Old-School Zeitungskonsum

Die Gesellschaft ist im Wandel! Wirklich! Keine abgedroschenen Sprüche, daher glaubt mir, wir repräsentieren mit unserem Lebensstil die vergleichsweise mutige Generation, die sich vom klassischen Informationsmedium Zeitung abkehrt. Wenn ich noch an die Zeit zurück denke, in der ich sogar ein regelmäßiger Leser des Lokaltitels „Flensburger Tageblatt“ über fast eine Dekade war – aus dem Elternhaus gewöhnt und mit in meine erste eigene Wohnung genommen- so wird mir noch ganz warm ums Herz.

Ich habe es genossen die kleinen Anekdoten der Lokalreporter zu lesen. Auch die regelmäßige Kolumne, mit der unter einem Pseudonym tagtäglich der Schwank aus dem Stadt- und Landleben erzählt wurde, war ein Genuß für die Augen. Vor allem der Sportteil und der regionale Politikteil im Mantel brachten das Herz eines Schleswig-Holsteiner Jung‘ in Wallungen. Doch dann war’s einfach vorbei. Zugegeben empfand ich es als störend während der Studienzeit einen stolzen Beitrag von monatlich an die 35 Euro für eine Tageszeitung zu bezahlen, aber das Internet brachte es letztendlich auf den Punkt: Die Schnelligkeit der Informationen bringt einen von den klassischen Medien weiter weg als jemals zuvor. Gerade in Bezug auf Tageszeitungen frage ich mich auch deswegen, ob wir wirklich frei von Vorurteilen sind? Alles was ich im Prinzip benötige, entnehme ich den großartigen Nachrichtenseiten im Netz oder spätestens am Abend helfen die politischen Magazine und Nachrichtensendungen im Fernsehen ein wenig Information zu transportieren. Einzig und alleine Fachzeitungen und -zeitschriften kommen regelmäßig auf den Tisch und werden intensiv konsumiert.

Doch ein Phänomen, was natürlich den Medienhasen bekannt ist, konnte ich diese Tage bestens beobachten. Jeden Morgen flatterte ein Exemplar der „Ostsee Zeitung“ ins Haus. Meine geschätzte Schwiegermutter hatte ihr Abonnement für die eine Woche, in der sie uns besuchte, als Nachsendung zu uns geschickt. Man fühlt sich in dem Moment wieder in der Annahme bestätigt, dass das Klientel der Lokalblätter sehr stark an die Altersstruktur gekoppelt ist. Ich würde nie im Traum darüber nachdenken, ein Abonnement für den Kölner Stadtanzeiger abzuschließen oder gar die BILD oder den Express mehr als zwei Mal im Monat zu kaufen. Doch die ältere Generation schätzt ihre Zeitungen mehr als unsereins – doch der Old-School Zeitungskonsum und die Bindung an solche Lokalblätter ist nicht mein Ding. Ich habe das vage Gefühl trotz irgendwelcher Studien und ihren entsprechenden Ergebnissen, dass es noch maximal zwanzig Jahre dauern wird, bis die lokalen Tageszeitungen radikal aussterben – wenn nicht sogar viel früher und schneller durch die Konvergenz der Medien und insbesondere Anpassungen in der Werbebranche an die neuen Medien.

Wir leben in einer Gesellschaft im Wandel – so waren die eingangs formulierten Worte. Vielmehr sind wir im Wandel mit uns selbst, denn der Bezug zu einer lokalen oder regionalen Zeitung ist aufgrund unser aller Mobilität durch Ausbildung, Studium, Arbeit und die dazu nötige Flexibilität auf ein geringes Maß gesunken, dass nur die überregionalen oder fachspezifischen Titel den Wandel der Gesellschaft auch stand halten werden. Klar – kein wirklich neues Thema, über das man schreiben muss, doch es gibt einem schon zu denken, wenn man es am eigene Leib spürt.

6 Kommentare
  1. Johannes sagte:

    Ich weiß nicht, aber irgendwie war es für mich auch immer eine Zeitfrage.
    Mag jetzt komisch klingeln, aber die Zeit um im Netz schnell durch die Themen bei n-tv.de oder tagesschau.de habe ich.
    Die Zeit in der Tageszeitung nach den Themen zu suchen die mich interessieren, die Zeit mich mit diesen unbequemen, schwer zu haltenden, immer wegknickenden Dingern entsprechend zu beschäftigen, die fand und finde ich einfach nicht. Es ist mir zu viel Aufwand.

    Den Verlust der regionalen Zugehörigkeit kann ich nicht nachempfinden, da ich diese Zugehörigkeit in der Art nicht hatte. Mich haben schon immer mehr die überregionalen Themen interessiert und nicht wen der regionaler Kaninchenzüchterverein als neuen Vorstand gewählt hat. So hatte ich als Student der Fachhochschule dann sogar ein Abo der SZ, es aber nach einem Jahr wieder aufgegeben, der Zeit wegen und weil mir das Altpapier über den Kopf wuchs.

    Die regionale Zeitung wird aussterben, da denke ich geht kein Weg daran vorbei. (Ich persönlich hoffe, das dies auch für die Mittwochszeitung gelten wird ;) )

  2. Heike sagte:

    Ich gebe Euch Recht. Wenn die regionalen Zeitungen so weiter machen wie bisher, werden sie mit ihren Lesern aussterben. Doch glaube ich, dass sehr viele junge Menschen den Bezug zu ihrer Region suchen. Denn Erfolge, wie sie „Stadtjacke“ erlebt habt zeigen, dass auch junge Leute sich gern mit ihrer Umgebung indentifizieren möchten. Nicht nur die Fussballfans. Achtet mal darauf, wie viele Junge in Großstädten den Namen ihres Stadtteils auf der Brust oder auf ihren Taschen zur Schau stellen. Hierbei ist sicherlich nicht der Kaninchenzüchterverein das schlagende Argument. ;)

    Ich glaube, dass Tageszeitungen – und hier sowohl die regionalen als auch die überregionalen – nur eine Chance haben, wenn sie es schaffen, das Papier mit der Onlinewelt möglichst barrierefrei zu verbinden. Entwicklungen in diese Richtung sehen wir derzeit mit der „Welt Kompakt“, die QR Codes einsetzt. Es gibt noch bessere Verfahren als das Mobile Tagging, wie z.B. die Bilderkennung. Manche Redaktionen scheinen es langsam zu verstehen: „Mitmachen oder Untergehen!“

  3. niels | zeineku.de sagte:

    Ich habe nach wie vor ein Zeitungsabo, aber FAZ nicht die hiesigen „Kieler Nachrichten“. Letztere ist total verschnarcht.

    Papier hat den großen Vorteil, dass es immer noch zug- und frühstückstischkompatibler ist als online-Medien.

  4. Maddin sagte:

    Zeitung lesen ist zwar gemütlicher, aber der Aufwand ist zu groß, in einer Zeit, in der alles immer ganz schnell gehen muss. Daher auch keine Abos meinerseits.

  5. niels | zeineku.de sagte:

    Aufwand? Die Zeitung schiebt der nette Bote mir jede Nacht gegen 2:30 Uhr durch den Wohnungstürschlitz. Die muss ich nur beim Verlassen des Frühstückstisch aufsammeln und in die Tasche schieben.

  6. Michael sagte:

    Am Wochenende habe ich im Radio eine interessante Reportage zum Zeitungsmarkt in Spanien gehört. Dort gibt es viele Gratiszeitungen die öffentlich ausliegen. Scheint so, dass dadurch der Konsum gedruckter Zeitungen auch relativ hoch ist.

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