Bloggerverband: Ein Haufen voller Egomanen?
Richtig gelesen. Die Überschrift deutet bereits auf diesen Eintrag an. Wenn die durchaus alte Idee, einen Verband für Blogger zu gründen, erneut in Umlauf gebracht wird, ruft es vor allem junge Newcomer auf den Weg, sich im Netz der Blogosphäre zu verewigen. Ich kenne das Thema, wir hatten bereits in 2006, 2007 und 2008 auf verschiedenen BarCamps und zwonulligen Veranstaltungen über das Thema gesprochen. An sich finde ich es super genial, eine Interessensvertretung zu gründen. Ich mache sofort mit – ehrenamtlich und freiwillig, ich bringe sehr gerne mein Expertenwissen mit ein.
Doch sind wir mal konkret: Lobbyismus auf Verbandsebene ist nichts für einen Haufen voller selbstverliebter Egomanen. Blogger sind und bleiben absolute Einzelkämpfer – und stehen in der Regel nur für ihre persönlichen Interessen ein. Meinung ist im Vordergrund, selten herrscht Objektivität oder etwas, was an journalistisches Niveau heranreicht. Sehen wir von einigen Fachblogs oder Autoren vom Fach ab, ist die Masse der Blogger – und so muss ich es wirklich formulieren – viel zu verzweigt, nicht geordnet, keinem gegenüber verpflichtet. Selten wird sich restriktiv an geltende Gesetze gehalten, während konsequent von Zensur der Meinungsfreiheit oder der „fünften Macht“ im Staate geschrieben wird.
Was möchte hier ein „Bloggerverband“ für deutschsprachige Blogger erreichen?
Regelmäßige Treffen zwischen den Mitgliedern organisieren und so einen Gedankenaustausch fördern.
Ein guter Plan, doch man muss bedenken, dass der Großteil an Bloggern alles durch persönliche Eigenfinanzierung in die Wege leitet. Wer kann Reisekosten absetzen, wenn es nicht im Interesse einer Firma bzw. eines Arbeitgebers ist? Die Mitglieder werden ihre persönlichen Ziele haben und sich kaum per Mehrheitsbeschluss auf ein gruppendynamisches Ziel einigen. Organisation des Chaos ist eine Sisyphos-Arbeit, denn einer wird quer spielen und eine Vielzahl der Individuen wird sich nicht auf Kompromisse einigen, bei denen die eigenen Interessen vielleicht weniger wert sind als andere Themen.
Selbstverpflichtende Grundregeln verfassen, die eine Art Ethik-Richtlinie für das Bloggen darstellen könnte.
Individualisierung ist das Web 2.0, das ist doch Social Media, das ist doch Blogkultur. Grundregeln sind durch Gesetze geregelt. Wer Blog hat eine Freiheit, die kein anderer beim Publizieren hat. Wir sind keine Verläger, wir sind keine klassischen Presseorgane (auch wenn wir das ja gerne mal sein möchten). Wir sind Blogger – eine Gruppe von Individuen, die so verschieden ist wie die bunte Farbwelt eines Regenbogens.
Große öffentlichkeitswirksame Blogpostings ihrer Mitglieder forcieren, um ein bestimmtes Thema in die breite Öffentlichkeit zu bringen.
Politik. Wirtschaft. Findet dies als Themen und die Öffentlichkeit wird euch Aufmerksamkeit schenken. Tageskonsum der Medien, konstruktive Kritik (wie diese Kritik hier), blasphemisches Nörgeln, absolute Belanglosigkeiten oder hochwertige Fachthemen – das interessiert Nischen, jedoch keine breite Öffentlichkeit. Jamba von Spreeblick war ein heißes Thema vor einigen Jahren. Auch der Blogverkauf von Robert Basic brachte die Blogosphäre ins Licht der Welt. Das Bildblog erlebte durch die Einmaligkeit der offenen Kritik einen Höhenflug. Doch diese einmaligen Highlights der blogastischen Berichterstattung kommen nur selten vor. Selten genug, dass die Blogs ein Dasein der Belanglosigkeit fristen, bis ein „Groundbreaking Event“ stattfindet. Hier fallen mir ganz persönlich wenige Beispiele ein, wo der „Aha, die Blogger“-Effekt eintrat. Nebenbei: Der Begriff „blogastisch“ ist hierdurch von mir geprägt, sofern niemand anderes diesen Begriff bereits nutzte.
Rechtsbeistand bei unklaren Fragen und Mitgliederhotline.
Ich werde abgemahnt. Ich rufe an um 23 Uhr. Hotline mit Pay-via-Mitgliedsbeitrag. Was ist hier besser? Der professionelle Anwalt für Rechtsfragen, oder doch die Mitgliederhotline „Pro Blogger“? Ich gestehe, dass der professionelle Rat eines Medienexperten oder aversierten Lawbloggers wesentlich wertvoller ist. Würden durch die Mitgliedschaft im „Bloggerverband“ die Gerichtskosten vom Verband übernommen werden?
Schaffung gemeinsamer Studien zur Veröffentlichung und Generierung von Aufmerksamkeit durch die Medien.
PR-Arbeit – the long and hard run mit repräsentativen Studien. TNS, Forsa, Infratest – geniale Partner, die eine Stange Geld kosten. Mehrere 10.000 Euro kann man hierfür einplanen, damit es auch eine Gewichtigkeit in der Medienszene finden kann, so dass sich eine Berichterstattung lohnt. Selten interessiere ich mich persönlich für Studien, die nicht zumindest durch ein etabliertes Gremium gedeckt werden. Merke: Trau schau wem – und traue keiner Studie, die Du nicht selbst gefälscht hast…
Lobbyarbeit für deutschsprachige Blogger und ihre Wünsche und Anforderungen an den Gesetzgeber.
Klar, ein Muss. Politiker, Wirtschaft und einige Medien müssen beackert werden. Ich stehe gerne in erster Front und helfe! Doch letztendlich stehen wieder nur eine handvoll berühmter Persönlichkeiten, die Vorstände und Vertreter des „Bloggerverbands“ im Rampenlicht. Wen interessiert denn der individuelle Katzenblogger (Hallo Sven!)? Oder die täglichen Belange von Prinzzess? Hilft es, Robert Basic, Johnny Häuseler oder Stefan Niggemeier hier zu benennen? Oder haben die nicht genug um die Ohren? Was wird sich die Wirtschaft denken? Haben wir etwas davon, wenn „Werteübermittlung“ von Bloggern vorangegrieben wird? Wer garantiert mir, dass mir nicht jemand das Messer in den Rücken rammt und mein Produkt im Blogeintrag so heftig kritisiert? Oder ein „Spähdorn-Memo“ veröffentlicht? Wer schützt, wer hilft? Wie soll das funktionieren? Gremien und Verbände haben sich seit Jahren in der Lobbyarbeit einen Rang erarbeiten müssen. Das ist ein hermetisch abgeschlossener Club von Freunden und Freundes-Feinden. Wer neu ist, muss hart kämpfen und eine starke Stimme haben. Ohne dies ist jede Lobbyarbeit verloren – besonders bei verschiedenen Interessen der Mitglieder…
Pressearbeit
Klassisch und gut – hey, why not? Aber hier erwarte ich auch im Gegenzug, dass jedes Mitglied des Bloggerverbands sogar darauf eingestimmt wird, ebenfalls Pressemeldungen von jedwedem Unternehmen der freien Wirtschaft zu akzeptieren – per Dekret, per Verpflichtung, per was auch immer. Zumindest im Versand und im Empfang – was damit geschieht, ob ein Blogeintrag zu einem Thema geschrieben wird, soll dabei erstmal nicht relevant sein.
Grundlagen und Informationen für Jugend- und Datenschutz
Hierfür haben wir keinen Bedarf. Selbst beim BVDW als Interessensvertretung der Digitalen Wirtschaft gibt es ein entsprechendes Gremium, aber da jeder Verband dieses Thema inne haben sollte, ist es gut. Doch was tut man, wenn man semi-erotisches Material postet? Ist man dann nicht mehr „frei für alle“? Wenn eine verbale Grätsche geschlagen wird, muss das Blog dann „ab 16“ oder „ab 18“ eingestuft werden?
Fazit
Kritik muss berechtigt sein. Ich versuche offen und konstruktiv das Thema anzugehen. Offen, weil ein „Bloggerverband“ auf sozialer Interaktion basiert und dieses in seiner Grundfeste verinnerlicht haben sollte. Konstruktiv, weil wir hier einen Dialog benötigen, um den „Haufen voller Egomanen“ zu organisieren. Kurzum: Ich würde mich freuen, sehr aktiv an einem Interessensverband für deutschsprachige Blogger mit zu arbeiten. Wenn Alper Iseri jetzt Lust auf mehr haben sollte – let me know, call me tomorrow. Move it and get it going! Feedback und Kommentare sind herzlich willkommen!
Nachtrag: Das Netz diskutiert heiß. Uwe Ramminger mischt bereits an vorderster Front mit. Bei Rivva bündelt sich die Diskussion und ufert in ersten Konkretisierungen bei Carsten vom Datenwachschutz aus. Bisher habe ich noch nicht mit Alper telefoniert, aber das wird heute Nachmittag nachgeholt. Stefan Evertz zieht bereits sein persönliches Fazit hierzu – eine Verbandsaktivität mache keinen Sinn.
… wenn ich morgen mal Zeit habe leite http://www.bloggerverband.de mal auf den Artikel hier um
Ich halte von der Idee eines Bloggerverbands eher wenig. Muss in Deutschland wirklich alles institutionalisiert werden? Brauchen wir für alles Vorstand, Kassenwart und Schriftführer? Auch für soziale Bewegungen wie den Bürgerjournalismus?
Nein danke. Ich blogge. Für mich. Und für meine Leser / Mitblogger/ Follower. Wie auch immer. Dafür brauche ich keine Interessensvertretung.
Für alles andere gibts die Journalistenverbände. Wenn man denn unbedingt will…
Sascha
@Marco – Ich wußte nicht, dass Du die Domain hast. Das wäre ja mal wirklich cool! :)
@Sascha – Richtig. Jeder muss für sich entscheiden können. Die Mitgliedschaft in einem Verband wirkt natürlich auch wie ein Hemmnis auf die eigenen Entfaltungsmöglichkeiten als Blogger – hat natürlich auch Vorteile. Ich habe aber auch nur meine blogastische Meinung hierzu verfasst… die Idee zu einem Verband hatten wir wirklich schon seit knapp drei Jahren immer wieder hochkochen lassen. Vielleicht klappt es diesmal, vielleicht auch nicht. You never know…
Wir Deutschen schreien stets nach Regeln, Kontrollen, Überwachung – und sind Weltmeister im Jammern über Überwachung, Staatsregulierung und Kontrolle.
„Wir“, das sind da die, die regiert werden, die sich regieren lassen. Und der Rest? Keine Frage, Mike, „in der Masse stirbt es sich leichter“, pflegte mein alter Managment-Mentor immer zu sagen, der als Manager immer regierungskritisch eingestellt war.
Der Bundesverband Community Management – NICHT der Bundesverband digitale Wirtschaft – hat alle Grundvoraussetzungen – wenn auch etwas unglücklich für Blogger gestartet – geschaffen. Wir brauchen da einen neuen Ansatz!
Andererseits, wie Sascha erwähnte: „Wozu?“
Ich stelle derzeit die Frage: „Wozu brauchen wir ein Gesetz für Bürgerportale, wenn wir nicht einmal mehr Demokratie haben – und es echte Bürgerportale seit mehr als zehn Jahren ohne Probleme gibt?“
Wozu brauchen wir überhaupt noch Regeln, wenn sich die globalen Regierungen nur noch teilweise daran halten? Und Verbände sind immer auch immer mit Politik verknüpft.
Ist also demnach Markus Beckedahl noch ernst zu nehmen, wenn er mal MdB ist?
Fazit: Bloggerinteressenvertretung: Ja. Neuer Verband? Nein.
Danke für den Artikel. Ich denke, ein Bloggerverbadn würde letztendlich sogar dazu führen, dass bloggen den Reiz verliert, den es bisher hat. Man muss nun wirklich nicht alles in institutionelle Formen gießen.
Mike, kannst du mal schauen, ob da ein Pingback / Trackback in der Spam-Schleife hängt? Besten Dank – auch für den guten Artikel ;-)
Stefan, der musste noch freigeschaltet werden. Danke auch für dein Feedback. Ist jetzt drin. :)
„Was ist hier besser? Der professionelle Anwalt für Rechtsfragen, oder doch die Mitgliederhotline “Pro Bloggerâ€?“
Meiner Meinung nach kann es bei einem Verband zuerst nur um Rechtsbeistand gehen. Und das könnte schon helfen jemanden aufs rechte Gleis zu setzen (wenn er selber schuld ist) oder ihn zu beruhigen, weil es erste Tipps zur ersten Reaktion gibt. Es sollte auf jeden Fall die Erstberatung beim Anwalt ersetzen können. Für solche Beratungen muss man dann aber Mitglied sein, weswegen mir da das Konzept à la Mieterverein vorschwebt.