Verwirrung: Was sind denn nun Social Networks?

Die ganz klassische Netwerk-Theorie geht von Verknüpfungen aus, die einzelne Punkte in einem Netzwerk über verschiedene Spezifizierungen und Zusammenhänge miteinander logisch verknüpfen. Verwandschaft, Freundschaft, sexuelle Beziehungen, Werte, Visionen, Ideen, Gefallen oder Missfallen, Konflikte, Harmonie, Handel, Geschäftsbeziehungen – dies sind Beispiele dieser Netzwerklogik zwischen Individuen oder Organisationen. Bedenken wir hierbei, dass das gesamte deutsche Internetpublikum laut einer aktuellen ComScore Analyse im Januar 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 11 Prozent auf 37,6 Millionen Besucher wuchs, fragt man sich schon, wie hoch der Anteil von Social Networks in diesem Nutzungszeitraum ist:

Unter den Seitenkategorien mit den höchsten Zuwächsen befanden sich Multimedia (um 36 Prozent auf 23,8 Millionen Besucher), soziale Netzwerke (um 36 Prozent auf 23,6 Millionen Besucher), Unterhaltung (um 30 Prozent auf 29,2 Millionen Besucher) und Instant Messengers (um 25 Prozent auf 19,4 Millionen Besucher).

Laut Meldung ist der Zuwachs um 36 Prozent auf 23,6 Millionen Besucher für Social Networks unglaublich enorm. Doch was misst ComScore da wirklich? Sind es ausschließlich Social Networks wie XING, LinkedIn, MySpace oder FaceBook? Bekommen hier Social Media Angebote eine tragende Rolle? Scheinbar ist alles dabei vertreten, wenn man das ganze Internet vermisst. Überraschende Gewinner der Analyse sind Yasni.de und Pennergame.de – doch sind das Social Networks? Yasni ist rein oberflächlich gesehen eine Personensuchmaschine, die für meinen persönlichen Geschmack recht wenig soziale Interaktion bietet. Ein reiner „Ego Dienst“ oder pauschaler Einblick in das Leben für diverse Personaler und Headhunter kann kaum ein Social Network sein – sollte Yasni das anders sehen, freue ich mich auf einen anregenden Kommentar. Pennergame ist ein Browserspiel – was für diverse Zeitgenossen einen täglichen Zeitvertreib darstellen kann, zeigt ebenfalls wenig vom Charakter klassischer Netzwerke. Man muss sich heute wirklich fragen, was nun Social Networks eigentlich sind!

Doch warum ich das hier im Blog aufschreibe, das ist einfach erklärt: Mir fällt in letzter Zeit verstärkt auf, dass diverse ComScore Meldungen über den deutschen Markt den Anschein erwecken, nicht vollständig recherchiert zu sein oder Informationen falsch zu interpretieren. Entweder ist der Markt um viele Anbieter größer oder nicht richtig abgebildet, oder es werden Aussagen getätigt, die sich für nationale Zahlenfetischisten wirklich nicht erschließen. Sollte man dabei lieber schmunzeln, statt in die Kritik zu gehen? Statistiken sollte man nur nach ausführlicher Prüfung trauen. Ich gehe davon aus, dass diverse Online-Nachrichtenportale oder auch das eine und andere Fach- und Branchenmagazin die ComScore Meldung und die schönen Tabellen in dieser ursprünglichen abdrucken werden. Traue keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast. :)

4 Kommentare
  1. Michael sagte:

    Genau, die Aussage: „Der Druck steht vor dem digitalem Medium“ ist im Schlachtfeld Fakten, Tatsachen und Interpretationen immer noch aktuell…

    Gegenfrage: Würde hier ein allgemeines, freies Trust-Ranking (durch Userstimmen) von Webseiten abhilfe schaffen?

  2. René sagte:

    Es ist schon schlimm genug, wie oft dann solche „Statistiken“ als Begründung für die aberwitzigsten Ideen herhalten. Man sollte sich hier vor Augen zu führen, wie dünn die tatsächliche Fundierung (bspw. Datenbasis) der herangezogenen Statistik ist, und nicht immer alles für bare Münze nehmen, nur weil es irgendwo geschrieben steht.

    Dein letzter Satz bringt es klar auf den Punkt.

    Statistiken werden selten unbiased, also ohne Hintergedanken, erstellt – schließlich werden die Ersteller nicht selten von bestimmten Interessengemeinschaften finanziert, die ein bestimmtes Ergebnis lieber sähen als ein anderes.

  3. Sven sagte:

    Der gesamte Hype um social Networks begründet sich doch in erster Linie – von Anbieterseite – in den unsinnigen Summen die damit angeblich zu verdienen sind.

    Kein Blogger würde jemanden sofort als Freund und sozialen Kontakt bezeichnen, nur weil ein Kollege in der Blogroll aufgenommen oder mit einem Trackback bedacht wird.

    Bei Xing oder Facebook generiert man einen sozialen Kontakt aber schon, wenn man mal eine Freundin (Freund) hatte die auch blond war, oder jemand den gleichen Film gut findet.

    Mein persönliches „soziales“ Network bei Xing besteht zum Beispiel aus 2 Personen die sich Geschäftsförderer nennen und mich gerne zu Weinreisen oder Tagungen in der Region einladen wollen. Sozialer Kontakt ? Das darf bezweifelt werden…

    Auf den Punkt gebracht : Egal ob Xing, Facebook oder sonstige Klone : Hier geht es primär um Interessengemeinschaften, als um soziale Kontakte. Ein sozialer Kontakt ist mit Sicherheit mehr als jemanden Online zu kennen und ihm eine Mail zu schreiben.

    Der Definition nach sind – meiner Meinung nach – also alle bekannten Plattformen nur in einem sehr engen Betrachtungswinkel wirklich soziale Plattformen und meist kaum mehr als die logische Weiterentwicklung von Foren oder Chaträumen in der bestimmte Interessen stark gebündelt werden können.

  4. Steffen Rühl sagte:

    Oh – sorry. Jetzt erst gesehen …

    Nein – wir sehen das nicht anders. yasni ist KEIN Social Network. Alle Funktionen die dem ähnlich sehen (eigene Beiträge, Kommentare an Links usw.) dienen nur dazu, usergenerated content für eine noch bessere Personensuche zu generieren (im Übrigen nicht für UNS zum Selbstzweck sondern für die Nutzer).

    Ich glaube aber auch, dass Xing ein fundamental anderes SN ist (nämlich ein Verzeichnis-Netzwerk) als z.B. StudiVZ (ein Kommunikations-Netzwerk). Sieht man immer recht einfach, wenn man mal PI je Visit je Unique User vergleicht (10 zu 1000). Die beiden SN-Typen unterscheiden sich da fundamental. Und dahingehend ist yasni eher den Verzeichnis-Netzwerken zuzuordnen (wenns denn ein SN wäre) und Pennergame den Kommunikations-SNs (wenns denn eins wäre).

    Und die Absolutzahlen bei Comscore haben in der Tat mit der Realität nicht allzuviel zu tun (sind viel zu niedrig) – aber für Relativbetrachtungen passt es sicher … ;-)

    Beste Grüße

    Steffen

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