Kann das Leistungsschutzrecht neue Probleme für Presseportale bringen?

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Die Faszination für die Medienwelt beinhaltet keineswegs, dass man seine Seele an jemanden verkauft oder gar intimste Details preisgibt. Unlängst hat sich weit über Fachkreise hinaus die Erkenntnis verbreitet, dass die traditionellen Medienhäuser mit starkem Andrang versuchen, ihre digitalen Geschäftsfelder zu Geld zu machen. Das Zauberwort namens „Monetarisierung“ kann über verschiedene Mittel und Wege erreicht werden. Künftig soll dies auch über das Leistungsschutzrecht definiert werden. Doch was bedeutet dies für Verlage, wenn sie einige ihrer ausgewählten Texte als Pressemitteilung verbreiten wollen?

Neben bekannten Ritualen des Paid-Content, der ganz klassischen Bezahlschranke, oder gar dem Wunsch eines Leistungsschutzrechts bei der auszugsweisen Einblendung von Verlagscontent erfolgt die Monetarisierung der redaktionellen Inhalte gerne über Public Relations. Dabei gilt in jedem Fall zu respektieren, dass eher selten ein Online-Nutzer zum aktiven Abonnenten des passenden Printtitels konvertieren wird. Vielmehr dient diese PR für redaktionelle Inhalte zur Erhöhung der Werbeauslieferung auf der hauseigenen Website. Im Fall der Online-Ableger von Print-Erzeugnissen ein teils notwendiges Übel. Zusätzlich zahlt gelungene PR in gewisser Weise auf den Mehrwert-Charakter des Journalismus ein, für den ein Verlag einsteht – schließlich erfüllen exklusive oder hochgradig attraktive Artikel diesen Anspruch auf Seiten der Leser. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sollte zumindest für jedes größere Medienhaus zum guten Ton zählen. Schließlich erfreut es die Mitarbeiter, wenn andere Medien über das eigene Unternehmen respektive Medium und Presseorgan berichten – und im Sinne des Qualitätsjournalismus die Quelle ordnungsgemäß nennen.

Verlage lieben Pressearbeit über ihre Dienstleister

Mit einem interessierten Blick dürfte jeder Leser feststellen, dass Artikel der Medienhäuser recht häufig über den berüchtigten Ticker laufen. Gemeint ist dabei nicht über die dpa als massiver Distributor der deutschen Medienlandschaft, sondern vielmehr über die hauseigene Tochterfirma newsaktuell/ots, die vornehmlich auf den Presseversand spezialisiert ist. Alternativ wird ddpdirect von der DAPD genutzt. Auch manche freie Presseportale wie OpenPR oder Firmenpresse werden gerne und häufig von Verlagen zur kostenfreien Verbreitung und damit kleinen SEO-Optimierung ihres Verlagstitels genutzt. Wer genau nachschaut, findet auf diesen Portalen sehr viele Verlage oder Zeitungen mit eigenen Online-Pressefächern, die teilweise vortrefflich gepflegt werden. In regelmäßigen Abständen geben die Redaktionen, meistens die Chefredaktion oder Ressortleitung, zu eigens entwickelten Stories oder dem exklusiven Scoop der aktuellen Ausgabe eben jene kurze Pressemeldung heraus, die den Artikel und das Blatt manches Mal über den Klee lobt. Darin enthalten ist erfahrungsgemäß ein kurzer Auszug oder ein vollständiger redaktioneller Artikel.

Zumindest in den letzten Monaten setzten verschiedene Presseorgane auf die Verbreitung eigener Pressemitteilungen, die redaktionelle Artikel verschiedenster Blätter proklamierten – um einige davon zu nennen: Aachener Nachrichten, Berliner Morgenpost, Börsen-Zeitung, Der Tagesspiegel, Flensburger Tageblatt, Frankfurter Neue Presse, Freie Presse (Chemnitz), Fuldaer Zeitung, General-Anzeiger, Hamburger Abendblatt, Kölner Stadtanzeiger, Lausitzer Rundschau, Leipziger Volkszeitung, Lübecker Nachrichten, Märkische Oderzeitung, Mindener Tageblatt, Mittelbayerische Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung, Neue Osnabrücker Zeitung, Neue Presse Hannover, Neue Westfälische (Bielefeld), Neues Deutschland, Ostsee-Zeitung, Ostthüringer Zeitung, Rheinische Post, Rhein-Neckar-Zeitung, Stuttgarter Nachrichten, Südwest Presse, Trierischer Volksfreund, Weser-Kurier, Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Westdeutsche Zeitung, Westfalen-Blatt, Westfalenpost.

Pressearbeit gehört zum guten Ton für Verlage

Soweit so gut. Das kennt man, das liest man, das ignoriert man gerne manchmal. Zu besagtem guten Ton gehört für Verlage aber nicht nur der PR-Versand eigener Artikel hinzu. Nein, seit geraumer Zeit hat die Lobbyarbeit pro Leistungsschutzrecht einen hohen Stellenwert eingenommen. Nun soll eben jenes Leistungsschutzrecht dafür Sorge tragen, dass gewerbliche Anbieter im Netz, wie Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren, in Zukunft für die Verbreitung von Presseerzeugnissen im Internet die Verlage mit einem Entgelt entlohnen bzw. an den darüber generierten Einnahmen beteiligen sollen. Aber was machen dann die unzähligen Presseportale, welche ausschließlich Pressemitteilungen als Content anbieten, zu denen selbstredend die hauseigenen Verlagsmeldungen zählen?

Das Dilemma, in dem sich künftig die Presseverantwortlichen unter den Blattmachern befinden werden, ist unausweichlich: Eine Pressemitteilung ist faktisch ein redaktioneller Beitrag mit informativem Charakter. Wer diese Informationen als Pressemitteilung versendet, ist der redaktionelle Urheber, und damit bei Verlagen der Verlag selbst. Pressemitteilungen von Verlagen unterliegen damit dem angepriesenen Leistungsschutzrecht.

Leistungsschutzrecht als Problem für Betreiber von Presseportalen

Gehen wir von dieser einen Milchmädchen-Rechnung aus, kommen damit die ganzen Presseversender und Presseportale ziemlich stark mit dem Leistungsschutzrecht in Berührung. Müssen nun wohl die Presseportale pro angezeigte Nachricht aus einer Verlagsredaktion bezahlen, obwohl diese ganz bewusst von den Verlagsmitarbeitern in die Portale gestellt wurde? Die Tatsache, dass Presseportale sehr oft gegen ein Entgelt den Presseversand an tausende Journalisten ermöglichen, müsste bei den Verlagen für die damit äußerst gezielte Verbreitung ihrer Pressemitteilungen bzw. redaktionellen Berichte einen Anspruchsgrund im Sinne des Leistungsschutzgesetzes darstellen.

Vielleicht male ich ja den Teufel an die Wand, aber sobald ein solches Leistungsschutzrecht rechtmäßig wird, kommen die Forderungen. Diese werden schlimmstenfalls anhand rein automatisierter Listen über die Rechtsabteilung ausgespuckt. Die Listen kämen dann über einen Bot oder Crawler, der das Netz nach markanten Textpassagen der redaktionellen Artikel durchwühlt. Ein schöner Super-Gau für die Pressestellen der Verlage: Ihre eigenen Texte werden den Portalen zum Verhängnis. Also muss seitens der Betreiber im Idealfall ein Riegel davor geschoben werden.

Potenzieller Lösungsansatz gegen Forderungen?

Würde ich ein Presseportal betreiben, das von Verlagen zur Verbreitung ihrer hauseigenen Pressetexte genutzt wird, wäre ich gut darin beraten, einen zusätzlichen Opt-In vor der Annahme des Verbreitungsauftrags für die jeweiligen Pressemeldungen einzuführen: „Mit dem Absenden der Pressemitteilung versichere ich, dass der Betreiber des Presseportals XXX sowie von der Nutzung der Pressemitteilung seitens Dritten frei von jeglichen Ansprüchen sind, die unter das Leistungsschutzrecht fallen.“ – oder so ähnlich. Ansonsten keine Pressemitteilung von Verlagen. Zumindest als Nicht-Jurist fände ich eine solch entsprechende Formulierung hilfreich und wegweisend, damit die Presseportalbetreiber in erster Linie und Portale mit Drittverwertung der Pressemitteilungen in zweiter Linie sowie insbesondere Journalisten und Redaktionen im Allgemeinen auch die Pressetexte der Verlage weiter nutzen dürfen – ohne in eine potenzielle Kostenfalle zu geraten und mit diesem verrückten rein deutschen Problem des Leistungsschutzrechts in Konflikt zu geraten. Im Fall von Google kann man ähnlich wie kürzlich in Belgien vorgehen, und die das Leistungsschutzrecht nutzenden Verlage konsequent aussperren. Pustekuchen mit den Forderungen, dann findet die Online-Seiten der Verlage niemand mehr wieder… ;)

4 Kommentare
  1. Nicola Wohlert sagte:

    Hallo Herr Schnoor! Erstmal herzlichen Dank für das Blogpost! Ein Thema, das uns natürlich beschäftigt. Mal sehen, was da tatsächlich auf uns zukommt.

  2. Sebastian Einbock sagte:

    Guten Tag, ich habe auch gerade diesen Beitrag gelesen und finde ihn sehr interessant. Die Weiterverwendung von Pressemitteilungen für die eigene Webseite könnte man aber aus meiner Sicht mit einem stillschweigenden Einverständnis durch die PM-Versender gedeckt sehen. Man stelle sich auch den Aufschrei im Web vor, wenn auf einmal massenhaft Nutzer der eigenen PMs abgemahnt würden. Da hätte man als PM-Versender schnell ein richtig tolles Image im Web.

    Um dieser Problematik bei unseren eigenen Pressemitteilungen über das Web aus dem Weg zu gehen, erteilen wir daher grundsätzlich im Boilerplatetext die Erlaubnis zur Weiterverwendung. Ich denke, dass das vermehrt Standard werden könnte! Jeder wünscht sich doch die Verbreitung seiner Meldung. Vor allem auch mit Links zur eigenen Homepage. Der Mustertext von uns lautet so:

    Sie können diese Pressemitteilung – auch in geänderter oder gekürzter Form – mit Quelllink auf www. meinemusterwebseite .de auf Ihrer Webseite kostenlos verwenden.

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  1. […] Kann das Leistungsschutzrecht neue Probleme für Presseportale bringen?: Mike Schnoor fragt sich, was das schwelende Leistungsschutzrecht für die Presseportale bedeuten könnte. Sein Lösungsvorschlag: Opt-In – wer seine Beiträge auf einem Presseportal veröffentlicht sehen möchte, muss eine Erklärung abgeben und von Forderungen aus dem LSR zurücktreten. Ein interessanter Gedanke, der aber wohl kaum die Zustimmung der Lobbyisten bekommen dürfte… […]

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