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Den Regeln zum Trotz stellt sich das Internet und die an seinem Fortbestand beteiligten Personen öfters gegen die Traditionen, wie sie in der Medienwelt herrschen. In Bezug auf die jüngsten Entwicklungen, dass das berüchtigte „Saddam Hanging“ Video im Internet zum Download angeboten wird, keimte jedoch der Begriffsstimulus „Seuche Internet“ durch die SZ auf.

Die Seuche Internet garantiert, dass die Bilder auf immer abrufbar sein und – so weit der Begriff in diesem Zusammenhang erlaubt ist – kulthaften Status annehmen werden.

Ich persönlich befürworte keinesfalls die Distribution von solchem Material, aber die durch die Medien ursprünglich in Szene gesetzte redaktionelle Sichtung, Kontrolle und Wahrung von allgemein anerkannten Prinzipien sind allesamt unlängst „de facto“ vorbei. Was für ein Wortspiel. With all due respect to the mainstream media houses – die Zeiten ändern sich.

Allein ich bestimme mittlerweile, welche Inhalte ich konsumiere. Die Auswahl und Sichtung des Materials geschieht in der Zeit, die ich früher zum Zeitungslesen oder Fernsehen nutzte. Informationen erreichen mich viel schneller als die kollektive Massenbefriedigung eines Leitmediums. Die gesamte redaktionelle Kompetenz obligt hier also dem Individuum, welches sich im Citizen Media Journalismus der modernen Web 2.0 Softwareapplikationen eigenständig bewegt und zurecht findet. Stellt dieses Individuum sogar seinen eigenen Inhalt in dieses Netz mit ein, prosumiert er konsequent mit allen anderen Teilnehmern. Nun frage ich mich jedoch – ist das schlimm? Oder ist es nur dann schlimm und rechtfertigt einen journalistischen Beitrag, wenn es um etwas ziemlich ekelhaftes, nicht alltägliches und oben drein abscheulich groteskes Bild- und Tonmaterial dreht?

Ganz klar – das besagte Video kann und muss nicht als Appetizer zum abendlichen Unterhaltungsprogramm beitragen. Nur weil es eine Person ist, die die Menschheit so stark beeinflusst hat, muss man diese Aufnahmen nicht der öffentlichen Informationsgeilheit präsentieren. Aber wir sind ja keine Richter und möchten auch nicht richten – das Urteil bildet sich jeder selbst. Persönlich erwarte ich in Zukunft, dass immer mehr Grenzfälle der Informationsbefriedigung und -geilheit auftauchen und so die Massen und Medien aufeinander los lassen. Gestehen muss ich jedoch eines: Die Exekution selbst wurde medial zerfleischt und die Reaktionen sind genau das Gegenteil von dem, was sich gewisse Politiker und mächtige Menschen erhofft hatten – und auch ein perfektes Beispiel für die Machtlosigkeit der großen USA und der Regierung im Irak, die es nicht geschafft hatten, ein verdammtes Handy einzukassieren, so dass so eine Aufnahme nicht gemacht werden konnte.

Ein erschreckendes Bild für den beispiellosen Einsatz für Aktualität, Informationen und Nachrichten aus Krisengebieten zeigt sich mit diesem Satz:

Nach Angaben der Organisation Reporter ohne Grenzen starben seit dem Einmarsch der USA 2003 in den Irak insgesamt 118 Medienmitarbeiter. [SpOn]

Ich bin froh darüber, dass ich nicht diesen Job machen muss, um meine Brötchen zu verdienen. Ich danke allen, die sich für uns daheim rumsitzenden als Journalist, Reporter oder Kamermann, Tontechniker oder einfach nur als Medienmensch vor Ort so einsetzen.

Doch wie findet sich ein Ersatz für denjenigen, der sein Leben als Kanonenfutter dahingab? Mir ist es nicht bekannt, doch honoriert ein multinationales Medienunternehmen überhaupt diesen Einsatz, oder ist es nur eine Randnotiz im „Memo 187“ der jeweiligen Mediengruppe…