Digital Commerce vs. stationärer Handel: Werden die deutschen Verbraucher zu Einkaufsmuffeln?

Quelle: deals.com

In der vergangenen Woche zeigte eine Studie von Roland Berger und der Universität Münster auf, dass Digital Commerce für den stationären Handel eine Gefahr darstellt. Eine weitere Studie des Marktforschungsinstituts Ipsos für die Gutscheinplattform deals.com behauptet sogar: Digital Commerce befindet sich auf einem Höhenflug und kann den stationären Handel in manchen Bereichen hinter sich lassen. Der direkte Vergleich beider Einkaufsvarianten zeigt dabei verblüffend auf, wie die deutschen Verbraucher im Grunde genommen sogar zu Einkaufsmuffeln werden.

Digital Commerce spart den Deutschen offenbar Zeit und Geld. 81 Prozent der deutschsprachigen Verbraucher im Alter von 18 bis 64 Jahren haben schon einmal CDs, DVDs und Bücher im Internet bestellt, während 73 Prozent diese Produkte im Geschäft gekauft haben. Bei Gutscheinen löst fast die Hälfte der Verbraucher (46 Prozent) je nach Produkt und Shop die Gutscheine sowohl online als auch im Geschäft ein, über ein Drittel wiederum bevorzugt im Online-Shop (35 Prozent) und 15 Prozent nur im Laden.

Sofern keine trickreichen Shop-Algorithmen die Preise heimlich erhöhen, sobald die Warenkörbe über mobile Endgeräte befüllt werden, freuen sich die Verbraucher über bequeme Bestellmöglichkeiten und servicegeprägte Kundenkommunikation. Natürlich bieten Sparmöglichkeiten und Preisvergleiche den Anreiz, nicht nur die typischen Unterhaltungsprodukte, sondern Konzerttickets und Reisen bevorzugt über das Netz zu kaufen. Der Online-Kauf von Eintrittskarten wird von 67 Prozent der deutschsprachigen Verbraucher eher bevorzugt als der Bezug an Vorverkaufsstellen. Nur sechs von zehn Verbrauchern kaufen ihre Tickets direkt an der Theaterkasse (57 Prozent). Eine Reise haben 61 Prozent der Deutschen bereits über das Internet gebucht, während die Hälfte (51 Prozent) dies ebenso in einem Reisebüro erledigt.

76 Prozent der Befragten haben ein Kleidungsstück sowohl schon einmal online bestellt als auch in einem Laden gekauft, bei Schuhen bevorzugen die deutschen Verbraucher hingegen die Anprobe im Geschäft (74 Prozent) gegenüber dem Online-Shopping (67 Prozent). Der stationäre Handel punktet deutlicher bei Waren, die kurzfristig oder frisch bezogen werden müssen. 70 Prozent der Menschen haben ihr Essen schon einmal im Laden gekauft und nur 37 Prozent online. Gleiches gilt bei Geschenken und Blumen (65 Prozent offline, 57 Prozent online) und bei Gesundheitsprodukten (69 Prozent offline, 53 Prozent online).

Quelle: deals.com

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Bemerkenswerter Nebeneffekt der Studie
Natürlich spricht dieses Gesamtergebnis der Untersuchung für die positive Entwicklung von Digital Commerce. Die Angaben der befragten Verbraucher insbesondere zum stationären Handel wirken zumindest auf den zweiten Blick etwas fragwürdig. Die originäre Fragestellung hilft in diesem Fall weiter: „Welche dieser Produkte haben Sie schon offline / in einem Geschäft gekauft oder gebucht?“ Im Umkehrschluss impliziert die Fragestellung, dass die befragten Verbraucher noch nie diese Produkte gekauft haben. Die ermittelte Nicht-Zustimmung bei der Antwortgebung verspricht also einige Höhepunkte:

  1. Mehr als ein Viertel der Deutschen (27 Prozent) hat laut der Studie noch nie eine CD, eine DVD oder ein Buch im Geschäft gekauft
  2. Rund ein Drittel (30 Prozent) hat offenbar noch nie Lebensmittel im Geschäft gekauft.
  3. 26 Prozent der deutschen Verbraucher haben noch nie Kleidung im Geschäft gekauft.
  4. Fast vier von zehn Deutschen (36 Prozent) haben noch nie in einem Geschäft Sportartikel gekauft oder ihren Outdoor-Bedarf gedeckt.

Wie ernähren sich diese Menschen? Wie kleiden sich diese Menschen? Macht das etwa Mutti? Oder Kaufen diese Verbraucher wirklich alles im Netz ein und lassen es sich richtig gut gehen, wenn Käse, Eier, Wurst und Speiseeis per Paketdienst kommt?

Im Hochsommer kommt selbst Same-Day-Delivery an seine Grenzen. Soll man demnach dieses Studienergebnis billigen, dass den Bundesbürgern attestiert, sie würden zu Einkaufsmuffeln werden – und daher ausschließlich ihren täglichen Konsumbedarf über das Internet tätigen? Gar verwunderlich und nahezu komisch entpuppt sich also ein kleiner Unterton, der diesem Zahlenwerk entspringt: Das Setup für den Fragebogen beim Marktforschungsinstitut sollte gewiss optimiert werden – oder das Panel braucht einen qualitativen Neuanstrich.

Digital Commerce entfaltet gewiss sein Potenzial, jedoch nicht so drastisch, dass rund ein Viertel bis ein Drittel der deutschen Verbraucher auf ihr Shopping-Erlebnis in den Geschäften verzichten. Oder etwa doch?