Dr. Andreas Cerbe (RheinEnergie AG): Marken müssen digital erkennbar und erlebbar gestaltet sein

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Am 8. und 9. Juni treffen sich die Entscheider der Energiewirtschaft in Berlin, um auf der Handelsblatt Tagung „Digitalisierung der Energiewirtschaft“ über die Digitale Transformation und ihre Auswirkungen auf Geschäftsprozesse und Wertschöpfungsketten zu diskutieren. Im Vorfeld unterhielt sich Mike Schnoor, Herausgeber und Chefredakteur von #DigiBuzz – Das Magazin für das Digital Business, mit Dr. Andreas Cerbe, Vorstandsmitglied der RheinEnergie AG, über die Potenziale der veränderten Marktsituation und den digitalen Wettbewerb.

Die Digitalisierung verändert Wirtschaft und Gesellschaft branchenübergreifend. Bitte erklären Sie, was die Digitale Transformation wirklich ausmacht?

Andreas Cerbe: Informationsbarrieren verschwinden, Menschen können in Sekundenschnelle Angebote vergleichen und daraus wählen, wir haben Generationen auf dem Weg in Arbeitswelt und Entscheiderpositionen, die sich nicht vorstellen können, dass es einmal keine Handys und Computer gab. „Was nicht digital ist, existiert nicht mehr.“ gilt in einigen Jahren auch für die wesentlichen Felder der Energiewirtschaft. Begegnen wir den Menschen nicht auf digitalen Plattformen, werden Sie uns nicht mehr wahrnehmen.

Nur wenige der deutschen Unternehmen geben an, die Digitalisierung umgesetzt zu haben. Warum wird dieser digitale Wandel für Unternehmen des Energiesektors wichtig?

Dr. Andreas Cerbe, Vorstandsmitglied der RheinEnergie AG, Quelle: RheinEnergie AG

Dr. Andreas Cerbe, Vorstandsmitglied der RheinEnergie AG, Quelle: RheinEnergie AG

Andreas Cerbe: Commodity-Unternehmen leben nicht vom Produkt, sondern von der Marke. Strom und Gas sind überall gleich, aber ich kaufe mit besserem Gewissen bei einem nachhaltigen Unternehmen. Also müssen wir unsere Marke auch digital erkennbar und erlebbar gestalten, indem wir auf digitalen Wegen kommunizieren und zum Dialog einladen. Wir müssen den Kunden Möglichkeiten schaffen, sich auf einfache Weise von unserer Kompetenz zu überzeugen, das schaffen wir auch durch einen umfassenden digitalen Auftritt, der direkte Kommunikation, Dialog, Information, konkrete Nutzenangebote und Service integriert.

Wie können Unternehmen neue digitale Fähigkeiten erlangen, um ihre Geschäftsmodelle zukunftsfähig zu gestalten?

Andreas Cerbe: Sie müssen lernen, neu zu denken, schneller zu denken, und sie müssen sich bewusst von mancher lieben alten Gewohnheit lösen. Anstatt die Kundenselbstablesekarte übersichtlicher zu gestalten, sollten sie Möglichkeiten schaffen, dass Kunden den Zählerstand per Klick aufs Smartphone übertragen können. Statt neue Infoblätter zum Stromsparen zu verfassen, sollten sie ihren Kunden via Smarthome die Verbrauchsspitzen senken. Den Geschäftskunden müssen wir die Prozesse erleichtern oder abnehmen, die für sie artfremd sind, aber nötig: Lastgangoptimierung, Betrieb von Energieanlagen und Netzen, das Ganze digital gesteuert und für den Kunden digital visualisiert.

Die Schaffung echter Kundenerlebnisse erfordert die Digitalisierung von Kernprozessen und das Aufbrechen der alten Silos. Warum tun sich Unternehmen damit überhaupt so schwer, obwohl die Gesellschaft digital aktiv ist?

Andreas Cerbe: Es ist eine Sache, statt Fernsehen Netflix zu nutzen, die private Fotosammlung via Cloud jederzeit im Zugriff zu haben oder über Streaming Zugriff auf 18 Millionen Songtitel zu haben. Es ist eine andere, Kunden für Themen und Produkte zu begeistern, die sie als selbstverständlich ansehen, und die sie meist nur dann interessieren, wenn die Lieferung ausfällt oder es teurer wird. Selbst wenn Unternehmen digital aktiv werden, müssen sie erst herausfinden, mit welchen Mitteln sie die Kunden für sich interessieren können. Das ist eine komplexe und langwierige Aufgabe. Ein gut gestalteter und komfortabler Onlineservice ist der erste Schritt auf diesem Weg, eine Erlebniswelt mit per Mausklick anpassbaren Produkten der zweite und ein digitales Angebot für mehr Lebensqualität wie Smarthome der dritte Schritt.

Wie wirkt sich die Digitalisierung als kultureller Wandel auf Mitarbeiter und deren Angehörige aus – und wie sollte dies in der Digitalen Transformation des Energiesektors berücksichtigt werden?

Andreas Cerbe: Kultureller Wandel verursacht zunächst immer Ängste und Befürchtungen, dass man etwas verlieren könnte. Das macht jede Form von Transformation anspruchsvoll. Die digitale Transformation des Energiesektors darf bei der Technik keine Experimente oder Spielfelder zulassen, dafür ist sie für das Funktionieren einer Leistungs- und Industriegesellschaft viel zu wichtig. Der Wandel muss aus dem Unternehmen heraus erfolgen und ganz traditionell analog beginnen, über direkte Kommunikation, über Einbindung und über das gemeinsame Suchen nach den besten Ideen. Wer als Mitarbeiter merkt, dass er eine Chance hat, in seinem Arbeitsfeld Beiträge zu leisten, etwa anstelle der alten Energieberatung eine mobil abrufbare Vergleichsdatenbank für Energieverbräuche von Wohnungen zu entwickeln und anschließend mit Produkten zu hinterlegen: Der wird sich an die Spitze der Bewegung stellen. Initiieren können wir das aber nur im echten Dialog im Unternehmen, und wir müssen den Mitarbeitern alle Möglichkeiten geben, selbst die digitale Welt zu erproben und zu erleben.

Herr Cerbe, ich bedanke mich bei Ihnen für das Interview.