Der Fall „Likezig“ – Digitale Markenverwässerung der Stadt Leipzig
Generation Facebook schlägt zurück und wirbt für die Liebe und das 1000jährige Bestehen der Stadt Leipzig. Dabei verwundert das Wortspiel einer neuen Kampagne für das Stadtmarketing: Aus „Leipzig“ wird „Likezig“?
Nicht alles, was zum Ziel erklärt wird, muss ein echtes Ziel sein. So gilt es auch für die Zielsetzung, eine Marke zu transportieren oder in die digitale Welt einzuführen. Die größten Risiken gibt es für Unternehmen in der drohenden Verwässerung ihrer oft über Jahrzehnte aufgebauten Marken, die oft mit einem Verlust der Glaubwürdigkeit gegenüber den Kunden einhergeht. Eine exzessive Markentransferstrategie führt bekanntlich zu einer Unschärfe und Verwässerung des Markenkerns. Die Kunden wissen irgendwann nicht mehr genau, wofür die Marke überhaupt noch steht und womit sie sich eigentlich identifizieren sollen. Eine mangelnde Identifikation mit dem Produkt besiegelt dann den schleichenden Tod der Marke.
Dieser Problematik eines verschwommenen Markenbildes musste bereits die Marke Milka leidvoll erfahren. Unter der bekannten Dachmarke wurden im Zeitraum von 1993 bis 1995 verschiedene Subbrands eingeführt, darunter z.B. Leo, Tender, Schoko + Keks oder Praline Nuss. Nahezu alle Produkte können mit einem guten Geschmack überzeugen. Die Markteinführung dieser Subbrands sorgte anfangs für einen positiven Effekt für die Dachmarke Milka, aber die etablierten Wettbewerber konnten diese positiven Effekte leicht durch die Stärken ihrer Einzelmarken wie Mon Chérie oder KitKat kompensieren. Die Markenpositivierung wurde zudem durch vergleichsweise kostspielige Werbeinvestitionen erreicht, so dass nach der Reduktion des Werbedrucks eher negative Effekte aufkamen und die Einführungskampagnen überwiegten, so dass sich das Markenvertrauen, die Markensympathie und die Markenloyalität der Dachmarke Milka bei den Kunden verringerten.
Weitaus schnellere Effekte der Markenverwässerung und das Aufkommen negativer Effekte zeigen sich am aktuellen Fall des Stadtmarketings für Leipzig. Eine traditionsgebundene Großstadt, die im kommenden Jahr 2015 sich dank der schriftlichen Ersterwähnung des Stadtnamens ihr 1000. Jubiläum feiern darf. In Sachen Marketing und PR eine Steilvorlage und Chance auf einen klaren Siegeszug, denn schließlich gelten Jubiläen immer als Garant für kommunikative Erfolge.
Wäre da nicht die kritische Masse im Netz, deren einzelne Köpfe sich Gedanken um solche Kampagnen machen. Zuerst stand das Logo des Jubiläums in der Kritik. Jetzt folgt eine Kampagne, die digital-affine Nutzer aus Social Media Umfeldern aktivieren soll. So entwickelten einige Studenten im Rahmen eines gemeinsamen Praxisseminars von der Leipzig Tourismus und Marketing (LTM) GmbH, der Ströer Deutsche Städte Medien GmbH und der Universität Leipzig eine neue Kampagne für das Stadtmarketing. An sich nichts untypisches, schließlich lässt man überall in Deutschland ganz gerne die kreativen Ideen nicht von Agenturen entwickeln, sondern doch lieber von dem potenziellen Unternehmens- und Agenturnachwuchs. Als studentisches Projekt getarnt und gefördert, braucht kein Verantwortlicher die sonst anfallenden Honorare für die Profis zahlen und das Ergebnis liegt direkt greifbar auf dem Tisch. Das studentische Projekt ging vor wenigen Tagen mit Großflächenplakaten, Postkarten und einer eigenen Facebookseite an den Start. Insgesamt findet sich an dem Vorgehen nichts kritisches, jedoch besitzt die Kampagne als zentralen Baustein ein Wortspiel, bei dem aus „Leipzig“ ein „Likezig“ wird.
Auf der Facebook-Seite von „Leipzig Fernsehen“ hyperventilieren die Nutzer bereits zum Leitspruch „Likezig“ im Kampagnenmotiv. Das Design erinnert mit seinen vielen Schriftarten und dem im Zentrum stehenden Leitspruch „Likezig“ an Margarine. Der Autor der bereits bekannten „Hypezig“-Aktion kritisiert die Kampagne ebenfalls scharf und verkündete, sein Tumbler-Projekt-Blog Hypezig nicht mehr fortzuführen.
Ich kann diesen Unmut verstehen, denn entgegen der bekannten Grundlehre, den Markenkern zu stärken, dient diese Kampagne eher der Markenverwässerung. Neben der unausgegorenen Schriftkombination und der bunten Farbwahl wird das Potenzial der Stadtmarke Leipzig offenbar ad absurdum geführt, indem die seit Jahrzehnten gewachsenen Markenwerte durch eine englischsprachige Verballhornung und den direkten Bezug zu Facebook torpediert werden. Das Buhlen um Likes wird mittlerweile als Unsitte in der digitalen Welt geahndet. Aber für „Likezig“, Pardon, für die Marke Leipzig bedeutet dies eine Markenbeschädigung. Hier überwiegt keine Komplexität in der Kommunikation, die zu Missverständnissen und Identifikationsproblemen führt. Nein, bei „Likezig“ wird vielmehr mit Banalität eine wichtige Chance verspielt, echte Werte und nachhaltige Inhalte zum 1000jährigen Jubiläum zu kommunizieren. Die wichtigen Brücken zwischen Jung und Alt, zwischen Offline und Digital, zwischen Historie und Zukunft brauchen mehr als nur einen Like. Die verschiedenen Kundenkontaktpunkte über Plakat, Postkarten und Online-Präsenz sorgen keinesfalls für eine Steigerung der Authentizität der Marke und bauen sukzessive die Markenidentität einer bekannten Großstadt ab.
Gewiss finde ich für die Kampagne harte Worte, aber eine Erlebniswelt wird für mich als potenziellen Touristen der Stadt Leipzig durch solche Banalitätskommunikation nicht erzeugt. Ziemlich genau das Gegenteil wird erreicht, denn eine Stadt unter dem Deckmantel der Generation Facebook erweckt keinesfalls das Vertrauen und den Anreiz, eine historisch gewachsene Stadt zu erkunden. Am Ende weiß der Tourist plötzlich nicht mehr, wofür die Marke eigentlich steht. Schon gibt es keine Identifikation mehr mit der Stadt und einem möglichen Ziel für touristische Aktivitäten – und der Anfang vom Ende scheint besiegelt.
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Hallo Mike, da bin ich ganz anderer Meinung als Du. Ich finde die Kampagne klasse und überhaupt nicht banal. Für mich sagt sie aus, dass die Stadt nachdenkt, mit der Zeit geht und junge Menschen der digitalen Generation für sich (als Wohn- und Arbeitsort) gewinnen möchte. Die historische Bedeutung der Stadt wird hierdurch nicht geschmälert, dafür gibt es bestimmt auch nach wie vor noch andere Kampagnen und Werbeträger. Dass man Studenten dafür ins Boot holt, anstatt eine Agentur zu beauftragen, kann man sicher gesondert diskutieren. Aber meiner Meinung nach ist das genau der Weg, den Städte/Kommunen/Behörden heute gehen sollten. Ich würde mich jedenfalls sehr angesprochen und willkommen in Leipzig fühlen :-).
Grüße, Christiane
Ich muss der Christiane hier Recht geben. Ich denke die vielen Social-Media-Affinen schauen sich diese Kampagne aus der uns bekannten Filterblase an. Wir kennen selbstverständlich die Regeln, was als störend zu betrachten ist und was nicht. Diese Kampagne ist jedoch nicht nur für „uns“ gemacht, diese Kampagne ist für die Allgemeinheit, für Touristen und für die Stadt. Facebook ist heutzutage ein großer Bestandteil dieser Allgemeinheit und Social Media ist die Zukunft. Die Kampagne mit beidem zu verbinden heißt mMn, wie Christiane schon sagt (schreibt), mit der Zeit zu gehen und junge Menschen der digitalen Generation für sich (als Wohn- und Arbeitsort) zu gewinnen. Was gibt es Schöneres, für einen Social-Media-Otto-Normalverbraucher, die Möglichkeit zu haben eine Stadt mit dem zu verbinden, was sie/er im normalen Alltag als Selbstverständlichkeit sieht? Spaß, Spannung, Werbung! ;)
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@Christine, die Verlockung ist natürlich groß, wenn eine Stadt sich im digitalen Umfeld positionieren möchte, sich auf Hype-Themen zu besinnen. Doch dann sollten echte Maßnahmen wie flächendeckendes freies WLAN, die direkte Bürgerbeteiligung in lokalpolitische Entscheidungsprozesse und transparente Politik greifen. Nur weil „Like mich“ plakativ drauf steht, muss man etwas nicht „mögen“. Zudem geht es mir um nicht um Social Media – damit habe ich nämlich nur teilweise zu tun, wenn ich die digitale Infrastruktur zur Kommunikation und im Marketing einsetze.
@Victor, ja, deswegen liege ich absolut richtig mit meiner Einschätzung zur Kampagne. Ich bin kein Social Media Hipster, sondern ein (sehr bodenständiger) Familienvater, der diese Form von Stadtmarketing aus der Sicht des Kommunikators und Touristen betrachtet. Mich schreckt der extensive Wertetransfer im Falle Likezig hin zur Huldigung von Facebook definitiv ab. (Und ja: Facebook ist keine Strategie). :)
Eurer beider Meinung sei Dank, dass wir darüber reden und uns austauschen. Mehr davon bitte!
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Zum Logo möchte ich nicht viel sagen, denn das ist Geschmackssache. Meine Geschmack trifft es jedenfalls nicht.
Was mich vielmehr erstaunt ist, dass die Kampagne sich so gänzlich auf Facebook konzentriert. PR soll doch die ganze Zielgruppe erreichen und die ist im Falle einer Stadt ja nun mal die ansässige Bevölkerung. Wenn ich mich kommunikativ nur auf Facebook konzentriere, dann habe ich über 270.000 Menschen schon mal nicht abgeholt.
Der @MikeSchnoor über das hochnotpeinliche #Likezig – http://t.co/lGV50ArhpV … gut!
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RT @gigold: Der @MikeSchnoor über das hochnotpeinliche #Likezig – http://t.co/lGV50ArhpV … gut!
#Likezig: Für die Marketingkampagne für die Stadt Leipzig findet Mike Schnoor deutliche Worte. http://t.co/wikA9aWkWm