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Patrick Beyer (Piratenpartei) und Valentina Kerst (D64). Quelle: Patrick Beyer (frei) und CC-BY-SA D64 e. V.

Geht es nach dem Wunsch von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), soll Paragraf 8 des Telemediengesetzes (TMG) um zwei Absätze ergänzt werden. Ursprünglich regelt dieser Paragraf die Verantwortlichkeit von Internetprovidern. Dieser soll nun für „Diensteanbieter“ gelten, welche über ein WLAN potenziellen Nutzern den Internetzugang bereit stellen. Nach dem ersten Bekanntwerden dieses Gesetzesentwurfs zur Neuregelung der Störerhaftung bei offenen WLANs formiert sich scharfe Kritik durch den netzpolitischen Verein D64 und durch die Piratenpartei.

Ihrer Ansicht nach erwarten die Anbieter freier WLAN-Netze mit diesem Gesetz statt der versprochenen Erleichterungen eher deutliche Verschärfungen der Haftungsregelungen. Die Piraten kritisieren dabei vornehmlich den im Entwurf vorgesehenen Zwang, frei angebotene WLAN-Netze zu verschlüsseln und sich als Nutzer eines freien WLANs vorher gegenüber dem Anbieter auszuweisen. Dabei würden laut D64 vor allem den privaten Betreibern von sogenannten Hotspots „zumutbare Maßnahmen“ zur Identifizierung der Nutzer auferlegt, so dass die Neuregelung der Störerhaftung für nicht kommerzielle Anbieter den Ausschluss vom Betrieb von offenen WLANs bedeuten würde.

Patrick Beyer (Piratenpartei) und Valentina Kerst (D64). Quelle: Patrick Beyer (frei) und <a href="https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/de/">CC-BY-SA</a> D64 e. V.

Patrick Beyer (Piratenpartei) und Valentina Kerst (D64). Quelle: Patrick Beyer (frei) und CC-BY-SA D64 e. V.

„Mit diesem Entwurf droht Gabriel das Internet kaputt- und den Freifunk plattzumachen. Gabriels Gesetzentwurf ist ein europaweit einmaliger Kniefall vor der Rechteverwertern der Unterhaltungsindustrie und ein Angriff auf Internet-Nutzer und Internet-Anbieter gleichermaßen“, erklärt Patrick Breyer, Themenbeauftragter der Piratenpartei für Datenschutz, und schlussfolgert: „Dass sich jeder WLAN-Internetnutzer namentlich identifizieren muss, kennen wir bisher nur aus Diktaturen wie China. Im Netz haben wir genauso ein Recht auf anonymen und freien Meinungsaustausch, wie in allen anderen Bereichen der Gesellschaft auch. Oder will Gabriel, dass wir uns in Zukunft auch identifizieren, wenn wir eine öffentliche Telefonzellen nutzen wollen?“

Der netzpolitische Verein D64, eigentlich als der SPD nahestehende Institution bekannt, wertet den Entwurf sogar als deutlichen Schritt in die falsche Richtung. Nach der geltenden Gesetzeslage sei es eindeutig, unter welchen Bedingungen Betreiber eines offenen WLANs von der Haftung für rechtswidrige Handlungen freigestellt sind.

Valentina Kerst, Sprecherin und Co-Vorsitzende von D64 betont: „Der neue Entwurf der Bundesregierung in der aktuellen Fassung schafft es, diese Klarheit zu beseitigen und zudem die Bedingungen für das Betreiben von offenen WLANs erheblich zu verschlechtern. Es bleibt vollkommen unklar, welche Maßnahmen das sein sollen. Die reine Angabe von Namen bleibt ohne Überprüfung dieser Daten wirkungslos. Die Verifizierung der Angaben durch beispielsweise die Kontrolle von Personalausweisen ist für private Betreiber schlicht nicht umsetzbar.“

Im internationalen Vergleich bildet Deutschland das traurige Schlusslicht in puncto WLAN-Hotspots. Die Angst vor der Störerhaftung hindere viele Unternehmen und Privatpersonen daran, ein möglichst flächendeckendes Mobile Internet über WLAN-Hotspots anzubieten. Eine Lösung wäre es, die Betreiber von offenen WLANs den großen Telekommunikationsanbietern gleichzustellen und sie somit von jeglicher Haftung zu entbinden. Die Bundesregierung müsste sich zu diesem Schritt in Richtung Gesellschaft bewegen lassen. Falls jedoch der Lobbyismus siegt und mit der Neuregelung der Betrieb von freien und offen verfügbaren WLANs eher verhindert wird, fällt Deutschland wieder einmal zurück in die analoge Steinzeit – trotz Digitaler Agenda und der Bestrebung, die digitale Transformation in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft voranzutreiben.

In einer aktuellen Pressemitteilung erklärt die VZ-Gruppe, wie Online-Wahlkampf funktioniert oder zumindest zu funktionieren hat. Die Piratenpartei Deutschland hat nach einer Woche insgesamt 16.237 Anhänger innerhalb einer Gruppe von studiVZ/meinVZ. Die SPD folgt mit 15.861 Fans auf Platz zwei, die FDP ist mit 15.778 Anhängern knapp vor der CDU (15.715 Anhänger) auf Platz drei. Das Bündnis 90/Die Grünen können 13.823 Anhänger, der Linken 8.592 Anhänger und die CSU 3.055 Anhänger verbuchen. Repräsentativ für die deutsche Bevölkerung und den bevorstehenden Wahlabend der kommenden Bundestagswahl 2009 ist dies natürlich noch lange nicht.

Immerhin amüsiert es mich durchaus, dass so viele junge Menschen ihre persönliche Parteizugehörigkeit so offen innerhalb eines Social Networks preisgeben. Welche Partei hier präferiert wird, spielt dabei überhaupt keine Rolle. Zumindest in unserem Land gibt es geheime Wahlen, so dass die jeweiligen Wähler ihre Stimmzettel unbeobachtet, unbeeinflusst und eigenhändig ausfüllen können. Verhindern Social Networks mit der Präsenz von Partei und der Tatsache, dass man mit nur wenigen Klicks zu einem Fan werden kann, dieses demokratische Grundprinzip? Vielleicht liegt dieses Problem der Nichtkenntnis des Allgemeinen Wahlrechts ja auch in der Natur von jungen Wählern. Müsste man dabei nicht entsprechend Aufklärung betreiben und explizit die Nutzer darauf hinweisen, dass ihre Angaben über eine Anhängerschaft respektive das eigentliche „Fan sein“ ein sehr wichtiges Thema ist?

Social Media ist letztendlich ein sehr offenes Gebiet der Kommunikation. Selbst wenn die VZ-Gruppe einen hohen Standard an dem Schutz der Nutzerdaten unter Beweis stellt, könnte irgendwann jemand Drittes genau diese offen bekannte „Anhängerschaft“ zu egal welcher Partei nicht auch missbrauchen?