wer sich auf eine Stelle mit Referenz zum Klout Score bewirbt, kann im Vorfeld und bei der langwierigen Entscheidungsfindung sogar manipulativ den Indexwert beeinflussen, sodass die letzten 90 Tage in der Statistik des Nutzerprofils ein positives Bild zeigen. Wenn Menschen ständig im Social Web ganz viele Links teilen, sich mit allen Leuten austauschen, gar von eigenen Zweitaccounts die eigenen Inhalte favorisieren, liken und retweeten – nun, probiert es mal aus: Der Klout Score steigt! Wer aber für zwei Wochen in den Urlaub fährt, etwas länger aufgrund eines Unfalls arbeitsunfähig ist oder ein reiseintensives Arbeitsleben pflegt – schon neigt der Nutzer dazu, deutlich weniger im Netz zu veröffentlichen. Die Tendenz aus diesem Nutzerverhalten liest sich bei Klout schneller ab als man erwartet: Der Klout Score fällt!

Klout Score

Ein einfacher Grundgedanke sollte eigentlich im Vorfeld verhindern, dass diese Anmaßung, einen Indexwert in die Personalentscheidung mit einfließen zu lassen, hier in Deutschland Land gewinnt: Das Mediennutzungsverhalten der Bundesbürger besitzt andere Schwerpunkte als in den USA. Das gilt natürlich auch für jeden erdenklichen Kandidaten auf eine interessante Stellenausschreibung. Deutsche Nutzer sind weitaus eher als die US-Bürger für das Thema Datenschutz sensibilisiert. Wir neigen dazu, unsere Präsenzen in den Netzwerken vor der Öffentlichkeit abzuschotten. Wir teilen die Inhalte dabei deutlich restriktiver, nur damit wir uns nicht mit jedem Pieps in Social Networks bereits ins Visier mancher Abmahner bewegen. Wir Deutsche machen nicht jeden Trend aus Übersee von heute auf morgen mit. So kann es passieren, dass manch ideale Kandidaten von einer Stellenanzeige abgeschreckt werden könnten, die eindeutig auf den Klout Score abzielt. Schon allein deswegen gilt es bei Personalentscheidungen: Finger weg von Klout!

Zudem bewegen sich meiner Meinung nach alle Personalentscheider, die in ihren Stellenanzeigen auch nur ein Wörtchen von Klout als Einstellungskriterium schreiben, weit tiefer in der Grauzone hinsichtlich der Frage nach der Diskriminierungsfreiheit. Man stelle sich nur vor, wenn qualifizierte und geeignete Bewerber abgelehnt werden würden, egal ob Männlein oder Weiblein, nur weil der Klout Score nicht 55 sondern doch nur 43 Punkte beträgt. Das könnte ein spannender Fall an den Arbeitsgerichten werden. Lieber die Finger weg lassen, wenn es um die Besetzung von Stellen mit qualifizierten Leuten geht. Schließlich zeigt Klout im Grunde genommen nur den öffentlich sichtbaren Vernetzungsgrad auf – und damit sogar, wie oft jemand seine Arbeitszeit im Social Web verschwenden könnte, um den Klout Score weit oben zu halten. Was für ein krankes Szenario! Lasst euch nichts aufzwingen – auch nicht mein Profil mit einem derzeit wackeligen Klout Score von 61. Es gibt wesentlich wichtigere Dinge, als dass ein Indexwert irgendeinen Einfluss auf einen Menschen nehmen sollte. Auch nicht für die Online-Reputation. Denn Klout zeigt nur einen Bruchteil dessen an, was den Menschen im Kern ausmacht – auch in puncto Karriere, Qualifizierung, Fachkenntnisse und Menschlichkeit.

10 Kommentare
  1. Martin sagte:

    Mike, sehr gute Gedanken und deckt sich sehr stark mit meiner Einstellung zu Klout. Letzte Woche haben wir in Amsterdam auf der PerfectStormEurope auch darüber diskutiert und es war erschreckend, wie undifferenziert der Wert von Klout von internationalen HR’lern glorifiziert wurde. Vor langer Zeit habe ich mal über eine Personal Scoring Index philosophiert. Vielleicht wäre das eher ein Ansatz… http://www.thestrategyweb.com/personal-scoring-index-the-future-of-digital-identity

  2. Christina sagte:

    Schleierhaft ist mir vor allem, warum Aktivität in Social Media überhaupt ein Kriterium bei der Einstellung sein sollte, wenn man sich nicht gerade als Social Media Manager bewirbt. Als Arbeitgeber würde mich mehr interessieren, ob eine Fachkraft sich auf dem Laufenden hält, sprich ab und zu mal einen Blogbeitrag zu Ende liest, statt selbst haufenweise Tweets abzusetzen. Aber ich denke, diese merkwürdige Verirrung wird der Fachkräftemangel früher oder später ohnehin obsolet machen.

  3. KP sagte:

    Wenn man einen Klout Score von 58 hat und aber Ende 40 ist, gibt es dann Bonuspunkte? ;-)

    Ich denke, dass es viele Fans solcher Punktwerte gibt. Was einem auch immer wieder begegnet ist: Erst ein Punktesystem für die Bewertung installieren, dann Nachfrage schaffen, um dann im Nachhinein zu erklären, dass Menschen ja einen Punktewert haben wollen…

  4. Mike Schnoor sagte:

    @Martin – Danke für den Hinweis. Die Glorifizierung von Klout liegt evtl. auch nur darin begründet, dass die HR’ler endlich ein neues Thema gefressen haben. ;)

    @Christina – Bei angehenden Social Media Managern macht es gewiss Sinn, anhand dieser Indexwerte eine grobe Einordnung zu haben – aber eben kein Einstellungskriterium. Zudem sind private Social Media Aktivitäten nicht annähernd mit beruflichen Aktivitäten gleichzusetzen.

    @KP – Alles fängt bei Schulnoten an. Da haben wir schon die Punktebewertung, die seit Urzeiten gelebt wird. Aber immer wieder etwas neues zu finden wie jetzt bei Klout – nein danke.

  5. Manu sagte:

    Gibt es denn Fälle in Deutschland, bei denen Klout ein Einstellungskriterium ist bzw. war?
    Das würde dann ja nicht gerade von Online-Verständnis zeugen…

    Sich Klout allerdings als Richtwert für einen ersten Überblick, insbesondere im SoMe-Bereich, zu bedienen halte ich aber für durchaus vertretbar…

  6. Mike Schnoor sagte:

    @Manu – Aus Deutschland ist mir bislang noch kein expliziter Fall bekannt. Man hört ja immer von der Story über einen qualifizierten Herren, der im Bewerbungsgespräch für Social Media (oder Kommunikation) in den USA auf seinen Klout Score angesprochen wurde, davon aber nichts wusste, dann nach einer Prüfung nur im 30er Bereich lag und von einer jungen Nachwuchskraft mit „Ich twittere wie verrückt“-60er Score ausgestochen wurde.

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