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Mir juckte es in den Fingern, als ich gestern Abend ProSieben einschaltete und die einzig interessante Sendung genoss: Schlag den Raab ist zurück und der bekannte Moderator stellt sich seinen Herausforderern. Das erfolgreiche TV-Format begeistert seit geraumer Zeit die Massen, bei Twitter findet sich zu #sdr einiges. Einer von fünf Kandidaten darf nach einem Publikums-Voting gegen den Gastgeber Stefan Raab in insgesamt 15 Spielen antreten, um mit Können, Geschick und etwas Glück den Preis in Höhe von 500.000 Euro mit nach Hause nehmen. Gestern Abend bestimmte das Publikum Hans-Martin Schulze, einen Pharmazie-Praktikanten aus Oldenburg. Der junge Mann wirkte sehr sportlich, durchtrainiert, athletisch – ein guter Allrounder, der es mit dem Wunderkind Stefan Raab messen würde.

Doch nach wenigen Sekunden entwickelte sich durch das Auftreten des jungen Mannes eine ungeahnte Eigendynamik der mehrstündigen Sendung, wie man sie bisher noch nie gesehen hatte. Das Publikum, die Moderatoren und Kommentatoren, die Fernsehzuschauer und wahrscheinlich selbst Stefan Raab mussten feststellen, dass der Kandidat alles andere als im Bewerbungsvideo war. Ein hohes Maß an Selbstgefälligkeit, blanker Stolz, anhaltender Hochmut, ungebändigte Schadenfreude, aggressive Siegesgästen, anfeuernde Selbstgespräche – dieses Verhalten missbilligte scheinbar jeder während der Live-Sendung. Man weiß natürlich nie, wie man sich selbst in einem sportlichen Wettkampf mit dem Adrenalinrausch vor laufender Kamera verhalten wird. Doch merkt der Kandidat nicht zumindest nach den ersten Ausrutschern, dass er sich wirklich auf Glatteis begeht? Dieser Abend lässt sich als Lehrstück auf jedenfall für alle zukünftigen Kandidaten der Show werten. Schaut euch die Sahnestücke aller Spiele und Szenen ganz genau an, damit ihr nicht auch die Ungunst des Publikums spüren müsst.

Über Twitter konnte man gestern Abend und selbst noch heute am Vormittag verfolgen, wie sich die Netzgemeinschaft binnen weniger Sekunden einheitlich gegen einen Unbekannten stellt. Die Tweets wurden wirklich bei nahezu jedem negativen Kommentar mit „#hassmartin“ verschlagwortet. Auch im offiziellen Forum konterte das Fernsehpublikum sehr eindeutig. Zwar ist diese Demonstration der Ablehnung keinesfalls produktiv für den Moment selbst, aber man konnte wunderbar beobachten, dass Hans-Martin alles andere als ein Publikumsliebling war. Zu fragen bleibt allerdings, weshalb sich das Publikum auf ein ähnlich tiefes Niveau herablassen musste? Wie Stefan Niggemeier in einem Artikel der FAZ treffend formulierte, blieb dabei allerdings unklar, „welchen Grund nun ausgerechnet diese Leute haben sollten, sich mit ihrer begeistert zur Schau gestellten Asozialität dem sozial ungeschickten Kandidaten überlegen zu fühlen.“ Statt des Social Mob macht Twitter-Deutschland jetzt auf Twobbing?

Doch damit nicht genug. Das Internet wurde parallel zur Sendung dafür genutzt, mehr über diesen Anti-Sympathieträger herauszufinden. Schnell kamen Einträge aus dem örtlichen Telefonbuch zum Vorschein, denn ein Hans-Martin in Oldenburg zu finden ist gewiss nicht schwer. Die Aufforderung, dem Kandidaten mit einem persönlichen Telefonanruf die kommenden Tage ganz anders als erwartet zu gestalten, kann ich persönlich nicht nachvollziehen. Der junge Mann sollte sich schnellstmöglich eine neue Nummer zulegen. Für die Online-Reputation des jungen Mannes, der seine berufliche Karriere ja noch vor sich hat, tat sein Auftritt keinesfalls etwas positives ab. Google spricht Bände. Und sein Freundeskreis, wie Florian Meyer thematisiert, wird gewiss das eine oder andere Mal darüber nachdenken, wie sich ihr Freund in aller Öffentlichkeit vor einem Millionenpublikum präsentiert hat. Immerhin steht für den jungen Mann eine Tatsache fest: „Ich bin auch nicht hierhin gekommen, um neue Freunde zu gewinnen, sondern das Geld.“ Ein wirklich schöner Preis für jemanden, der nach eigenen Angaben einen IQ von 143 besitzt.