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Pressemeldungen sind etwas feines. Insbesondere erfreuen sie die Gemüter der Journalisten, wenn sie kurz, knapp und bündig sind. Eine Veröffentlichung der Zeit via ots brachte vorgestern dabei eine bahnbrechende Meldung zu Tage, über die ich auch in meinem E-Mail Abonnement stieß: Wikipedia kontert Angriff von Google mit eigener Suchmaschine

Da scheppert es im Karton. It’s time to strike back – this is the Wiki-Attack! Die durch Spenden finanzierte Wikipedia, deren Trägerverein in unserem Land die Wikimedia Deutschland ist, möchte ein scheinbar milliardenschweres Projekt auf die Beine stemmen um gegen Google einen Machtkampf führen zu wollen. Womit man dabei aber nicht gerechnet hat: Die Meldung war faktisch fehlerhaft, wurde aus dem Netz geschmissen und in kürzester Zeit von der Zeit korrigiert – man verzeihe hier das zeitlich brisante Wortspiel. Bei der Wikimedia Deutschland zieht man dagegen eine negative Bilanz zu dieser Pressemeldung. Die Reaktion des Vereins ist daher ein sehr wichtiges Zeichen für die PR-Arbeit in Unternehmen. Nicht ausschließlich das Telefon in die Hand genommen, sondern öffentlich im Corporate Blog die Falschmeldung zu dementieren gibt der jeweiligen Notlage eine gewisse moderne Würze.

Anders schaut es bei der Streuung der Nachricht selbst aus. Die Übernahme ohne generelle Prüfung auf Richtigkeit der Meldung in vielen Medien durch die Redaktionen und sogar die Verbreitung über dpa zeigt für mich eines auf: Der moderne Journalist leidet unter Zeitmangel. Natürlich setzt man bei der Veröffentlichung einer Pressemeldung darauf, dass diese inhaltlich richtig ist und mit den jeweiligen Parteien zumindest bei erfolgreichen Mitteilungen wie der Begründung eines neuen Projektes abgestimmt sind. Tja, solche Missgeschicke passieren häufiger denn je – man kann nur hoffen, dass die Wikipedia keinen Spendenabriss durch ein solches fiktives Projektgeschäft verzeichnen muss.

Laut einer Meldung von Golem darf die deutsche Portalseite der Wikipedia wieder auf die Mutterseite weiterleiten! Damit ist die einstweilige Verfügung vorerst außer Kraft gesetzt. Jedoch das alles, was sich die Eltern (und wohl auch deren Rechtsanwalt) erhofft hatten, ist wohl nicht wirklich eingetreten.

Anstatt den wahren Namen des Hackers „Tron“ weiterhin geheim zu halten und entsprechend zu verbergen, gibt es ein fundamentales Medienecho. Selbst auf Slashdot habe ich einen Artikel dazu gesehen, und nahezu alle größeren Nachrichtenmagazine und die Bloggerlandschaft berichteten nahtlos über diese grobe Frechheit, wegen eines Namens einen kompletten Informationsdienstleister aus dem Internet zu sperren. Da wird der liebe Boris F. sich wohl im Grabe umdrehen, wenn er nicht schon gewußt hätte, was seine Eltern alles mit ihm nach seinem Ableben geplant hatten.

Auf der anderen Seite gibt es auch noch eine neue Entwicklung. Udo Vetter meldet im law blog eine präventive Gegenmaßnahme des Verlegers der Wikipedia-DVD, auf welcher der volle Name des Hackers „Tron“ schon genannt ist. Ralf Szymanski kündigt an, dass „in diesem Falle durch das Verbot der Verbreitung ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden entstehen wird„, welcher von der Zenodot Verlagsgesellschaft in seinem vollen Umfang an den Rechtsanwalt Kurz und entsprechend die Eltern des Boris F. in Haftung gestellt wird. Das sind weitaus teurere Kosten als jede einstweilige Verfügung oder Verbot überhaupt bringen würde. Viel Spaß beim überbieten, und für alle die es wissen möchten, ist hier der Offene Brief im PDF Download verlinkt. ;)

Ach wie schade…schon seit Stunden ist die deutschsprachige Wikipedia nicht zu erreichen und derzeit ist nicht abzusehen, wann sie ihren Betrieb wieder aufnimmt. Und das nur wegen der Nennung eines Namens von einem toten Hacker.

Aufgrund dieser Tatsache erließ das Amtsgericht Berlin-Chalottenurg eine einstweillige Verfügung gegenüber der Wikimedia Deutschland. Da bleibt einem nur noch die Möglichkeit entweder wieder auf das gute alte Lexikon zurück zu greifen oder die Umleitung über die ausländischen offiziellen Wiki’s zu gehen (de.wikipedia.org).