Angriff auf digitales Geoblocking: Zuckerbrot und Peitsche!

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Digitalisierung bringt oft mehr als nur eine Sichtweise auf Veränderungen mit:  Mal läuft vieles harmonisch ab, mal greift man zu schmutzigen Mitteln – und am Ende wirkt doch jegliches Bestreben einfach zu herausfordernd. Vor allem bei der Verfügbarkeit von Bewegtbild- und Musikinhalten ist ein Spagat zwischen Industrie und den Nutzern in vielen Fällen kaum möglich.

Die Forderung war eine lange Zeit nur ein Wunschszenario: Musik- und Filmindustrie müssen endlich von länderbasierten Lizenzen absehen. Bislang hatten die Internetnutzer das Nachsehen, wenn sie massentaugliche, digitale Inhalte konsumieren wollten. Filme, Serien und Musikinhalte – alles ist leider in genau deinem Land nicht verfügbar, weil die nationalen Lizenzen nicht erteilt wurden. Digitale Inhalte sind für dich nicht mehr zur Nutzung freigegeben, sobald jemand Deutschland für einen Umzug oder für den Urlaub verlässt. Solche Einblendungen und Warnhinweise nerven die Internetnutzer seit Jahren.

 

Digital Rights Management und allen voran das Geoblocking gelten als überreife Früchte und Beweis für die Unfähigkeit ganzer Industriebranchen, die digitale Transformation frühzeitig erkannt und verstanden zu haben. Kein Wunder, dass Apple, Google und Amazon sich auf diesen Märkten mittlerweile sehr wohl fühlen. Der digitale Binnenwettbewerb in Europa leidet unter den Folgen der einstigen Engstirnigkeit mancher Lobbyisten.

 

Das Aus für Geoblocking?

Immerhin möchte die Europäische Kommission jetzt das alte Prinzip der nationalstaatlichen Offlinestrategie, dem territorialen Rechtsrahmen endlich den Rücken kehren. Die künstlichen Ländergrenzen im Internet sollen der Verfügbarkeit von Inhalten weichen. Das Aus für Geoblocking rückt in greifbare Nähe, wenn auch die Verwertungsgesellschaften brav mitspielen. Sie gelten schließlich als Dinosaurier der Content-Industrie und versuchen ihr unvermeidliches Aussterben in die Länge zu ziehen.

 

Der vehemente Rechtsstreit zwischen der Videoplattform YouTube und der Musik-Verwertungsgesellschaft GEMA könnte durch die EU-Kommission mitunter zu einer Einigung gebracht werden. Denn in Europa hochgeladene Videos sollen keinen länderspezifischen Einschränkungen unterliegen. Wäre es nicht ein leichtes, ein Musikvideo nicht aus den USA, sondern vom europäischen Festland auf YouTube zu kopieren?

 

Eine De-Regulierung der Content-Märkte kann der digitalen Wirtschaft sehr gut helfen. Wenn die Nutzer die Medieninhalte künftig frei über die Ländergrenzen hinweg konsumieren können, also ein YouTube-Video überall betrachten können, darf sich dann nicht die Werbewelt gleichermaßen freuen? Ja klar, sobald die Sperren für bestimmte Inhalte wegfallen, muss der neu verfügbare Content im Regelfall monetarisiert werden.

 

Vorsicht vor Übermut

Bevor jedoch die Werbewelt frohlocken darf, sollte eines klar sein: Dieser zusätzlich Schub durch ein Plus an vermarktbarem Inventar wird keine exorbitanten Spitzenwerte in den Umsätzen von Digital Advertising erzielen. Es wird nur etwas mehr und die Zeit der Nutzer, in der sie Inhalte konsumieren, wird nicht gravierend ansteigen. Natürlich wird Google einen Löwenanteil an den Werbeeinnahmen über YouTube-Videos erhalten und manche Inhalte bleiben über ein Abo-Modell einfach werbefrei, aber das ist auch gar nicht so schlimm. Denn alle Akteure partizipieren an einem erweiterten Inhaltsangebot, das auf Geoblocking verzichtet und somit die Tür für Monetarisierung öffnet. Vielleicht erfolgt dies alles irgendwann auch ohne die Verwertungsgesellschaften und Zwischenhändler, wenn die Künstler direkt und ohne Plattenlabels am Werbeumsatz beteiligt sind. Schließlich verhindert Geoblocking ebenfalls, dass Live-Übertragungen von Fußballspielen aus anderen Ländern zugänglich sind.

 

Wenn Dieter Gorny doch nur nicht als Beauftragter für die kreative und digitale Ökonomie kürzlich ernannt wäre. Die EU möchte das Zuckerbrot in Form eines harmonisierten Rechtsrahmens bringen, aber Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel schwingt lieber die nationale Peitsche mit der Rückbesinnung auf das geistige Eigentum und Urheberrecht. Vielen Dank für diese perfide Kontroverse!