Digitale Werbung vs. digitale Nutzer
Werbung dient vielen etablierten Online-Medien zur Refinanzierung. Ein klarer Fall von gelernten Wertschöpfungsketten, bei denen es im Grunde genommen nur um die Daten und die Aufmerksamkeit der Nutzer geht. Diese zu erhalten wird aber in Zeiten der Digitalisierung immer schwieriger. Schließlich haben die Nutzer ihre Macht erkannt und lernen, von ihr Gebrauch zu machen.
Die längst überfällige Neupositionierung ihrer Marken für einen digital erreichbaren Konsumenten haben viele Werbetreibenden immer noch nicht umgesetzt. Ihre Verluste im klassischen Mediamix werden behelfsmäßig durch digitale Strategien kompensiert, die sich meistens um Display Advertising und Facebook Fanpages drehen. Gerade die Budget-Zuschüsse in die Online-Werbestrategie werden durch die ewige Diskussion um Wirksamkeit und Leistungsnachweise für digitale Werbekampagnen gehemmt.
Programmatic treibt die Preise auch in den Keller
Während in Gremien die Debatte ausgefochten wird, wartet der Markt seit Jahren auf konkrete standardisierte Ergebnisse. Stattdessen werden einzelne Erfolge von einigen wenigen Marktakteuren medial inszeniert, die jedoch für die breite Masse an Unternehmen keine Vorteile schafft. Selbst wenn die Werbebudgets in vollautomatisierte Programmatic-Advertising-Systeme mit genauen Leistungsnachweisen fließen, taumeln die Anzeigenpreise immer weiter in einer endlosen Abwärtsspirale nach unten. Ein freier Fall der Marktpreise wirkt gerade in Zeiten klammer Werbebudgets wie eine stahlharte Fußfessel.
Obendrein steigt die Anzahl von Nutzern, die sich gegen Werbung ausspricht. Was passiert eigentlich im Kopf, wenn die Nutzer nicht mehr von Overlays, Interstitials, Pop-Unders, Rollups und Video Ads überrollt werden? Redaktionelle Inhalte und Anzeigen gehören bekanntlich zusammen wie Pech und Schwefel, sie werden jedoch durch den bewussten Eingriff der Nutzer so voneinander getrennt, dass nur der Inhalt den Vorzug bekommt. Ein Selbstversuch macht es möglich: Wer einen Monat ohne Werbung, bewaffnet mit einem AdBlocker-Plugin, durch das Netz surft, kennt kaum noch Werbekampagnen und die Marken dahinter.
Social-Media-Plattformen zu bashen hilft nicht weiter
Ja, sowohl Medien als auch Marken haben es in der digital vernetzten Kommunikationswelt nicht leicht. Der Konsument ist ein mündiger Nutzer, der selbst entscheidet, statt willig den Einheitsbrei zu fressen. Anstatt eigene Probleme anzugehen, wird lieber der Erfolg anderer Marktakteure kritisiert. Umparken im Kopf lautete das Motto einer Autowerbung, das sich die Marken und Medien hinter die Ohren schreiben sollten. Ihr Vorgehen ähnelt dem Stolzieren bei einem Hahnenkampf – eine blutige Nase ist garantiert. Hinzu gesellt sich das ewige Stänkern gegen Facebook, Twitter und Youtube, die als Konkurrenten betrachtet, aber nicht als Lösungsansatz verstanden werden. In Folge dessen erstarken diese Plattformen und Services zu den größten und relevantesten Playern am Markt. Sie erfahren so die größte Akzeptanz der Nutzer.
Die einst großen Online-Portale müssen sich dagegen mit dahinsiechenden Zugriffszahlen zufrieden geben. Anstatt sich gegenseitig zu bekämpfen und sich in einem Grabenkrieg einzukesseln, müssen Medien und Marken diese Netzwerke intelligent nutzen, um an Daten und Aufmerksamkeit zu gelangen. Und wieder wird auf digitale Werbung gesetzt.
Echtzeit-Werbung stößt mobile an die Grenzen
So ist die Steuerung digitaler Werbung mit Realtime Advertising in vollem Gange. Jedoch stößt dieses System von datenbasierten Automatismen beim Handel von Display-Werbung an ihre Grenzen. Denn die Mediennutzung verlagert sich zunehmend in ein mobiles Netz. Während Smartphones und Tablets immer mehr Nutzer gewinnen, geht der klassische Informationskonsum am Desktop zurück. Display Advertising am Mobile Screen wirkt jedoch grenzwertig und entpuppt sich als Versuch der Werbebranche, die in absehbarer Zukunft schwindenden Einnahmen zu kompensieren. Der mobile Nutzer erwartet mehr als nur platte Werbelayer – vielleicht sogar diesen sagenumwobenen Inhalt, den Content, der es wert ist, bezahlt zu werden. Die Variante Minibanner auf Smartphones kann auf Dauer nicht funktionieren. Dafür befinden sich der Markt und seine Nutzer in einem Lernprozess der digitalen Evolution.
Nutzer wollen konsumieren, Online-Medien müssen monetarisieren
Für Medien steht nicht der Inhalt allein im Vordergrund, sondern doch eigentlich die Monetarisierung der Inhalte. Hingegen wollen die Nutzer die Inhalte konsumieren und bezahlen im Gegenzug mit ihren Daten und ihrer Aufmerksamkeit. Mit am Tisch sitzen Vermarkter, Mediaagenturen und die Werbetreibenden, die als Intermediäre bemüht sind, die Konsumenten auszunutzen. In Zukunft wird dies schwerer gelingen, denn Online-Werbung wirkt nicht nur extrem ausgelutscht. Nein, sie begeistert die Konsumenten einfach nicht mehr. Die Branche steuert definitiv unsicheren Gewässern entgegen, obwohl ihre Technologie immer besser wird.