Inkognito: Der ultimative Premium-Service in Social Media

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Wer kennt das Problem nicht? Sobald man diverse Social-Media-Dienste intensiv nutzt, hinterlassen wir reihenweise Spuren auf den Profilseiten anderer Nutzer. Schnell erfolgt ein unbedachter Klick auf ein Profilfoto – schon erhält der betroffene Nutzer das vermeintliche Signal, man wäre an dieser Person grundlegend (beruflich) interessiert. Das hört sich nicht nur ein wenig nach Business Netzwerken an, sondern ist gängiger Alltag bei XING und LinkedIn. Als Portalbetreiber bieten beide Unternehmen wiederum unterschiedliche Preismodelle für die Premium-Services an, um uns das digitale Leben zu versüßen. Aber kommt es beim Networking nicht auf nur einen einzigen Premium-Service an?

Naturgemäß bieten viele Portale ihren Nutzern ein kostenfreies und meist durch Werbung refinanziertes Online-Angebot an. Nachrichtenportale liefern genügend kostenfrei erhältlichen Content und klassische Freemium-Services wie Facebook oder Twitter zeigen manches Mal das wahre Leben hautnah im digitalen Äther. Für die meisten Nutzer hat sich das Freemium-System zum marktgängigen Standard erhoben, denn sie verlassen sich darauf, dass alles beim Alten bleibt – mit Ausnahme mancher Design- und Funktionsanpassungen der Plattformen. Die Nutzer bezahlen mit ihren Daten und erhalten im Gegenzug ein Mindestmaß an Unterhaltung und Informationen. Die Portalbetreiber befinden sich wiederum am Scheideweg, denn sie stehen in der Monetarisierungsfalle.

Wer auf Freemium setzt, befindet sich in direkter Abhängigkeit von Mediaagenturen, Vermarktern und Werbekunden. Im besten Fall wollen Investoren schwarze Zahlen sehen, und bekanntlich ist das auf dem Werbemarkt nicht immer ganz einfach. Zugleich müssen die Portale das Spagat zwischen dem Service am Nutzer und der Überfrachtung mit Werbung im Sinne der Monetarisierungsstrategie schlagen. Das gelingt nicht immer, und die steigende Nutzung von Mobile Internet zwingt Portalbetreiber zu neuen Wegen. Eine durchaus lukrative Variante eines Online-Angebots firmiert bekanntlich unter der Bezeichnung „Premium“. Hier bezahlt der Nutzer einhergehend mit Werbefreiheit einen oftmals zusätzlichen Service, den sich normale Nutzer nicht leisten können oder wollen. Zudem bieten die meisten Plattformen mehr Features an, welche die Plattformnutzung noch einfacher wirken lässt oder einen „Mitgliedervorteil“ offenbart.

Die beiden Big Player unter den Business Netzwerken setzen die Anzeige der Profilbesucher als Lockmittel ein, dass man sich letztlich doch für das Premium-Angebot entscheiden soll. Schließlich werden bei bei LinkedIn und XING die Namen der Profilbesucher und ein großer Teil der Suchergebnisse erst im Abonnement freigeschaltet. Viele solcher sogenannten Premium-Services braucht jedoch kein Mensch, wenn es um die einfache Nutzung im klassischen Kontakt- und Freundeskreis geht. Die meisten der unbekannten Profilbesucher identifiziert man über die Google-Bildersuche, die mittlerweile so gut geworden ist, dass kaum jemand noch den Status „unbekannt“ besitzt. Das vermeintliche Momentum eines Kontakts und wiederum der Daten dieser Person lockt den Menschen – und viele Nutzer produzieren in ihrem Kommunikationsverhalten die „potenzielle Kontaktaufnahme“. Die Ursache für die Fixierung auf den Kontaktaustausch findet sich aber nicht in den Daten, die man auf der Plattform hinterlässt, sondern im Kernprinzip der jeweiligen sozialen Netzwerke: Kontakte funktionieren in gegenseitigem Einvernehmen oder nach dem Follower-Prinzip statt.

Ein potenzielles Premium-Angebot würde ich mir hingegen schmecken lassen: Kaum ein Portalbetreiber, dessen Kerngeschäft auf Networking basiert, bietet heute noch den guten alten Inkognito-Modus für das reine Durchstöbern der Portale an. Als Nutzer eines Online-Dienstes möchte ich nicht bei jedem Besuch einer Profilseite als potenzieller Kandidat für die Kontaktaufnahme aufgeführt werden. Früher konnte man öfters noch als einfacher Zuschauer teilhaben, so dass der digitale Voyeurismus für jeden Nutzer möglich war – ohne etwaige negative Hintergedanken eines Profilstalkings fortzuführen.

So habe ich mir schon seit langer Zeit einen Dummy-Account bei XING und LinkedIn zugelegt, mit dem ich reine Netzwerkrecherche betreibe, ohne dass jeder Besuch sofort zu mir selbst zurückgeführt wird. Leider kostet das parallele Surfen mit zwei Browsern demzufolge Zeit und Nerven, so dass ein kleiner Anonymisierungseffekt bei Profilbesuchen definitiv meine Bewegungsfreiheit im Kontaktmanagement erleichtern könnte. Ich zumindest würde bei ausgewählten sozialen Netzwerken sogar einen Minimalbetrag dafür ausgeben, wenn ich meine Profilbesuche bei anderen Nutzern explizit verschleiern könnte.

Leider lässt sich mit der vermeintlichen Anonymität zwischen den Nutzern nicht das große Geld verdienen, so dass langfristig betrachtet kaum ein Business Netzwerk den Premium-Service „Anonymität: Sie werden nicht als Profilbesucher angezeigt.“ einführen wird. Gewiss mögen die weitaus hochpreisigeren Mitgliederservices für Recruiter ein unerkanntes Surfen erlauben, jedoch gerechtfertigt dieses Preismodell nicht das Bedürfnis, als normaler Nutzer inkognito beim Profilbesuch zu bleiben. Oder was meint ihr: Macht der Inkognito-Modus als Premium-Service wirklich Sinn? :)

8 Kommentare
  1. Franziska L. sagte:

    Hallo, gut finde ich, dass man die Surfaktivitäten unsichtbar werden lassen kann, jedoch ist es wieder mal sehr traurig, dass diese Funktion nur gegen ein Entgelt nutzbar ist.

  2. Manuela Seubert sagte:

    Hallo Mike,

    wie schon gezwitschert: Die von dir genannte Inkognito-Funktion vermisse ich ebenfalls. Allerdings wäre ich nicht bereit, zusätzlich zu meiner Premium-Zahlung für dieses Modul mehr zu bezahlen. Dies wäre eine nützliches, neues Feature, um mich als Premium-Zahlerin weiterhin halten zu können.

    Beste Grüße aus Limburg
    Manuela

  3. Joas Kotzsch sagte:

    Ich verfahre ebenso. Habe bei beiden Netzwerken einen Zweitaccount, um nicht kurz danach die übliche Mail zu erhalten: „Sie haben mein Profil besucht … “. Teilweise bin ich sogar konkret danach gefragt, wonach ich gesucht habe! Ein Inkognito-Modus wäre wünschenswert.

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