Neue Rewe-App: Kaum Kinderkrankheiten

Mobile Endgeräte durchdringen mit unzähligen Apps unseren Alltag. Neben geschäftlichen Nutzungsszenarien von Fahrplänen, Ticketsystemen, Kollaborationstools oder die Kommunikation in diversen Social Networks werden Einkaufs-Apps immer wichtiger. Große Elektronikhändler wie Mediamarkt und Saturn müssen immer öfter ihre Kunden dabei beobachten, wie sie direkt im Markt ihr Smartphone zücken, um den Barcode auf einer Verpackung abzulesen. Der preisliche Unterschied von Amazon, Ebay und anderen Produkt- und Preissuchmaschinen führt dabei schnell zur Kaufentscheidung oder zum sofortigen Feilschen um Rabatte.

Mobilität und Service unterstützen die Bevölkerung in ihrem preisbewussten und vom Spartrieb beeinflussten Handeln. Während die Deutschen sich nicht täglich mit weißer und brauner Ware befassen, müssen sich die Bundesbürger täglich mit ihrer Ernährung beschäftigen. Handelsketten haben mittlerweile das Potenzial erkannt, ihre Kunden schon vor dem Einkauf im Markt zu unterstützen und zu begleiten. Neu dabei ist die mobile App der Supermarktkette Rewe (Agentur: Sapient Nitro), die jetzt auf den Betriebssystemen iOS und Android angeboten wird. Zeitgleich mit der App geht Rewe auch werblich in die Offensive und startete einen neuen TV-Spot.

Als digitaler Denker lade ich mir die Android-Version auf mein Samsung Galaxy S4. Schließlich ist heute Freitag und der Einkauf für das Wochenende steht an. Die Nutzung des Google Play Stores am Rechner erlaubt die parallele Installation der App auf dem Smartphone, so dass ich auf dem Weg zum Supermarkt meinen Einkauf planen kann.

Schon beim Start der App wird um die Zugangsdaten zur Rewe-Webseite gebeten. Natürlich habe ich kein Benutzerkonto und meine Daten werden bereits viel zu oft von Bonuskarten und Rabattsystemen abgegriffen. Daher erteile ich dieser personalisierten Datensammlung eine Absage. Wer in der App nach unten wischt, kann die Rewe-App auch ohne Login nutzen. Dieses sei laut Anbieter nur für die Synchronisation mit rewe.de und für die Einsicht der Profildaten notwendig. Dann also weiter ohne die personalisierte Variante.

Sofort begrüßt mich ein Angebotsscreen freundlich mit „Guten Abend“. Doch dies scheint nur das Tutorial für Erstnutzer zu sein, die noch nie eine App bedient haben. Lieber schnell weiter geklickt. Endlich steht die App und zeigt aktuelle Angebote zum Einkaufen sowie direkt darunter verschiedene Rezepte zum Selberkochen.

Als Familienvater fällt mir positiv ein Pastagericht auf: Spaghetti in scharfer Tomaten-Hacksoße. Ein weiterer Klick offenbart den ersten Tab voller Zutaten, einen weiteren für die Zubereitungsliste und zuletzt für die Nährwerte des Gerichts. Wer sich für Ernährung interessiert, wird hier mit verständlichen Grafiken bedient. Leider sind alle Angaben in dem CI-Rot gehalten, so dass 40 Prozent der Kalorien eines durchschnittlich wirtschaftlich berechneten Tagesbedarfs einen risikofreudigen Anstrich besitzen. Alle weiteren Werte finden sich bequem beim Scrollen, so dass ich mich umfangreich über 32 Prozent Kohlenhydrate, 68 Prozent Eiweiß, protzige 100 Prozent Fett, 225 Prozent Vitamin A, 53 Prozent Vitamin B, 53 Prozent Vitamin E, 77 Prozent Vitamin B9, 85 Prozent Vitamin C, 44 Prozent Eisen, 7 Prozent Magnesium, 23 Prozent Ballaststoffe und stolze 620 Prozent Linolensäure informieren darf. Davon werden der hungrige Digitalist und seine Familie bestimmt schnell satt.

Zurück zu den Zutaten, denn nach einem Blick in den Kühlschrank fehlen mir noch frischer Brokkoli und Rinderhackfleisch. Mit dem jeweiligen Plus-Zeichen füge ich diese Zutaten zu meiner Einkaufsliste hinzu. Dabei entdecke ich ein kleines Manko, denn leider überlappt der Reiter für die Einkaufsliste die Plus-Zeichen, so dass die gewünschte Zutat für den Warenkorb nicht beim ersten Versuch treffsicher hinzugefügt werden kann.

Zurück zur Startseite. Zum Nachtisch und als Snack zwischendurch sticht das aktuelle Angebot an Tafeltrauben hervor. Hinzugeplust! Das Wisch-Prinzip zeigt hier nur vier Angebote, also gehen wir in die Detailansicht, wo sich eine Torte von Coppenrath & Wiese zeigt. Für das Wochenende mit Gästen eine schöne Leckerei. Die Kategorie-Funktion lässt das gesamte Angebot durchaus passabel sortieren, so dass ich selektiv meinen Einkaufskorb befülle.

Als hilfreich erweist sich schließlich die Information, dass ich nur noch zwei Tage habe, um die Angebote zu kaufen. Schließlich naht das Wochenende. Zeit einen Markt auszuwählen, der alle Angebote des Marktes zusätzlich einspielen soll. Eine typische Google-Maps mit den nahegelegenen roten Rewe-Stützpunkten signalisiert in Köln eine typische Marktdurchdringung. Per GPS findet sich schnell der nahegelegene Markt.

Die Startseite zeigt mir die Öffnungszeit bis 22 Uhr und die Adresse an, ein erneuter Klick auf den Markt hilft mir erneut mit der Karte bei der Navigation.

Es wird Zeit, zum Einkaufen zu gehen. Schnell noch einmal die Einkaufsliste geöffnet. Und zu meiner Überraschung finde ich genau hier die wirklich spannendste Funktion versteckt. Ein weiteres Plus-Zeichen, diesmal ein rundes Symbol, gibt den Zugang zur Suche mit Texteingabe, Barcode-Scanner und Spracheingabe frei. Zum Test suche ich „Müsli“ per Text- und Spracherkennung. Als Ergebnis erhalte ich eine große Auswahl an potenziellen Produkten, von denen ich eines testweise zum Warenkorb hinzufüge. Bei dem Test im Markt möchte ich den Barcode-Scanner ausprobieren. Zwar wird der Strichcode prompt erkannt, aber nur ein großer grüner Kreis zeigt ein Häkchen mit „Müsli“. Ja, soll ich klicken oder wischen? Noch einmal gescannt, und schon habe ich zwei Müsli ohne genaue Produktbezeichnung im Einkaufskorb. Immerhin lässt sich die Menge leicht in der App mit weiteren Plus-Minus-Zeichen reduzieren oder erhöhen. Ein ungewolltes Produkt kann auch weggewischt werden.

Aber gerade bei dem hauseigenen Produkt fehlt die Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb. In der eigenen App sollte das eigene Produkt zumindest beim Barcode-Scanner als „Rewe Knusper-Schoko Müsli“ und nicht pauschal als „Müsli“ erkannt werden. Im Markt kaufe ich weitere Dinge für das Wochenende ein, blicke dafür aber auf meine langjährige Erfahrung als Kunde zurück und finde die Produkte relativ schnell auch ohne die digitale Erinnerungshilfe.

An der Kasse nutze ich die Option für Selbstzahler und bin relativ schnell fertig, aber bezahle wie gewohnt mit der EC-Karte. Ein wenig NFC in der App und direkt in den Kassensystemen der Märkte könnte den Einkauf von digital denkenden Kunden zu einem kleinen Einkaufserlebnis machen. Offenbar sind wir in Deutschland von diesem Sprung noch entfernt.

Alles in allem bietet Rewe eine saubere, einfache und leicht erlernbare App. Kleine Kinderkrankheiten wie der überlappende Reiter für die Einkaufsliste oder die versteckte Suchfunktion sollten definitiv verbessert werden. Nach dem Einkauf finde ich in der App noch das eigentliche Menü, welches sich hinter dem Logo versteckt. Von den gebotenen Möglichkeiten habe ich schon alle sehr intuitiv in der App direkt ausprobiert. Die obligatorischen Angaben wie Datenschutzerklärung, Nutzungsbedingungen und Impressum überspringen wir Otto-Normal-Nutzer ohne mit der Wimper zu zucken. Schließlich wollen wir doch nur Einkaufen gehen.

Dieser Artikel erschien zuerst für LEAD digital am 14. Oktober 2013.