Inaudible Advertising: Werber jubeln über gläserne Nutzer

,

Customer Journey, völlig transparent: Die Werbebranche liebt dieses Szenario. Der unbesorgte Verbraucher macht es sich auf der Couch bequem und lässt sich vom linearen Unterhaltungsprogramm berieseln. Bekanntlich liegt das Smartphone im Sinne des Second Screen schon in der Hand. Schließlich wird sich während der Werbepause im Netz zur Sendung ausgetauscht. Was wäre dann nicht schöner, als die Kunden nahezu vollkommen und dabei gläsern über alle Endgeräte hinweg zu verfolgen?

Das Prinzip von Inaudible Advertising ebnet der Werbebranche den Weg, das Nutzungsverhalten getreu der Customer Journey restlos über TV, Radio, Tablets, Smartphones und Computer abzubilden. Bisher war Cross-Device-Tracking nur äußerst eingeschränkt möglich. Bei Inaudible Advertising werden hochfrequentierte Geräusche ausgestrahlt, die als für das menschliche Ohr nichthörbare Impulse innerhalb von Werbepausen ausgesendet werden können. Sehr wohl jedoch können Smartphones und Tablets diese Geräusche erkennen und dazugehörige Informationen auswerten. Hinzu kommen Smartwear, IoT-Devices (Internet der Dinge) und Video on Demand-Applikationen, die per Chromecast oder Firestick am SmartTV andocken. Die technische Barriere zwischen der Analyse des TV-Sehverhaltens und des Online-Nutzerverhaltens wird der Vergangenheit angehören.

Customer Journey: Pseudonymisierte Profile werden endlich eindeutig

Die Werber dürfen mit dem Jubeln beginnen. Schließlich lassen sich innerhalb eines Tracking-Cookies, auf den Inaudible Advertising abzielt, relevante Information endgeräteübergreifend speichern. Wurde der Werbespot vollständig geschaut? Schaltete der Zuschauer die Sender um? Suchte ein Nutzer parallel oder kurz darauf nach beworbenen Produkten und Marken im Netz? Wurde unmittelbar ein Kauf getätigt? Womöglich während der Werbepause?
Einzelne pseudonymisierte Nutzer werden durch Inaudible Advertising zu eindeutig identifizierbaren Personen. Viel fehlt für diese Entwicklung nicht mehr, denn die Hersteller könnten ihre Endgeräte auf solch ein Rezeptionsprinzip hin standardisieren. Mit einem Firmware-Update kommt dann der von der Werbewirtschaft erhoffte Türöffner. Oder über eine technische Erweiterung im Browser oder in ausgewählten Apps, aber auch direkt integriert in die Hardware.

Einzelne pseudonymisierte Nutzer werden durch Inaudible Advertising zu eindeutig identifizierbaren Personen.

Bereits jetzt kursiert die Annahme, dass einige TV-Hersteller eigene Werbemechaniken in ihrer Hardware integrieren, um vom linearen Ausstrahlungsprinzip unabhängig eigene Werbeinseln im Wohnzimmer zu schaffen. Insbesondere bei der Nutzung von Streamingservices bleibt die Werbebranche im Sinne des bezahlten, werbefreiem Abonnements bislang außen vor.

Was bleibt von Datenschutz und Privatsphäre übrig?

Von all diesen Entwicklungen bekommen die Verbraucher erstmal gar nichts mit, sofern sie keine enge Freundschaft mit dem eigenen Datenschutz pflegen. Gewiss wird irgendwann Verwunderung darüber entstehen, dass die klassischen Retargeting-Werbemaßnahmen mal mehr, mal weniger zu bestimmten Produkten und Marken aus der letzten TV-Werbung angezeigt werden. Den modernen Smart-TVs und den digitalen Endgeräten mit aktiver Internetanbindung sei geschuldet, dass aus Fiktion gewissermaßen eine traurige Realität wird.
Im Gegenzug könnte zumindest der gekoppelte TV-Zuschauer von Inaudible Advertising profitieren, denn digitale Werbeblöcke könnten das Ende von pauschaler Gender-Werbung einläuten. Beispielsweise könnten männliche Fans von „Grey’s Anatomy“ sich während der Ausstrahlung gewiss eher über ihre personalisierte Werbung erfreuen, als Artikel für den Haushalt, leichten Sekt, Damenpflegeprodukte und Arzneimittel im Broadcasting-Werbefeuer zu erleben.

Sobald die Technologie dem Marketing ermöglicht, einen hochgradig detaillierten Blick auf die einzelne Person zu erhalten, wird der Verbraucher nach dem Opt-Out suchen.

Es eröffnet sich dann aber ein unmittelbares Schreckensszenario, wenn aufgrund einer Online-Suche nach einem Potenzmittel daraufhin personalisierte TV-Werbung beim Fernsehabend in geselliger Runde rauf und runter zu sehen ist. Wenn dann die Krankenkassen in den Spots ihre Hilfe zur Potenzsteigerung anbieten, könnte die Privatsphäre massiv gefährdet sein. Sobald die Technologie dem Marketing ermöglicht, einen hochgradig detaillierten Blick auf die einzelne Person zu erhalten, wird der Verbraucher nach dem Opt-Out suchen. Vorgesehen ist das bekannte Zustimmungs- und Einwilligungsprinzip jedoch nicht. Inaudible Advertising öffnet die Tür zu einer schönen, gestörten Welt. Die Frage ist, ob Marken wirklich auf diesen Zug mit aufspringen sollten.