Reflektion zur Hessen-Wahl im Web 2009

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Am heutigen Abend fallen mir vor allem zwei Dinge auf. Zum einen die Integration von Social Media im Fernsehen, zum anderen das politische Engagement im Vorfeld einer Wahl. Vor Monaten, ja vor einigen Jahren war ich trotz meiner persönlichen Netzaffinität, die durch Beruf und Bildung geprägt wurde, einer der ersten Zuschauer, die an einem Wahlabend den Fernseher einschalten würden, um mit live dabei zu sein. Nach dem heutigen Tag kann ich stolz behaupten: Das Fernsehen ist und bleibt nur ein Medium in unserer Zeit, das sich dem medialen Einfluss des Internets kaum entziehen kann. Wie kann ein Fernsehsender sich seine Zuschauer und das Netz quasi zum Untertan machen, wenn die Informationen hier viel intensiver diskutiert und schneller verbreitet werden? Reicht es, im Internet vor dem Hintergrund des regulatorischen Rundfunkstaatsvertrages eine rudimentäre Informationspolitik zu betreiben? Oder muss man sich öffnen?

Ja, man kann den Weg gehen und Social Media als Teilangebot in die Berichterstattung einfließen lassen. Es ist zumindest eine gesunde Herausforderung, den zur Wahl berichtenden Journalismus nicht nur im Fernsehen, sondern auch im Internet als Social Media Angebot anzubieten. Am Beispiel der Hessen-Wahl konnte das ZDF vor allem bei den netzaffinen Zuschauern punkten. Die Portalseite integriert medienübergreifend Livestream, Twitter, Chat und Videos. Vor allem in Twitter geht zu @wahlimweb und @tsg (SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel) die Post ab. Im Gegensatz hierzu vermag kein anderes Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sowie des Privatfernsehens in Deutschland ein so intensives Live-Erlebnis für Zuschauer und Nutzer erzeugen. Eines bleibt für mich persönlich jedoch festzuhalten: Deutschland ist demographisch bedingt wohl noch nicht bereit für den digitalen Wahlkampf. Auch wenn die Medien sich so intensiv des Themas annehmen, scheinen die Wähler sich nicht mit dem Thema „Internetwahlkampf“ anfreunden zu können. Die Politik muss hier mehr bieten – die Anfänge von Thorsten Schäfer-Gümbel sind dabei nur der Grundstein für deutsche Politiker.

Was in der politischen Kampagnenstrategie fehlt ist einfach zu definieren: Geld für PR und Marketing in Zeiten von Social Media – und die motivierte Netzöffentlichkeit kann den älteren Wählern sehr wohl das Wasser reichen, die sich traditionsbewusst geben. Man muss abwarten, wie das demographische Ergebnis der Wahl ausfallen wird. Ich befürchte jedoch, dass das Ergebnis bei der heutigen Wahl neben der Tatsache, dass Frau Ypsilanti zu lange in der Öffentlichkeit stand, vor allem durch den mangelnden Anteil der jungen Generation an Wählern zustande kam. Die Politik in Deutschland muss die Wähler auch im Netz motivieren, sonst kann nichts erreicht werden und ein „Yes, we can!“ am Beispiel des baldigen US-Präsidenten Barack Obama wird hierzulande nicht möglich sein.

Während Twitter auf Hochtouren läuft, ist die deutsche Blogosphäre derzeit noch allgemein etwas verhalten zu dem aktuellen Thema. Sofern erste Berichte und Reaktionen auftauchen, liste ich diese hier auf: zweipunktnull, Pottblog, querblog, kiesows, kaliban, wildbits, Jens Scholz, antibuerokratieteam, Jan Filter

Wie sehen die Leser die Relevanz von Social Media im Wahlkampf und in der Medienberichterstattung? Ist Deutschland schon soweit, um wie die USA auf dieses hohe Verbreitungsniveau zu kommen? Sollten sich deutsche Politiker an TSG trotz der Niederlage eine gehörige Scheibe von seinem Engagement abschneiden?

3 Kommentare
  1. UlrichS sagte:

    Deutschland muss noch viel nachholen. Hier ist großes Potenzial bei den jungen Wählern im Netz, das einfach verschenkt wird!!!

  2. cdv! sagte:

    Natürlich verändert sich Deutschland auch in diesem Bereich. Aber es wird noch viel länger dauern, bis die Netz-Nutzer eine wirklich relevante Größe für die Strategen werden. Bisher verlieren die Parteien nur die jungen Nutzer, was wiederum schlecht ist für die Demokratie. Die Medien sind gut beraten, die „neuen“ Medien für ihre Arbeit zu nutzen. Bei den Parteien braucht es mehr Mut für Positionen. Und erst dann können sie sich um die Strategien kümmern, um die Nutzer im Netz da zu treffen, wo sie sich aufhalten. Nur youtube und twitter reicht bei weitem nicht aus. Bin da im Moment sehr, sehr skeptisch.

  3. Christian H sagte:

    Meine persönliche Meinung zu Wahlkampf und Co:
    Wie in diesem Artikel schon beschrieben, hat das Internet gezeigt, was es in der Politik erreichen kann bzw. das eine gute Vernetzung und PR, vor allem auch zeitgemäß bei den jungen Wählern, etwas bewirken können.
    Speziell in Deutschland sind die demographischen Gegebenheiten nach oben verschoben. Das hohe Alter, auch der Politiker, ist teilweise finde ich steinzeitlich. Vor allem der Wiedereinstieg des Herren M., hat sich bei seiner Partei finde ich negativ ausgewirkt.
    Wahlkampf im Internet, wie Obama ihn geführt hat, funktioniert bei uns aus meiner Sicht nicht 1:1! Viele haben das Motto „Yes, we can!“ übernommen. Obama hat mit dieser prägnanten Kampagne den Treffer gelandet und hat alle überrascht. Er ist „relativ“ jung, der jüngste US Präsident, und folgt dem Zeitgeist. Der Maßstab für den Internetwahlkampf ist von ihm weltweit gesetzt worden. Durch Internet, Funk und Fernsehen hat die ganze Welt teilgenommen. Ich persönlich finde das man den Spruch nicht einfach „klauen“ kann, ohne das die Figur bzw. die Person die das repräsentieren soll, nicht von Anfang an den Weg gegangen ist, ansonsten bleibt man eine schlechte Zweitbesetzung.

    Ich wünsche allen ein schönes Wahljahr 2009.

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