Wie geht man mit kinderfeindlichen Leitlinien um?

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Vor wenigen Tagen veröffentlichte das „Creation Center“ der Deutschen Telekom insgesamt 101 Leitlinien für die digitale Welt. Laut eigener Aussage brachte das Team nach mehrmonatiger intensiver Recherchearbeit, zahlreichen Workshops mit Teilnehmern aus mehr als 12 Nationen erstmals eine eEtiquette mit 101 Dos and Don’ts für den digitalen Alltag hervor. Eine starke Leistung, die nicht nur kostenfrei im Netz, sondern auch als Buch vertrieben wird. Die 101 Leitlinien sind zuweilen amüsant, mal produktiv, leicht anregend und eigentlich keine große Neuigkeit. Man kann mit vielen dort vorgeschlagenene Ideen leben, aber selbst an diesem Vorgehen darf Kritik geübt werden. Vor allem Business-Menschen und der digitalen Bohéme sind diese Dos and Don’ts seit Jahren bekannt. Wie schaut es jedoch mit einer solchen Leitlinie aus?

Schalte Dein Handy bei Beerdigungen, Hochzeiten, Yogakursen und überall dort aus, wo es unangebracht wäre, ein schreiendes Kind mitzubringen.

Die in Fett hervorgehobenen Wörter muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Ich verstehe den Sinn, ein Mobiltelefon, Handy oder Smartphone zu gegebenen Anlässen mindestens stumm zu schalten oder zu deaktivieren. Aber an dieser Leitlinie 100 scheiden sich im Social Web mittlerweile die Geister. Einge Nutzer des Social Web, zu denen auch ich zähle, fragten persönlich bei @telekom_hilft über Twitter an und bat um Stellungnahme zu der kinderfeindlichen Tendenz dieser Leitlinie.

Noch am gestrigen Abend wurde mir seitens @telekom_hilft per Direct Message bei Twitter eine Stellungnahme angekündigt. Nach mehrfacher Nachfrage kann ich bis zum jetzigen Zeitpunkt jedoch keine Stellungnahme über Twitter oder in meiner privaten E-Mail-Post finden.

In der heutigen Gesellschaft darf ein Großkonzern wie die Deutsche Telekom niemals über unsere zukünftigen Generationen richten, geschweige denn Familien kritisieren. Für viele Familienmenschen gehört es zum Leben dazu, mit ihren Kindern an Ereignissen teilzunehmen und sich nicht auszuschließen. Wo kämen wir hin, wenn wir uns in unserer privaten Freizeit still verhalten müssen oder einem Event fernbleiben, nur damit andere Menschen vollkommen ungestört ihr Dasein fristen können? Eine solche Richtlinie schränkt Familien und ihre Kinder in ihrer Freiheit ein. Ein mögliches Szenario könnte beinhalten, dass solche Leitlinien als besonders wertvoll bezeichnet werden und in einem Umkehrschluss das Mitbringen von Kindern verboten wird. Vielleicht sogar im Namen des Schutzes der Kinder?

Kinder sind der wichtigste Teil unserer Gesellschaft. Ohne unsere Kinder gibt es keine Zukunft mehr. Diese Erkenntnis erlebt sogar manche Kirche. Selbst im Gottesdienst wird Familien ermöglicht, einen speziellen Familiengottesdienst regelmäßig abzuhalten, wo explizit die Kinder zur aktiven Teilnahme eingeladen sind. Und falls es in der Zeit den Kindern zuviel wird, dürfen die Kleinen auch in einem Ruheraum den Gottesdienst per Leinwand mit ihren Eltern mitverfolgen.

Wenn schon die in der Gesellschaft durchaus kritisierten Kirchen den Weg gehen, eine Familie in ihre Gemeinde stärker zu integrieren, sollte ein Unternehmen immer die Werte einer modernen Familie hochhalten. Persönlich habe eine hohe Erwartung an Unternehmen hinsichtlich den Themen Kinder, Familie, Gesellschaft und der dazugehörigen Work-Life-Balance. Sobald Leitlinien mit hochoffiziellem Charakter publiziert werden, dürfen sie nicht die Grundwerte der Gesellschaft angreifen. Egal welche Abteilung der Telekom dieses Thema aufgreift – ich hoffe inständig, dass die Antwort ehrlich und glaubwürdig ausfallen wird. Schließlich gehört dies auch zu der Kommunikation in Social Media. Ebenso wie das Glatteis, auf dem man sich zu jeder Sekunde in der Kommunikation bewegt.

Nachtrag:
Das positive an der offenen Kommunikation an Social Media möchte ich durchaus aufzeigen. Nur wenige Minuten nach Veröffentlichung dieses Artikels äußert sich die Pressestelle der Deutschen Telekom in den Kommentaren der Leitlinie 101 und auch bei Twitter. Die Hoffnung besteht darin, dass die Community diese Leitlinie eigenständig bereinigt. Mein Vorschlag: „Schalte Dein Handy bei Beerdigungen, Hochzeiten, Yogakursen und überall dort aus, wo es unangebracht wäre, durch laute Klingeltöne die Veranstaltung zu stören.“ Vielen Dank.

6 Kommentare
  1. Andreas Kadelke, Pressestelle Deutsche Telekom sagte:

    Vorschlag ist registriert und weitergeleitet.

  2. Miriam Godau sagte:

    Ungeniert kreiert das „Creation Center“ also mal kurz ohne Pietät und Zielgruppe.
    Kinder ausschalten“ ist schon ein gewaltiger faux pas für ein Unternehmen mit so vielen Mitarbeitern.

  3. Helge sagte:

    Natürlich eine Steilvorlage für die typischen moralischen besserwisser die mit dem Spruch „Kinder sind unsere Zunkunft“ sich profilieren müssen. Merkt ihr nicht das es hier überhaupt nicht um diese Grundsatzdebatte geht? Früher, auch ohne Handy, gehörte es zum guten Ton bei Hochzeiten u.a. möglichst rücksichtsvoll zu sein, ja auch Kinder! Aber heute scheren sich manche Eltern einen Dreck um ihre schreienen Bälger und fühlen sich auch noch gut dabei!

Trackbacks & Pingbacks

  1. Benimmregeln 2.0 | Bloggen mit Energie! sagt:

    […] viele bei Twitter unter dem Namen “Sichelputzer” kennen. Der Blogpost lautet: “Wie geht man mit kinderfeindlichen Leitlinien um?” Stein des Anstoßes war die Leitlinie […]

  2. Das ‚Creation Center‘ der ‚Telekom Labs‘ entdeckt 5. Screen: Omas Stickrahmen…

    Kaum denkt man, die Telekom wäre (bis auf wenige Jahre Verzug, aber eben so ungefähr) in der Gegenwart angekommen, schon enttäuscht sie einen wieder. Nun also gibt es „101 Leitlinien für die digitale Welt“, die uns allen das Leben in……

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