Wie schade, dass Facebook sich verändert. Das müssen Sie jetzt unbedingt wissen!

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Das Leben ist zu kurz für all die schlechten Texte, die nur deshalb im Web stehen, weil ihre Überschriften Nutzer zum Klicken verleiten. Höchste Zeit, endlich an die Leser zu denken.

Über die letzten Jahre entstanden unglaubliche Inhalte im Internet. Die digitale Entwicklung half dabei, dass wirklich jeder Schreiberling die Bühne betreten durfte. Wir veränderten unseren Medienkonsum und ergötzten uns immer wieder auf ein Neues an guten und schlechten Inhalten. Maximale Speichermöglichkeiten annihilierten die karge Linearität eines jeglichen Printmediums. Gesunkene Eintrittsbarrieren ermöglichten die Machtverschiebung und Abkehr vom Gatekeepersyndrom der Medienwelt. Prosumentische Veröffentlichungsrituale auf allerlei Plattformen sorgten für eine überwältigende Informationsflut in Bild, Ton und Text.

Doch auf der digitalen Bühne treten neue Schauspieler auf, die sich um die perfekte Überschrift für SEO und Leser sorgen und deren perfider Kult sich nur um die Macht der Keywords für Suchmaschinen dreht. Sie locken ahnungslose Leser in ihr Netz und gehen in sozialen Netzwerken auf Beutefang, um Aufmerksamkeit durch emotionalisierende Momentaufnahmen zu erhaschen.

Niemand weiß genau, was diese Form der Kommunikation mit einem macht. Doch endlich redet jemand Klartext.

Die Überschrift bildet seit Anbeginn der Kommunikation immer die größte Herausforderung eines Textes. Kurz, knapp und präzise informierend darüber, was den Leser erwartet, entscheidet sie über Gedeih und Verderb eines Inhalts. Schließlich wird die eine Kernaussage direkt und ohne Umwege transportiert, zumindest sollte man es so meinen, damit jeder Rezipient die verkürzte, jedoch korrekte und unverfälschte Information verstehen kann. Egal ob ein reiner Text, oder doch eine Bildunterschrift, sogar der Titel eines Videos muss punktgenau sitzen, damit die Wirkung des Inhalts entfaltet werden kann.

Im digitalen Zeitalter von Smartphones und Tablets wirkt sich sogar die reduzierte Bildschirmgröße auf die Schnelllebigkeit der dargestellten Inhalte drastisch aus. Nicht nur am Beispiel einer E-Mail in unserem Posteingang, sondern im RSS-Reader und auf anderen Nachrichtenaggregatoren verlockt eine Überschrift entweder zum unnachgiebigen Drang zum Konsum – oder zur sofortigen Ignoranz. Wir haben gelernt zu lieben, zu hassen, zu emotionalisieren, zu versachlichen und zu objektivieren – und auf andere hereinzufallen.

Als sie die Worte lasen, flossen ihre Tränen wie Wasserfälle. Das muss so ergreifend sein.

Wir Menschen sind nur allzu leicht zu beeinflussen. Eine flapsige Überschrift vor einen kurzen Text, der minimalistisch auf irgendwelche Suchmaschinenalgorithmen optimiert ist, vielleicht eines von unzähligen der Milliarden Youtube-Videos enthält, und schon wird der Klickimpuls im Kopf aktiviert. Wie anbiedernd und ekelerregend der Inhalt auch sein mag, manche Geister bezeichnen dieses Vorgehen, die einkalkulierte Irreführung und den offensichtlichen Betrug am Nutzer, sogar als Kuration von Inhalten. Darf die Content-Strategie für Seitenbetreiber und Publizisten, sofern man sie überhaupt so nennen darf, eine Verballhornung der Inhalte zum Standardmaß erheben? Oder liegt es am willigen Nutzer, der sich nach abstrakter Dummheit und einer einfachen Wohlfühlatmosphäre sehnt, um dem analogen und digitalen Alltag schnellstmöglich und kurzlebig zu entfliehen?

Am Ende bleibt es doch nur eine hässliche Schlammschlacht um Aufmerksamkeit und Reichweite, damit der Weg für niedere Werbebotschaften und das Geldsäckchen der Seitenbetreiber geebnet ist. Die willigen Nutzer klicken sich ihren Weg durch die Inhalte, gelockt über den Pfeil des Amors einer Facebook-Seite in ihrer Timeline. Ein Mittel zum Zweck, als führten die Seitenbetreiber die Lämmer zur Schlachtbank, strömen die Inhalte ihr heftiges Aphrodisiakum auf die Fans aus – und sie saugen es in sich auf.

Auf einer Webseite entdeckte ein Mann etwas Schockierendes. Was er dann tat, war unfassbar!

Schluss mit lustig. Das Leben ist zu kurz für die Kakophonie der Überschriften. Besinnt euch auf den Inhalt, selbst wenn Ihr eine Content-Strategie verfolgt. Schreibt nachhaltige Texte, die nicht auf irgendwelche Reichweitenzahlen und pure Bereicherung abzielen. Konzentriert euch auf die Mehrwerte für Leser und Nutzer. Setzt den Schwerpunkt auf die Kernbotschaften, mit denen ihr Nutzer begeistern sollt. Verzichtet auf nichtssagende Überschriften, die nahezu nichts mit dem Text zu tun haben, der sich hinter dem erhofften Klick verbirgt. Akzeptiert endlich, dass Facebook euch einen Strich durch die Rechnung machen kann und wird. Denn Ihr seid Don Quijote im Kampf gegen die Windmühlen, deren digitales Mahlwerk die wohl besten, härtesten und vernichtendsten Filter gegen euren Beutefang für Klicks einsetzt. Übrigens: Der Autor dieser Kolumne hasst die Überschrift so sehr, dass er am Ende weinen musste.